10.
Wie Rosamunda dem jüngling einen köstlichen ring bracht auß befelch der junckfrawen Philomena.

[214] Die junckfraw Rosamunda mit grossen sorgen beladen was, in ir selbs vil und mancherley gedencken ward, was grosser sorg ir des künigs halb darauff stünde; yedoch nach langem irem gedencken sich heymlich on all ander ire junckfrawen zů des jünglings gemach füget, züchtiglichen anklopffet. Sich von ungeschicht begab, das der jüngling Gabriotto gantz einig was, allein sein allerliebster gesell Reinhart bei im saß, der in dann nymmer verlassen thet. Als nun die beden jüngling das züchtig anklopffen vernummen hatten, nit gedencken mochten, wer sye also besuchen wolt. Reinhardt bald auff stund, der junckfrawen die thür öffnet. Die nit wenig freüd von disem portner empfahen thet, auch nit minder freüd Reinhart von ir zůkunfft empfieng; noch mocht ir keins mit dem andren kein wort gereden, solichs alls ir grosse liebe, die mit unmeßlicher freüd unnd scham vermischet was. Also mit einander in des jünglings kammer bekamen, welcher yetz von seinem beth auffgestanden was, auff einem sessel in der kammer sitzen thet. Die junckfraw Rosamunda in mit züchtigen worten grüsset. Der jüngling sich solcher zůkunfft nit genůg[214] verwundren mocht, mit züchtigen worten der junckfrawen danck saget.

Rosamunda, als sye yetzt von dem jüngling empfangen was, auff semliche form anhůb zů reden unnd sprach also: ›Edler jüngling, ir sond euch nit verwundren ab meiner zůkunfft; dann ich zů euch als ein vertrawter bott geschickt bin von Philomena, meiner allergnädigsten junckfrawen, die dann also groß mitleiden mit euch hat, das ich euch das nun zůmal nit erzalen mag. Damit aber ir ein waren ernst an meiner junckfrawen spüren mögen, so hat sye mir befohlen, euch diß kleinot zů bringen, in welchem ein sunder köstlicher steyn verfaßt ist, der euch dann zů ewer kranckheyt nit wenig nutzet unnd zů gesundtheyt fürdern mag. Darumb, edler jüngling, so nemendt hin dise gab, welche euch auß sunder lieb geschickt würdt!‹

Gabriotto sampt seinem gesellen Reinhart dise sach ein seer frembd ding was. Beyde nit wenig freüd davon empfiengen, also das der jüngling Gabriotto alles seines schmertzens yetzt gantz vergessen thet, mit auffgehabnem frölichem angesicht zů der junckfrawen sprach: ›Wolgeborne züchtige junckfraw, der gnaden, so mir heüt von meiner allergenädigsten junckfrawen beschicht, ich mich nymmermer genůgsam bedancken mag. Gott wolt aber, ich mich in ihrer gnaden dienst nach allem irem willen fleissen möcht! Ich mich warlich in keinen weg sparen wolt. Der allmechtig gott wöll sye vor allem leyd und übel bewaren und mir genad geben, ir nach irem gefallen zů dienen! Dann ich von disem tag an sunderlich in iren dienst begeben will.‹

Nach disen worten die junckfraw urlaub von dem jüngling nam, sich wider zů Philomena füget, ir alle verlassne sachen zů wissen thet, des sye nit wenig freüd empfieng. Von tag zů tag die liebe sich in inen beyden meret, deßgleichen auch die liebe Rosamunda gegen Reinhart wachsen thet, also das in kurtzer zeit dise alle vier keins des andren halben keinen zweyffel der liebe halben tragen dorfft. Als nun Rosamunda die junckfraw von den zweyen jungen gegangen was, sye mancherhand zů red wurden, in grossen freüden die zeit vertriben. Gabriotto sich yetz gantz frisch und gesund schlief,[215] wiewol im noch nit gantz vergessen was der schwer und hart fall, so er erlitten hat, im also außwarten můst, bis sich sein sach mit hilff der artzet seins zerfallnen leibs halben zů gůtem end schicket.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 214-216.
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