14.
Wie die beyden jüngling mancherley gespräch von wegen der liebe mit einander hatten, und wie Reinhart seinen gesellen vor solcher liebe warnet.

[223] Der jüngling Gabriotto sich nun gäntzlich beduncken liess, er wer yetz gantz sicher unnd ungezweyffelt der liebe an Philomena; deshalben er im entlich fürnam, der junckfrawen zů schreiben. Er gedacht auch an die trew und liebe seines allerliebsten brůders und gesellen Reinharts und setzt im für, seines rahts darinn zů pflegen. Mit solchen gedancken beladen er sich schnell zů im füget.

Reinhart seines gesellen grosse freüd nam, in zůhandt füget, wie all sein sachen stünden. Des im Gabriotto mit kurtzen worten zů verston gab, demnach anhůb und sprach: ›Mein allerliebster brůder und freünd, mir ist noch nit vergessen der trew und liebe, so ich all mein tag von jugendt auff an dir befunden hab; namlich als du mich und meinen vatter wegfertig vernamest, du dich freywillig deines vatterlandts begeben thetest und mit uns her in Engelandt bekamest; nachgons, als ich den unglückseligen ritt meinem falcken nach thet, ich warlich dazůmal aller hilff halben verdorben wer,[223] wo du allein nit gewesen werest. Die weil ich nun bißher und allweg nichts anderst dann brüderliche trew an dir befunden hab mag ich dir ye mein yetzigen anschlag nit verhalten und will auch hierinn deines getrewen rahts pflegen. Du solt wissen, mein lieber Reinhart, das mich mein gnädige junckfraw Philomena mit irer liebe so gantz gefangen hat, das mir nit müglich ist lenger zů harren, ich můß ir semlich meine lieb öffnen. Nun kan ich in mir selb nit befinden, in welcherley weiß ich das nach dem allerfüglichsten zůwegen bringen möcht, damit die sach still und heymlich beleiben möcht. Darumb ist mein fleissig bitt und beger an dich, wöllest mir hierinn deinen getrewen raht geben und mir ein füglichen weg anzeygen. Dann ich sunder zweyffel weyß, das mir Philomena ir liebe nit versagen würt.‹

Da Reinhart seinen gesellen also reden hort, was grosser schrecken im davon enstund, nit zů schreiben ist. Dann er die liebe seines gesellen uff das tieffest erwegen thet, dargegen das herkummen der junckfrawen Philomena, das sye von küniglichem stammen geboren was und aber Gabriotto, sein gesell, ir an geburt nit geleichen möcht. Anfieng mit seinem gesellen uff soliche meynung zů reden: ›Gabriotto, mein liebster freünd, mich hat vor langem sorg und angst deinenthalben begeben; wann ich vor langer zeit die yetzigen ding besorgt hab, als dir Rosamunda die junckfraw in deiner kranckheit die reiche schenck von Philomena bracht, und noch vil mer, als mir nechst vergangnen tagen den ballen schlůgen, da sye also mit einem reichen düchlin nach dir werffen thet. Das alles mir sorg und schmertzen deinethalben geschaffen hat. Du hast den verstand dermaßen wol, das du erwegen magst dein und der junckfrawen herkummen. Was grosser sorg meynest du dir darauß erfolgen würd, so sein mein allergnädigster herr unnd künig innen wüd? Fürwar dein leib darob zů grundt gon můß, das mir warlich nit wenig schmertzen bringen würd; ja ich vil lieber den todt leiden wolt, dann dir etwas leyd sehen zůhanden gon. Sag mir doch, mein Gabriotto, was du doch ymmermer für ein außflucht haben, so semlichs der künig von dir gewar würde? Ich bitt dich, mein allerliebster Gabriotto, wöllest bedencken die alten historyen unnd[224] erwegen, was doch ye für freüd von solcher liebe entsprungen sey. Bedenckest du nit den trawrigen außgang der beder liebhabenden menschen, als dann was Thisbe und Pyramus? Wie lang vergundt inen doch das unstandthafftig gelück, ir liebe zů gebrauchen? Fürwar eine kleine zeit; dann als sye yetzund der hoffnung waren, sich mit einander zů ergetzen, wurden sye beyde mit unzeitigem todt irer hoffnung entraubet. Was hat Jason umb sein leben bracht? Allein das er sich der liebe underzogen hat. Und ob schon die sorg des lebens hie nit bedacht würdt, solt im doch einer ein warnung lassen sein das unstet und wanckelbar gemüt der weiber und bedencken, wie so mancher trewer mann so listiglich von ihn verfürt unnd betrogen würt, deren ich dir manchen auß alten historyen anzeygen wolt. Dann sobald sich ein mann der liebe underwürfflich machet, ist er sein selb nimmer gewaltig; er verleirt zůmal stercke unnd weißheyt, ja kein gottsforcht mer in im bleiben thůt. Wer hat Samson seiner sterck, Salomon seiner weißheit, David seiner gottsforcht mer beraubt dann weiber? Wo hat Hercules seine waffen mer von im gethon und weibliche kleyder sampt der weiblichen werck sich underzogen, dann da in ein weib darzů gereytzt und geursacht hat! Ja sye machend nit allein den man zů eim weib, sunder zů unvernünfftigen thieren, wie du, als mich duncket, mir erwann in Franckreich ein fabell von der Circes gesagt hast. Wer die liebe Achillis gegen der Polixena nit also groß gewesen, wer nit also verräterlich in dem tempel erschlagen worden sich sprich auch, het sich Paris der liebe Helene entziehen künden, die mechtig statt Troja wer nit in semlich zerstörung kummen. Was sag ich aber von den alten! Du sichst doch yetzundt bei unsern zeiten nit wenig angst und nodt darauß erfolgen. Sag mir doch, mein Gabriotto, hastu mer von einer semlichen verborgenen liebe gehort als von der tochter Tancrede, Sigißmunda genant? Wiewol sye ir liebe also heymlich sunder allen argwon brauchten, noch kam es zů letst darzů, das es dem vatter kundt ward, der dann so bald verschůff, den jüngling Gwissgardum in still zů fahen, und nach langem klagen gegen der tochter befahl, den edlen jüngling zů erwürgen, im sein hertz außschneiden, welchs er seiner[225] tochter in einem guldenen kopff zůschicket, ir damit zů wissen thet, das hertz Gwisszgardi darinn wer. Des sye mit frölichem angesicht empfieng, nach dem so kläglich darob anhüb zů weinen und klagen, das sich die umbstender des seer verwundern tethen; dann inen allen semlichs verborgen was. Aber nach langer red, so sye mit dem vatter hat, sye ir ein vergifftes tranck, vor und ee zůbereyt, zů iren handen nam, das unerschrockenlich ußtranek, also mit grossem schmertzen iren geyst auffgeben thet. So ist dir auch die kurtze freüd on zweyffel nit verborgen, so die zwey liebhabenden menschen zů Senis, namlich Eurialus und Lucrecia, gehabt hand. Deren geschichten ich dir noch mancherley erzalen wolt, wo ich dich nit besorgt verdrießlich damit zů machen. Damit aber du nit in solche gfar gesetzet werdest, ich bitt, da wöllest dich von semlicher liebe entziehen. Dann on zweyffel nit minder sorg darauff zů haben ist, dann disen von nöten gewesen wer, so ich dir nach der leng erzalt hab.‹

Mit solchen worten Reinhardt seiner red ein end gab. Der jüngling seinem gesellen auff sein red ein gůte zeit nit antwort geben wolt, zůletst anfieng und sprach: ›Ach gott, Reinhart, mag ich kein andren raht dann einen solichen von dir gehaben, so rewt mich, das ich mich ye gegen dir meiner liebe halb hab lassen mercken; dann ich mich des nymmermer zů dir versehen het. Ich sag dir aber, das soliche warnung gar nichts an mir verfahen mag. Dann als wenig sich die, so du mir erzalt hast, irer liebe hand mögen entziehen, als wenig mir auch solchs müglich sein würt, so lang biß ich meinem begeren ein genügen thů. Dann mein liebe also gefundiert ist, das sye weder der todt noch ander übel scheyden würt. Ich wolt mich fürwar selig schetzen, so ich wißt, mir von wegen der allerschönsten junckfrawen der todt zůston solt. Darumb, mein allerliebster Reinhart, dieweil du mir doch deinen getrewen raht nit mittheilen wilt, so wöllest mich doch nit understohn von semlicher meiner liebe abzůwenden.‹

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 223-226.
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