27.
Wie die beyden jüngling in grossen freüden bei ihren liebsten junckfrawen sassen, den ymbiß mit inen namen.

[260] Mit gantzem fleiß Reinhart unnd Gabriotto der zeit erwarten theten, da man zů hoff anhůb zů blasen. Als das nun geschach, sye sich zů fraw Laureta gemach fügten, welche der beyden ritter warten thet. Als sye nun darkamen, die thür offen funden, bald hineinkamen, die fraw Laureta sye freündtlich empfahen thet, dieweil Philomena in ihrem gemach saß. Als nun ir kammermeysterin nach irer gewonheyt kam, die junckfraw in das frawenzimmer zů füren, Philomena zů ir sprach: ›Gond hin zů den junckfrawen und sagend, das ich nit wolmögend sey! Darumb ihr in freüden leben und mich diß tags unbekümmert lassen! Ir bedürffendt auch heüt nit mer zů mir kummen; dann fraw Laureta unnd Rosamunda bei mir bleiben werden, die mir dann meine geschefft wol außrichten werden. Darumb ich euch heüt gantz erlauben will.‹[260] Die kammermeysterin wol zů můt was, von dannen schied, den junckfrawen iren befelch zů wissen thet.

Als nun Laureta meynet, das yederman ob tisch saß, fůrt sye die beyden jungen ritter mit ir in der junckfrawen Philomena gemach, die sye gantz frölich und aller irer angenummenen kranckheyt entladen funden. Philomena anffstund, ihren Gabriotto mit iren armen umbfahen thet, dergleichen Rosamunda iren allerliebsten Reinharten freündlichen umbfieng, davon inen allen vieren grosse freüd kummen thet. Nit lang hernach Laureta das essen über tisch trůg, das vast könstlich und wol bereyt was; den ymbiß mit grossen freüden anhůben. Laureta, welche ein frölich weib was, den beyden jungen rittern mit iren schimpfllichen worten vil freüd machet: dergleich Philomena unnd Rosamunda sich nach aller nothdurfft yede mit irem ritter ersprachet. Das aber sye als mit einander redten, lange weil zů beschreiben nem; es mag aber ein yeder liebhaber unnd liebhaberin ein semlichs betrachten, was sich für red und freündtlicher antwort von zweyen begeyt, so einander in rechter warer liebe hulden.

Under andren aber Philomena anhůb und sprach zů irem ritter Gabriotto: ›Edler ritter, demnach und ir nechstvergangenen tagen von mir bericht worden seind, dem ist also; es soll und můß auch also steiff und stet bleiben, das semlichs nyemandts dann der todt wenden soll. Des band euch hie mein trew zů einem pfand.‹ Damit sye im ir schneeweißes händlin bieten thet. Der ritter der junckfrawen einen schönen kostlichen ring zů einem waren unnd festen wortzeichen gab, den sye zůhand von im nam. Laureta anhůb und sprach: ›Also sih ich wol, junckfraw Philomena, auch nit bei einem krancken, sunder bei einem hirat sein.‹ Darauff Philomena sprach: ›Laureta, liebe freündin, lond euch unser willen nit betrüben! Dann fürwar das, so mir yetzund handlen, vor langem durch brieff unnd andren angefangen ist. Darumb ir euch darab gantz nit entsetzen dörffend, als ob ir ein ursach daran sein solten.‹ Laureta sprach: ›Gnädige junckfraw, ich beger nit mer von gott, dann das er ewer fürnemmen, anfang, mittel und end nach dem allerbesten und glückseligsten schicken wöll. So ir mir aber all verziehen wollen, will ich euch nach meinem[261] besten beduncken einen raht anzeygen. Wo ir dem also nachkummen, bin ich der hoffnung, euch nymmer übels davon bekummen soll.‹ – ›Sag an, mein allerliebste Laureta! Alles, so dich gůt beduncket, wir dir warlichen mit allem unserem vermögen volgen wöllen.‹

Laureta anhůb und sprach: ›Junckfraw Philomena, dieweil sich die sach mit euch unnd dem ritter also weit verloffen hat, so wer mein raht, ir das auff das heymlichst unnd verborgenlichest zů halten. Dann warlich, sobald des mein herr der künig innen werden solt, ihr in grossen sorgen stohn müsten, desgleich ewer geliebter ritter in grosser gfar seins leibs und lebens sein würd. Damit aber ir mit der zeit on alle sorg zůsamenkummen möchten, so müßt sich der ritter zů allen zeiten freündtlich gegen dem künig, ewerem brůder, halten und lůgen, das er allweg des morgens der erst bei ihm unnd der letst von ihm wer unangesehen der andren diener. Ob sye in schon darumb hasseten, so dörfft doch keiner dergleichen gegen im thůn. Auch so mer der künig verstohn würd, das er von andren dienern umb seiner dienst willen geneidet würd, so mer er im gnaden zů ihm ziehen würd. So sich dann begeb, das ettwann ein graffschafft ledig würd, so möcht ihn dann der künig von wegen seiner dienst damit begaben; als ich dann vor mer erlebt hab, das mein herr künig einen von beürischem geschlecht zů einem edelman gemacht, demnach zů ritter geschlagen, zůletst hat er in gegräfft, und stat darauff, er in bald zů einem hertzogen machen würt. Wann sichs dann mit ewerem ritter allso begeb, des ich dann von hertzen begeren bin, dann so möcht man durch mittelpersonen die sach zů gůtem end bringen.‹

Der raht Laureta den beyden zůmal wol gefallen thet, wiewol sye meynten, die zeit sich lang verweilen würd, eh dann es darzů kummen möcht. Also sye nun den ymbiß mit disen und andren vil worten in grossen freüden vertriben hat[ten] und Laureta den tisch yetz auffgehaben hat, so ersicht Gabriotto ein schachbrett an der wand hangen, zů der junckfrawen sprach: ›Junckfraw Philomena, seind ir auch des spils in dem schoch bericht?‹ – ›Ja, sicher‹, sprach Philomena, ›hand ir sein lust zů ziehen?‹ – ›So es, junckfraw, ewer gefallen[262] wer unnd uns die zeit auch so lang vergnunnen wolt bei einander zů bleiben, ich sein ein groß gefallen hett.‹ – ›Ach‹, sprach Philomena, ›edler ritter, ir sont euch gantz nichts besorgen. Dann ich euch nit urlaub geben will, biß das man am abent das nachtmal zů hoff besessen hat; sunst wer euch nit wol müglich on yrrung von hinnen zů kummen.‹ Der ritter das schochtafelbrett von der wand nam, welches alles von kristallin unnd jaspis vertheylet was; die steyn aber waren lauter helffenbeyn und schwartz bilsenhornen, mit subteiler meysterschafft außgraben. Philomena und Gabriotto also anhůben in dem Graben schoch zů ziehen; Laureta ihn mit fleiß zůsehen wollte, in dem sich Reinhart unnd Rosamunda ein klein neben sich auff einen banck zůsamen setzten, damit sye auch nach dem gefallen mit einander reden kundten. Unnd gleich als Philomena stete trew unnd liebe ewig zů leisten versprochen hatt also auch Rosamunda irem allerliebsten ritter versprach und besagt, der ir auch ein schönes kostliches kleinot zů einem hafftgelt gab. Laureta, welche aller gescheidigkeyt voll was, die sach auch wol verstohn kundt, aber keineswegs dergleichen thet, als ob sie es verstanden hett. Philomena und Gabriotto also die zeit in dem schoch ein gůte zeit vertriben. Also die vier lieben den gantzen tag mit freündtlichem gespräch und ander freüd, doch alles so züchtig und erlich, das es nit zů glauben ist, [vertriben].

Als nun der tag vergangen und die zeit kam, das man zů tisch geblasen hat, Laureta die beden ritter durch sicher und verborgene weg von dannen trieb. Die sich mit grossem unwillen von iren allerliebsten junckfrawen scheyden můsten, einander freündtlich umbfahen thetten, von dannen giengen, zů hoff kamen, sich mit andren des künigs hoffgesind zů tisch nidersetzten, das mal mit grossem unmůt vollbrachten; lieber bei iren allerliebsten junckfrawen gewesen weren, aber wol gedencken kundten, das es nit wol geschehen möcht; darumb ire hertzen zům theil in friden setzten, nach dem nachtymbiß mit einander zů betth giengen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 260-263.
Lizenz:
Kategorien: