28.
Wie der künig bei dem rosenstock argwenig gegen Reinharten und Rosamunda werden thet, auch wie Gabriotto den preiß auff dem turnier behielt.

[263] Dieweil sich nun unter andrem vil und mancherley verlieff mit disen zweyen edlen rittern und iren lieben junckfrawen, das als nit von nöten ist zů schreiben, als sich nun das glück anhůb von inen zů wenden unnd ir heymliche liebe an wolt sahen außbrechen, begab sich einest in dem meyen, das die künigin dem künig einen schönen unnd wolgestalten son geberen thet. Davon der künig unnd als hoffgesind mit grossen freüdenn umgeben warde, allenthalben in der statt freüdenfeür entzündt wurden dem jungen künig zů ehren. Als nun das kind zů tauff mit grosser reyligkeyt getragen ward unnd geteüffet, der künig in aller statt auff allen plätzen gelt under das volck werffen ließ. Darnach der künig einen mechtigen hoff außrüffen ließ in allem seinem land, darauff er alle fürsten unnd herren berüffen thet. Der hoff ward angestelt auff den achtzehenden tag des brachmonats, damit sich sich yeder nach seinem gefallen darzů ordnen unnd rüsten möcht. Es was auch angesehen, das die künigin dieweil auß der kindtbett käm.

Sobald nun die beyden junckfrawen von dem hoff vernummen hatten, wol gedachten, ire ritter sich auch darzů rüsten würden. Deshalben sie inen mittler zeit yede ein schöne liberey machen ließ. Die junckfraw Rosamunda irem ritter einen schönen und köstlichen roßenstock von berlin und goldt nach dem allerbesten sticken ließ, welchen er hinden und fornen auch an seinem harnasch köstlichen hat lassen malen, und den köstlichen roßenstock auff seinem helmlin füret. Seinem rossz ließ er machen ein vertheilte seydene decken rosseinfarb und weiß und allenthalben mit rechten nateurlichen roßen behencken; und wo die decke weiß was, da hatt er der allerschönsten roten roßen daran lassen hefften, so er sie gehaben mocht; wo aber das feld rot, was es mit den weissen roßen behencket.[264] Darzů was sein keyrißrock von gleicher farb von gůtem kermessein, roseinenrot und weiß unnd auch allenthalben mit roßen gleich der decken behangen. Das dann also schon unnd lustig anzůsehen was, das menglich sich darab verwundret. Er hatt auch hinden unnd vornen an seiner brust einen reimen umb sein leibery also gesichriben: ›So gott will, das eim geligt, der mey im vil der roßen bringt.‹

Philomena aber irem ritter ein fliegend hertz mit einer guldenen kron auff sein helmlin befal zů füren, dergleichen hinden und vornen an seiner brust ein ballen mit einem reimen darumb also lautendt: ›Groß freüd ich in meim hertzen trag, als trawren in den lufft ich schlag.‹ Sein rosse, was bedeckt mit einem schneeweißen seidig tůch oder decken, darinn allenthalben von roten kermessein hertzen darauff gehefft waren. So was sein keürißrock ein schwartzer kermessein, an dem an allenthalben ballen gestickt waren.

Als nun die zeit kummen was unnd yetz allenthalben auff das hochzeit kummen waren, da ward keiner kurtzweil vergessen. So lang der küniglich hoff weret, můst yederman frölich sein, es wer jung oder alt; dann es der künig also haben wolt. Als nun die hochzeit bei vier tagen geweret hatt unnd der künig meynet, das die frembden herren, so ettwann weither geritten waren, yetzund wol gerůgt hetten, deßgleichen ihre pferdt, da ließ der künig ein kurtzen turnier außrüffen, auff welchem sich ein yetlicher nach seinem besten vermögen brauchen möcht, doch kein ander kleinot noch gab da erlangen solt. dann das im die frawen unnd junckfrawen preiß und ehr nachsagen solten und in mit einem krantz begaben; den solten sie nach ihrem gefallen so köstlich machen, als sie wolten. Das gebott des künigs für die junkfraw Philomena kummen was. Als sie das vernam, mit raht der künigin und andren ihren junckfrawen einen überauß köstlichen krantz machet. Daran nun der künig nit ein klein gefallen hat, aber nit haben wolt, das der krantz auff der ban gezeygt würd, so lang biß das stechen geendt ward, unnd damit nit mancher nach der reiligkeyt des krantz unnd auff geyt trachtet: allein wolt er wissen, welcher under ihn den preiß von frawen kennt, um frawen begert zů erwerben.[265]

Als nun der bestimpt tag kummen was, ein lustiger platz darzů verordnet, so zůnechst vor der statt was, aller mit schrancken umbgeben und reynem sand überschüttet was. Ein herolt sampt einem trummeter menglichen zů dem stechen verkundten, allenthalben in der statt umbritten zů allen herbergen, da die frembden herren, ritter und knecht in lagen. Deren keiner gern der hindrest sein wolt, sich also fürderlich auff die ban schickten. Eh dann die stund kummen was, alle die, so zů dem turnier geschickt waren, in den schrancken auff iren geulen hielten, nicht mer warten theten dann des künigs und seiner räht, dergleich der frawen und junckfrawen, denen es bald kundt gethon wand. Die auch nit lang verziehen theten, an das ort bekamen, dahin sie dann verordnet waren. Als nun der künig mit sampt seinen räthen einen semlichen wol geordneten zeüg sah, deren dann ein erbare summ was, sich nit gnůg vervundren kundt (dann inen gar bei die schrancken zů eng gewesen weren) und vorab, als er sah manchen alten ritter unnd graffen und freyen, die er dann an ihren harnasch und liberey erkennet. Das im dann der künig ein sundere grosse freüd nam unnd seinem herolten befalch außzůschreien, wie ihr dann hernach hören werden.

Da sich nun die frawen unnd junckfrawen ein yede nach irem stand und wirden gesetzt hatten, der herolt anhůb auff semliche meynung außzůschreyen: ›Hochgebornen, strengen, edlen, vesten, mein allergnädigster herr der künig laßt euch allen gebieten und einem yeden in sunderheyt, wer der sey, so ein keib gegen einem andren hette, der soll hie keinen neid oder hassz brauchen, sunder freündtlich unnd lieblich einen sper oder so vil in lust den frawen und junckfrawen zů gefallen zerbrechen. Welcher aber ye seinen haß und neid nit erlassen möcht, dem gebeüt ich auß befelch meines allergnädigsten herren des künigs, still zů halten und von der ban ungerennt hin unnd abweg zů reite, so lieb im des künigs huld sei. Darauff heben an in dem namen gottes, wann ir wöllen!‹

Als nun der herolt außgeredt hat, da kamen ettlich, so zů den schrancken verordnet waren, die ordneten, das ye vier zůsammen rennen sollten; dann ihr nit mer dann vier[266] in den schrancken platz haben mochten. Als nun auff der einen seyten sich viere mit iren speren herfür gethon hatten, under denen was der ritter Orwin, derselb fůrt auff seinem helmlin einen abgestimpfften besen, den ersah Gabriotto, von stund an sich gegen im herfür machet; Reinhart allzeit neben seinem gsellen reiten thet. Als sie nun zů bey den seyten eingelegt hatten, die hertrummen mit gantzer macht auff allen beyden seyten der schrancken erthonten, das es eim durch seinen gantzen leib gon thet, die acht ritter mit mannlichem gemüt zůsamen rannten; ein yeder meynt des andren mächtig sein. Indem sie nun zůsamen kamen, Gabriotto den Orwin mit semlicher macht traff, das er in des ersten ritts zů boden gerannt hett, wo er nit von ungeschicht sich an einem, so neben im rannt, enthalten hett. Also er sich in grossen zorn auff seinem hengst enthielt zů end der schrancken reyt sein sper wider zů seinen handen nam, dem ritter Gabriotto wider begegnet, welcher in mit solcher geschicklichkeyt traff das er von seinem gaul zů der erden fallen můßt. Darzů Gabriotto sein sper zu stucken hoch in die lüfft zersprenget.

Des stolzen ritts meniglich warnam. Philomena unnd Rosamunda die libery deren beyden jungen ritter wol erkannten, aber sunst keine erkennen mochten; gern gewifä hetten, wer der ritter mit dem besen gewesen wer, dem Gabriotto so seüberlich abgekert hat. Der künig selb den ritter Gabriotto nit erkennen mocht, zůletst ein reitknecht fragen thet, wer der ritter mit dem fliegenden hertzen wer. Der im zůhandt antwort gab: ›Allergnädigster herr, es ist Gabriotto, der jung ritter.‹ – ›Fürwar‹, sprach der künig, ›sein wesen mir nit übel gefalt‹. Er fragt weiter nach dein mit dem rosenast; der ward im angezeygt, es wer Reinhart, der ander jung. Davon der künig ettwas unwillens empfieng, sich doch keineswegs nit mer annam: aber von stund an in ein argwon gegen dem ritter fiel, das im Rosamunda, die junckfraw, ein semliche libery angezeygt oder villeicht hett machen lassen. Daher dann der erst unwillen kam von dem künig gegen dem ritter.

Als nun das stechen den gantzen tag geweret hat unnd yetz yederman wider zů hauß geritten, dem ritter Gabriotten von menglich der preiß geben ward: dann keiner des[267] tags auff die ban kummen was, so sich den tag so mannlichen unnd ritterlichen gegen manchem gehalten hat. Das wir yetzund umb kürtze willen underlassen wend unnd sagen, wie sich der dantz des abendts angehaben hat, auch in was gestalt dem ritter Gabriotto das kleinot, so er gewunnen hatt, zůgetheilt ward.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 263-268.
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