34.
Wie die beyden ritter von ungeschicht vor der statt spacieren gon, und ein nigromanticus zů in kam, sie beyd mit iren nammen nannt und ansprach für schůlgesellen.

[278] Nit lang darnach begab sich eines tags, das Reinhart und Gabriotto mit einander vor der statt spacieren giengen, einander ir anligen und leydt klagten. Wie sye nun also in einem ernstlichen gespräch sind und nyemandts kein achtung haben, so kumpt zů in ein mann von viertzig jaren in einem seltzamen frembden kleyd, der hebt an mit in zů reden und spricht: ›Reinhart und Gabriotto, ir beyden jungen ritter auß Franckreich, gott der allmechtig verleih euch gesundtheyt und krafft! Er geb euch auch alles das, so ir an in begeren!‹

Die beyden jungen herren sich nit genůgsam von diser frembden red verwundren mochten, den gůten mann ansahen, welcher in frantzösischer sproch mit in geredt hat, auch sye beyd mit iren nammen genent hat. Zůletst fieng Reinhart an und sprach: ›Gůter freündt, wer du bist, ist uns beyden verborgen. Deine wort aber gend zeügnüß von dir, das du uns alles gůts gunnest. Gott wöll, uns nach deinen worten geling.[278]

Aber so es dir nit zůwider wer, wolten wir deinen nammen und herkummen gern wissen.‹

Der gůt mann zů ihn sprach: ›Ir jungen edlen ritter, ich bin genant Valentin von Pariß und hab ewer beder, dieweil ihr jung gewesen, gůte kundtschafft gehabt. Das aber ihr mich yetzund nit mer erkennen mögen, ist kein wunder nit. Dann ich, dieweil ihr knaben von zehen jaren gewesen sind, von Pariß kummen bin unnd hab seydher mein zeit in der nigromantzey vertriben, auch manchen ferren und weiten weg gezogen, biß ich der kunst nach meinem willen ein geniegen erfaren hab.‹

›O Valentin‹, sprach Reinhart, ›dieweil du einer solchen kunst bericht bist, so möchtest du uns beyden wol zů steür kummen; dann ich offt unnd vil von solcher kunst hab hören sagen.‹ – ›Junger ritter‹, sprach Valentin, ›so meines bleibens allhie wer, wolt ich euch in allem dem, so ich kündt, steüren und euch zů statten kummen. Das ir aber vermeynendt euch ein semlichs zů underrichten, mir in einer solchen kurtzen zeit nit müglich sein mag. So mich aber der weg auß Portugal wider in diß künigreich tragen thůt, will ich euch zů dienst, so lang es euch gefallen thüt, bei euch bleiben unnd euch, so vil ihr fassen mögen, underweisen.‹

Des im die beiden ritter danck sagten. Yedoch fieng Reinhart an und sprach: ›Mein Valentin, dieweil du uns yetzund in solchem fal nit geweren magst, so bitt ich doch eines dings, so es dir anderst zů wissen ist, du wöllest mich lernen ein geschrifft schreiben, so nyemandts lesen kan dann der, dem ich das offenbar.‹ – ›Das will ich thün‹, sprach Valentin. Damit zeygt er dem ritter an ettliche materien, damit man auff tůch oder papyr schreiben möcht, und aber nit zů lesen wer dann in einem lauteren brunnenwasser. Des ihm Reinhart grossen danck saget. Er braucht auch nachgonds semliche kunst zům offteren mal gegen seiner allerliebsten Rosamunda, dergleich Gabriotto gegen Philomena, seiner geliebten junckfrawen. Demnach[279] Valentin urlaub von inen nam; ir keiner hernach vernam, wo er hinkummen wer.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 278-280.
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