37.
Wie Reinhart von dem alten ritter Gernier mit züchtigen worten gestrafft würt, Reinhart bekennt im, das Rosamunda sein eelich gemahel sey.

[282] Als nun Gernier mit bekümmertem hertzen den jungen ritter sůchen gieng, nit lang stund, das er Reinharten fand; zů dem er sprach: ›O gott, Reinhart, mein allerliebster freünd, ich hett mich nymmermer zů dir versehen, das du uns also einen ungenädigen künig gemacht hettest. Ach, das ich in Engelandt ye kam, dieweil ich meinen herren den künig also in grossem zorn gegen uns bewegt sind! Was aber die ursach sey, du on allen zweyffel gůt wissen tregst.‹

Der jung ritter von der schnellen straff ettwas schrecken empfieng, lang nit gedencken mocht, was doch den alten ritter zů semlicher straff bewegen thet. Yedoch zůletst gedacht, es nichts anders sein würd, dann das er der junckfrawen Rosamunda grosse liebe trieg, anhůb und sprach: ›Gernier, allerliebster vatter unnd freünd, die warnung und straff, so mir hie von euch fürgehalten würt, mir gantz verborgen ist, warurmb doch ein semlichs beschehen thů. Dann ich mich keinswegs gegen dem künig also verschuldt hab, das wir darumb all drey ein ungnädigen herren haben solten.‹

Gernier sprach: ›O Reinhart, du meynst villeicht, dem künig dein liebe nit wissen sei, so du zů einer junckfrawen, so in der jungen künigin frawenzimmer ist, tragen thůst. Ich sag dir aber sicherlich, das mein herr der künig aller sachen gůt wissen tregt; von wem im aber das gesagt sei, mir verborgen ist. Ich sag dir auch, allerliebster Reinhart, so du nit von solcher deiner liebe abstohst, dir würt fürwar vil leyds darauß erfolgen. Darumb biß ermant aller trew und liebe, so wir ye und ye zůsamen gehabt hand, und stand von deinem fürnemmen! So dann der künig eins solchen innen würt, würst du on zweifel einen gnädigen herren und künig haben.‹

Reinhart nit lenger verziehen mocht, dem alten ritter auff seine wort antwort und sprach: ›Das, so mir hie von euch fürgehalten würt, ich neymmer leugnen mag; ich würd mich auch davon kein forcht noch trewen lassen wenden. Dann so unmůglich ist dem wasser, so zů thal rinnt, seinen fluß zů wenden und das gegen berg zů richten, also unmüglich ists mich von meiner allerliebsten Rosamunda zů bringen. Mir ist unverborgen, das der künig solcher meiner liebe wissen tregt: dann er mir vor langem nachspeher hat lassen heimlich nachgon[283] unnd mich auch nit lang vergangen selbs mit rauchen worten angefaren, als er mich bei meiner allerliebsten Rosamunda sitzen fand, dabei Gabriotto auch gewesen ist. Was mögendt aber semliche rauche wort an mir verfahen, dieweil ich mir von wegen meiner liebsten junckfrawen den todt zů leiden nit zů schwer acht! Darumb, allerliebster ritter, alle straff an mir versaumpt ist. Eh wollt ich willig in den todt gon dann mein allerliebste junckfraw also zů verlassen.‹

Gernier, der gůt alt ritter, nit wenig unmůts von des jungen ritters red empfahen thet, anhůb und sprach: ›Fürwar Reinhart, yetz willt du deinem zůsagen unnd versprechen nit nachkummen. Dann als wir mit einander auß Franckreich zogen seind, da begabest du dich in mein straff und versprachest, mir auch in allweg gehorsam zů sein als deinem vatter. Yetzundt aber bist du eines andren gesinnet, wie du dich dann mit worten gegen mir beweisest, dieweil du mein warnung und straff also gering achtest, unnd dir dannocht so vil gefar darauff stoht. Wie woltest mir erst in einem mindern gehorsam sein! Mich wundert warlich nit klein an dich, Reinhart, das du dein ritterlich gemůt dahin richtest, also das du dich umb liebe willen, so du zů einer junckfrawen tragen thůst, understohst in den todt und andere gefar zů begeben. Fürwar, ein semlich fürnemmen den orden der ritterschafft nit wol zieret. Dann du fürwar mer zů gespött kummen würst, so es andre ritter von dir erfaren, dann das du darduch ettwas rhůms erholen würdest. Derhalben ich dich nachmals, mein allerliebster Reinhart, gebetten haben will, du wöllest von solchem deinem fürnemen abston, damit du in des künigs hulden bleiben magst.‹

Als nun Reinhart den alten ritter gehört hatt, hůb er an und sprach: ›O Gernier, liebster freünd unnd vatter, ich mag dir deiner trew nymmermer vergelten; dann ich wol spür, mir das in aller trew beschehen thůt. Das ich mich aber meiner liebe entschlagen solt, so wiß, das ichs weder in meinem gewalt noch gemüt haben mag. Darzů wißt ichs auch gegen gott nymmermer zů verantworten; dann so ich ye die warheyt bekennen můß, so ist Rosamunda mein allerliebster gemahel, welcher ich die göttlich eh versprochen hab, des sye mir noch[284] ich ir in keinen weg nymmermer abred sein werden. Hiemit, Gernier, lieber freünd, wöllest dich nit weiter bekümmern, diweil doch die sach zů spat angefangen ist.‹

Gernier, der gůt alt ritter, von den worten so im Reinhart fürschlůg, so seer erschrack, das er sich kaum auff seinen beynen erhalten mocht. Vor grossem schrecken kein wort mit dem ritter reden kundt, mit trawrigem ahgesicht von im schied, seinen son Gabriotten süchet, welchem er die sach verborgen sein meynet, im fürnam, seines gesellen meynung zů entdecken unnd seines rahts darinn zů begeren.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 282-285.
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