43.
Wie Gabriotto und Reinhart an den künig ein urlaub begeren, das in der künig mit grossem unwillen zůließ, wie ir hören werdt.

[298] Als nun Gabriotto unnd Reinhart irer allerliebsten junckfrawen halben kein sorg mehr hatten ihres fürnemens halb, begab sich eines tags, das der künig gůtter ding was, auff dem schönen lustplatz seinem hoffgesind irer kurtzweil zůsehen thet. Als es nun Gabriotten am füglichsten sein daucht, er mit sampt seinem gsellen Reinharten für den künig kam, mit züchtiger reverentz nach seines vatters underweisung anhůb mit dem künig zů reden: ›Allergnedigster herr und künig, wir armen ewer gnaden diener beyd bitten euch, ihr wölt uns gnädiglich erhören und uns nun zůmal ein freündtlichs urlaub geben. Dann wir endtlichs willens seind, einmal in Franckreich unser alt gesellschafft zů besichtigen.‹

Der künig, welchem des jungen ritters red nit wenig befrembdet, anhůb und sprach: ›Fürwar, Gabriotto, mich befrembdt nit ein wenig, ob dir deiner red ernst sei oder nit. Dann ich meynt nit, das dir so trang an meinem hoff besehenen wer, das du dir understündest einen andren herren zů sůchen, dergleichen deinem mitbruder Reinharten. Sagt mir doch, was euch zů einer solchen schnellen reyß bewegen thůt!‹

Der ritter Gabriotto weiters anhůb unnd sprach: ›Allergnädigster herr und künig, weder ich noch Reinhart umb gantz keiner ursach willen von ewern gnaden urlaub begeren, allein das wir ettlich unser freünd gern einest heymsůchen wolten. Darumb begerendt wir wie vor ein genädig urlaub von euch.‹[298]

Der künig anhůb und sprach: ›Gabriotto, ich bin sein noch gantz unbedacht, es were dann sach das dein vatter bei mir bleiben wolt und ir mir auch versprechen, in kurtzer zeit wider her zů kommen.‹ Reinhart gab dem künig kurtz antwort und sprach: ›Allergnädigster herr künig, die zeit also kurtz anzůbinden unns nit müglich ist. Dann wir auff das wenigst ein jar oder zwey in Franckreich bleiben werden.‹

Als Reinhart solche wort zů dem künig redt, gedacht der künig in ihm selbs: ›Warlich es würt nichts an der sach sein das Reinhart Rosamunda lieb tregt, dieweil er understaht zwey jar von ir hinweg zů ziehen.‹ Anhůb zu gedencken: ›Warlich es mag wol ein ursach sein, das Reinhart von meinem hoff stellet.‹ Der künig sagt: ›Reinhart, junger ritter, mir kumpt in gedancken, mit was rauchen worten ich dich vergangnen tagen angefaren hab, als ich dich bei Rosamunda in dem frawenzimmer sitzen fand. Du solt aber wissen, das mir solche wort nit in ernst heraußgefaren seind. Dergleich hab ich mit Gabriotten vatter geredt, das er dich davon ziehe. Nun aber kan ich wol gedencken, wo du also in liebe gegen Rosamunda behafft werest, du würdest dich nit also ein lange zeit begeben von ir zů sein. Darumb, mein Reinhart, wo das ein ursach deines hinwegziehens ist, so bleib frölich hie! Ich soll dir nichts mehr in dein sach reden.‹

Reinhart gedacht in im selbs: ›O gott von himmel, solt ich wissen, das wort unnd werck gleich außgiengen, mich solt das sterckst pferdt, so in Engelandt ist, nit von hinnen bringen noch ziehen.‹ Als nun der ritter Gabriotto des künigs meynung verstanden hat, ward er von gantzem hertzen erfrewt und gedacht: ›Nun wend all mein anschleg glücklich zů end gon.‹ Zů dem künig sprach: ›Allergnädigster herr, dieweil ich vernimm, das wir beid ein semlichen gnädigen herren an euch haben, so bitt ich von wegen unser beyder, ir wöllendt uns dieser reyß vergunnen. So versprich ich dagegen für mich und meinen gsellen, das wir beyd innerthalb einem jar wider in Engelandt sein wöllend. Unnd so uns müglich wer in einem monat wider zů kummen, es soll beschehen.‹

Reinhart seinen gesellen lang zeit nye also gern hort reden, dann da er im sein ziel also kurtz steckt. Der künig[299] dem jungen ritter antwort und sprach: ›Gabriotto, so dein vatter hie bleiben will, so sey euch beyden ewer reyß vergundt. Doch wöllend euch auff das firderlichest wider herfügen!‹ – ›Das soll geschehen,‹ sprach Gabriotto, ›on all irrung.‹

Damit urlaub von dem künig namen, sich mit aller nodtdurfft zů irer reyß schickten, damit ir heymfart dest ehe wider käm; dem alten ritter Gernier alles, so sich mit ihn unnd dem künig verloffen hat, zů wissen thetten. Des ihm Gernier gůten můt nam, hoffet, die sach sich noch zů dem allerbesten enden solt. Wiewol in seines sons hinwegscheyden nit grosse freüd bracht, noch meynet er ein solchs baß dann ein bösers zů gedulden. Also sich die beyden ritter zůrichteten, das sye den nechst zůkünfftigen tag darvon wolten. Dann eben zů derselben zeit ein schiff in der englischen port stund, so in Franckreich faren wolt, wie ir hernach hören werdt.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 298-300.
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