47.
Wie Gabriotto seinen liebsten Reinharten einen halben tag lang verloren hat; derhalben er und der alt ritter in mit bekümmertem hertzen sůchten.

[309] Gabriotto, der edel ritter, an einem tag vom morgen an seinen gesellen Reinharten verloren hat, kundt in an keinem ort finden. Zůletst in den garten kam, in bei den rosen sůchet, aber nit fand. Des er im grossen kummer nam, wider auß dem garten gieng, zů dem alten ritter kam, im sein anligen seines gesellen halb zů wissen thet. Des der ritter auch betrübt ward; von newen anhůben Reinharten zů sůchen. Aber alles umbsunst was, sich biß auff den mittag verziehen thet. Also kein ort in dem gantzen geseß was, das sye nit durchsůcht hatten, allein under der linden, so in dem garten an einem ort stund. Sye mit einander zů red wurden, sye wolten in außerhalb dem garten und hoff sůchen, ob er villeicht ettwann leg unnd schlieff.

Als sye yetz nun lang umbhergangen unnd umbsunst gesůcht hatten, sye zůletst außerhalb des gartens an das ort[309] bekamen, da Reinhart under der linden saß. Der alt ritter so nah an der mauren des gartens gangen was, das in daucht, er hett ettwas in dem garten gehört; Gabriotten zů im wincket. Stillschweygendt sich der mauren nehern thetten. In dem Gabriotto vernam, das Rosamunda genent ward; nit lenger verziehen wolt, mit dem alten ritter in den garten an das ort gieng, da sie Reinharten in grossem jamer mit schweren gedancken beladen fanden. Der ir erstmals nit warnam; dann er sein klag so gantz hertlichen fürte, das er nyemandts warnam. Gabriotto zů im under augen stund.

Des Reinhart seer erschrack; yedoch sein klag für sich füren thet, anhůb und sprach: ›O mein getrewer und lieber brůder, ich bitt, mich an meiner klag nit wöllest verhindern unnd mich also hie in meiner rhů lassen sitzen. Dann mir hinfür zů leben nit mehr liebet, dieweil ich weyß mein allerliebste junckfraw von diser zeit gescheyden sein. Des ich dann ein gewisse ursach bin; dann ich weyß sie sich nach meinem abscheyd dermaßen gekrenckt haben, das sie darumb ir edels leben hat müssen geben. Dasselb ich ir in keinen weg nymmer vergelten mag, es sei dann sach das ich auch also in trauren und klagen mein seel zů der iren schick. Zů dem hab ich mir dises ort außerlesen.‹ Mit disen worten Reinhart sein red endet.

Gabriotto nit wenig von den worten seins gesellens betrübt ward; dann er meynt, Reinhart des gewisse bottschafft hette. In im selb gedencken ward: ›O gott, ist dem also, wie Reinhart sagt, on zweyffel so ist mein allerliebste Philomena mit grossem und schweren leyd umbgeben, dieweil sie einander also lieb gehalten hand.‹ Anhůb, zů seinem gesellen sprach: ›Mein Reinhart, ich bitt dich zů dem ersten, du wöllest dir den todt deiner junckfrawen nit also schwer lassen anligen, das du darumb dein leben auch verlassen woltest. Was möcht sie dein todt gehelffen! Sag mir doch, durch wen dir solichs zů wissen worden sei! Es möcht villeicht ein andre Rosamunda und nit die dein sein.‹ – Antwort Reinhart: ›O Gabriotto,[310] ich sorg, ich sei ires todts und sterbens vil zů gewissz. Dann mich die gestalt der roßen nit betrogen hat; so ist mir auch der draum, so ich unlang gehabt hab, ires todts ein gewisse anzeygung.‹

›Hast du kein anders wissens‹, sprach Gabriotto, ›dann mit der roßen unnd dem draum, so bist du on zweyffel betrogen.‹ – ›O Gabriotto‹, sprach Reinhart, ›die verkerung der gstalt der roßen hat mich nit betrogen. Dann als ich sie mit erst in dem garten under andren rosen ston fand, kam mir gleich in mein gedancken, sie Rosamunda die junckfraw bedeüten solt. Demnach sie under andern roten roßen von tag zů tag ye mehr bleycher ward, biß sie zůletst auch irer bletter gantz beraubt worden ist, das mir das verderben meiner allerliebsten junckfrawen anzeygen thůt.‹

Antwort Gabriotto: ›Mit was dorheyt, Reinhart, du umbgast, kan ich mich nit gnůg verwundren, dieweil ich von dir vernimb, das du dich ein einige blům laßt aller deiner freüd berauben. Meynst du, ein blům in Franckreich einer junckfrawen in Engelandt zů gleichen? Ist nit das die eygenschafft einer yeden blůmen, so sie schier verderben und abrisen will, das sie zůvor ir farb verliert? Du hast mich schier gleubig gemacht. Dann ich meynt, dir wer ein gewisse bottschafft kummen, wiewol mich nit wenig verwundren thet, das mir mein vatter nit ein semlichs zůgeschriben het. Ich bitt dich, stand auff und laß uns ander kurtzweil sůchen. Woltest du dir semlich fantaseien fürnemen, so sag ich dir, möcht wol dein lieb bei lebendigem leib sterben. Was meynest, das ihr Rosamunda gedencken würd, wann sie dich in einem solchem leben wißt? Fürwar sie würd dich gleich andren für einen narren und tollen menschen achten.‹

Der alt ritter, so bei ihn was, Reinharten auch mit worten straffen ward, also sprach: ›Ritter, mir ist verborgen die ursach deiner klag und fürgenummenen trawrens. Aber soweyt ich mich nach Gabriotten red darinn bedenck, so beduncket mich warlich, du ein grosse thorheyt vor dir habest, dieweil du dir selb also von blůmen und treümen ein ursach fürnimbst. Stand auff und erweg den stand, in welchem du yetz bist, und laß die blind liebe nit also über dein ritterlich[311] gemüt herrschen! Gedenck, zů was grossen spott du kummen würdest, wo man die ursach deiner klag vernemmen würd! Es würden dich alle edlen ritter verspotten, darzů die edlen unnd züchtigen frawen und junckfrawen über deiner thorheyt můßen lachen; ja den jungen kinden möchtest du spottens nit entrinnen.‹

Mit disen und andren worten sie den jungen ritter also schamrot machten, das er nit wußt, was er darauff antworten solt; sich bekennen můßt alles sein fürnemmen ein grosse thorheyt sein, uffstund, inen beyden danck saget irer leer unnd straff. Dem ritter nit anderst was, dann wer er von dem schlaff erwachet. All drei mit einander zů feldt ritten, mit weydwerck mancherley kurtzweil triben. Demnach der alt ritter den jungen ritter Reinharten offt mit der roßenhürst schamrot machet. Also lange zeit auff dem geseß freüd unnd kurtzweil sůchten, zůletzt wider gen Pariß ritten.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 309-312.
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