59.
Hie würt ein jagen von dem künig angericht, auff welchem Gabriotto von dem narren umbracht solt werden, welchs als widersinns außgieng; dann der narr von Gabriotten erstochen [!] ward.

[339] Nit lang nach dem abscheyden des ritters und seiner allerliebsten junckfrawen der künig als sein hoffgesind für sich berüffen ließ, in allen ein gemeyn jagen verkünden thett, dabei gebot, das sich menglich darzů rüsten solt. Gabriotto wol gedacht, diß der tag seines abscheydens sein würd, seinem knecht empfahl, sich nach dem besten mit einem verborgenem harnasch anzůlegen, auch seinem pferdt dieselb nacht kein mangel am füter lassen; sobald dann mornigs der tag anbrech, solt er zů im in sein gemach kummen, wolt er ihm ettlich bulgen geben, dieselben solt er unverzogenlich an der Portugaleser port füren und dann seiner zůkunfft warten. Das alles thet der ritter darumb, damit er nach seinem willen möcht mit dem verrähter, so in umb sein leben bringen wolt, handlen möcht, als ir dann nachmals wol vernemmen werdt.

Als nun yederman sein ordnung geben ward, wes er sich den zůkünfftigen tag auff dem jagen halten solt, der künig dem ritter einen sundern stand in dem holtz anzeygen thett, davon nit weit zů einem brunnen was, auch nyemandts dann den ritter allein dahin schůff. Zůstund des im der ritter zůhandt verwilliget zů thůn, urlaub von dem künig nam, seinen gesellen allein auff ein ort nam, also zů im sprach: ›O mein allerliebster Reinhart, nun ist es an dem, das wir scheyden müßen, und kein anders nit sein mag. Dann der bestimmpt tag, so der künig über mich gesetzt hatt, ist der morndig tag, an dem er hofft, mein leben mit gifft zů enden.‹[339]

Dieweil nun die beyden ritter also mit einander reden, so kumpt der verrähter hinzů und meynet nach seiner gewonheit ettwas von dem ritter zů vernemmen, damit er im dest nachtheyliger sein möcht. Sobald nun der ritter den narren erblicket, sich in seinem angesicht gäntzlichen entferbet, nit so mit schimfflichen worten den narren entpfahen thet wie andre mal, sunder in gantz stillschweygendt bei im ston ließ.

Davon der narr auch sunderen grossen schrecken empfieng, von dannen zoch, zů dem künig kam, also sprach: ›Allergnädigster herr und künig, mich will beduncken, Gabriotto sei meiner angenummenen narrenweiß innen worden; von wem aber, ist mir verborgen. Dann als ich einig bei im gewesen bin, hatt er mich gar nit wie andre mal mit schimpfflichen worten angeredt. Deßhalben ich in sorgen stand, meinem fürnemmen nachzůkummen.‹

Der künig von des narren worten nit groß gefallen empfieng; doch hůb er an und sprach: ›Das sich der ritter nit in gleichem fal wie andre mal frölichen erzeygen thůt, nit zů verwundren ist. Dann ein solchs einem yeden menschen von natur angeboren ist, das er ein zeit mehr frölich dann die ander sein thůt. Dann sich etwann zůtragen thůt, das eim nit all sein anschleg nach seinem willen außgon. Dasselbig dann einen dermassen also entrüsten thůt, das er nit allzeit gleich frölichen sein mag; als mir dann auch nit zweiffeln thůt, dem ritter auch ettwann seine anschleg zůruckgon. Darumb du gantz on sorg deinem fürnemmen nachkummen magst. Daran würstu mir warlichen ein groß gefallen thůn, solt auch von mir einer reichlichen belonung warten sein. Derhalben du dich nach dem fürderlichsten dahin richten unnd schicken solt und das, so dir zů dem handel von nöten sein würt, auff den morndigen tag bei dir haben; dann es nit lengern verzug haben mag.‹

Der narr, wiewol in die sach anhůb zů rewen, yedoch versprach er dem künig sein willen zů vollstrecken; damit von einander schieden. – Der verrähter zůhandt den apffel zůbereytet und vergifftet mit einem seer starcken gifft, damit er meynet den edlen ritter umbzůbringen.

Nun was der ritter und sein allerliebster gsell noch nit[340] von einander gangen; dann sie dieselb gantz nacht bei einander bliben. Gabriotto Reinharten freündtlich batt, das er im sein allerliebste junckfraw befohlen solt lassen sein. Die gantz nacht also ongeschlaffen vertriben, so lang das der tag anbrach, einander ir leyd klagten. In dem des ritters knecht auffgestanden was, zů seinem herren kam, der im zů stund ein schöne barschafft von gold geben thett. Der knecht gantz stillschweygendt zů rossz saß, den nechsten nach seines herren befelch an der Portugaleser port reiten thet, seines herren allda ein kleine zeit warten můßt. Der sich nit lang saumet, sobald er seinem begeren zů end kummen was. –

Als nun der tag kummen was, an dem der künig seinem bösen fürnemmen vermeynt stattzůthůn, der ritter, wie ir oben gehört hand, urlaub von seinem allerliebsten gesellen nam, ihn hatt, das er nach seinem abscheyd seinem allerliebsten vatter alle sach entdecken wolt und im die ursach seines hinwegscheydens anzeygen; dann im noch alle ding verborgen was. Damit schieden die zwen getrewen gesellen von einander mit grossem jamer und leyd; es gesah auch keiner den andren nymmermehr.

Der ritter nach seinem befelch an das ort reyt, so im der künig bestimmpt hat. Der narr sich bald zů im machet, im nachfolget biß an das ort, da er meynt seinem bösen fürnemmen stattzůthůn. Als sie nun dahin kamen, der ritter anhůb und sprach: ›Nun wundret mich nit klein, was mein herr der künig damit gemeynet, das er mich an ein ort bescheydet, da weder hund noch jäger hin kummen werden. Ich glaub schier, ein betrug dahinder verborgen lig. Nun wolan, was gott will; ich hab mich gantz darein ergeben.‹

Als nun der ritter sein red mit einem schweren seüfftzen endet, der narr in grossen ängsten was, nit gedencken mocht, wie er sein sach angreiffen wolt; dann er besorget, der ritter hett von der verrähterey bericht empfangen. Also auff im selb stund, zůletst gedacht: ›Nun můß ich ye meinem verheyssen nachkummen.‹ Mit dem zoch er seinen vergifften apffel auß seinem kappenzipffel unnd sprach zů dem ritter mit erschrocknem hertzen: ›Den apffel hab ich dir behalten von gestern an unnd hab dich aber nye künnen finden, damit ich dir in geben hett.‹[341]

Der ritter, sobald er die wort von dem narren verstanden hatt, mocht er sich nimm enthalten; von stund an sein schwert zucket unnd in grossem zorn zů dem verrähter sprach: ›Du schandtlicher verrähter, umb deinen fälsch hab ich vor langem gewißt. Noch hat mich dein schalckheyt allzeit betrogen. Du bist ein ursach, das ich in ungnad gegen dem künig kummen bin; du hast zůwegen bracht, das ich von meiner allerliebsten junckfrawen scheyden můß. Darumb ich dir deinen verdienten lon mit disem meinem schwert geben will; aber du můst zůvor disen bereyten apffel, so du mir bereyt hast, selbs in deinen verrähterischen schlauch fressen, und soltest du daran erworgen. Dann hie mag dich nyemandts fristen.‹

Der narr zittern vor dem ritter stund, in mit flehen und weynen bitten ward, im zů verzeihen. Aber alles umbsunst was; der ritter anhůb und sprach: ›Nun wolan, du schandtlicher verrähter, gedenck, das du den apffel essest; oder ich will dir mit meinem schwert dein leben nemmen.‹

Da nun der schalcksnarr sah, das kein frist noch besserung da was, fieng er an und sprach: ›Mir beschicht warlich hie recht; nachdem und ich understanden hab zů thůn und an einem frummen unnd theüren ritter zů vollbringen, das würt yetzundt an mir vollendt, wie billich und recht ist. Darumb, o mein gott unnd mein herr, wöllest mir mein sünd und misszhat verziehen!‹ Damit beyß er mit gantzen krefften in den apffel. Nit lang anstund, an allem seinem leib ufflauffen und groß geschwellen thet. Als er nun befand, das sein end nahendt, hůb er an unnd sprach: ›Edler ritter, ich bitt, mir nit weiter leyd zůfügen wöllest; dann du wol sihst, das ich zů meinem todt steür genůg hab. Ich bitt dich aber, durch gott mir verziehen wöllest, damit mir gott auch meine sünd verziehe.‹ Mit dem geredt seinen geyst auffgab und von diser welt schied.

Der ritter widerumb auff sein pferdt saß, von dannen reyt, den nechsten weg an der Portugaleser port kam. Daselbs seinen knecht noch warten fand. Nun was zů derselben zeit kein schiff an dem port. Davon der ritter in ein new leyd kam, nit wußt, wie er seinen sachen ein end geben solt. Zůletst mit seinem knecht zů raht ward, auff ein klein schiff zů[342] sitzen und sich gott und dem glück zů ergeben; dann da wer kein ander flucht mehr; sobald der künig sein hinwegscheyden vernemmen, würd er im eylens nachhangen und in underston zů fahen und umbzůbringen.

Zůhandt mit einem schiffman überein kam, der im und seinem knecht ein jagschiff zůrichten solt unnd in in Portugal füren. Des im der schiffman versprach, aber nit gantz in Portugal zů schiffen; er wolt sie aber an ein ander port füren, so sie im anderst lonen wolten, da sie gwißlich portugalische schiff funden, die sie gwißlich in Portugal bringen würden, wo ihn anderst von gott wetter unnd glück verluhen würd. Der ritter des schiffmanns zůsagen wol zůfriden was, seine bede pferdt an dem port verkauffet, allein mit seinem knecht, dem schiffmann und zweyen schiffknechten sich auff das ungestimb wütende mör wagen thet, mit glückseligem wind, aber bekümmertem hertzen auß Engelandt schiffet. In kurtzer zeit an das ort kamen, da sie zwey grosser schiff auß Portugal fanden, welche yetzundt gantz ferig waren, also das sie den nechstkünfftigen tag von land faren wolten. Der ritter seinen schiffman eerlichen bezalen thet, in auch mit einer sunderen schenck verehret. Der frölich unnd wol zů můt wider heym fůr. Demnach sich der ritter anderwert verdinget, zů vollem in Portugal zů faren.

Den lassen wir also in grossem leyd dahin faren und sagen fürbaß, wie es in Engelandt an des künigs hoff ergangen sei. Als nun das jagen den gantzen tag gewert und der künig meynt, seinem bösen willen wer yetz ein geniegen beschehen, reyt er mit grossen freüden wider heym. So bald nit heym kummen was, nach dem ritter und narren fragen thet, aber von nyemandts nichts erfaren mocht. Der künig zůhandt grossen schrecken empfahen thet; dann im von stund an zů gedancken kam, wo der ritter an dem narren gemerckt hette, wes willens er gegen im gwesen wer, so würdt er ihn umbracht haben. Deßhalb der künig von stund an die ort schicket, da er den ritter und narren hinbescheyden hatte.

Als sie aber dahin kamen, nyemandts dann den narren allein todt ligen fanden, gantz groß auffgeloffen und zerschwollen, auch eins theils von dem vergifften apffel bei im;[343] aber von dem ritter mochten sie nichts erfaren. Die diener des künigs eylens wider heymkerten, dem künig alle sach zů wissen thetten. Der groß leyd umb den narren hat und noch vil mehr, als er verstand den ritter noch in leben sein, wiewol er gegen nyemandts dergleichen thett.

Hiebei wöllendt wirs lassen bleiben und wider sagen von dem trawrigen ritter Gabriotten, wie es im nach seinem abscheyd ergangen sei.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 339-344.
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