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Wie der ellendt Gabriotto, demnach er lang auff dem mör gefaren was, in einer port in eim kleinen stettlin verschied, unnd wie in sein diener auffschneiden ließ, sein hertz wider in Engelandt fürt.

[348] Ir hand gehört, mit was schmertzen unnd ellend der edel ritter Gabriotto uff dem mör fůr. Nach dem begab sich, das sie an landt schifften. Nit weit von dannen ein mechtig schlossz was, aufs welchem ein grosser herr sein hoff hielt; unden an dem schlossz stund ein kleines stettlin. Darinn ließ sich der betrübt ritter Gabriotto füren; dann er yetzundt von allen seinen krefften kummen was, wol entpfand, das die stund seines letsten ellendts nit ferr was. Darumb ließ er eylens die obersten desselbigen stettlins zů im brerüffen, fieng an und erzalt in sein kranckheyt und sagt also: ›Ir allerliebsten herren unnd freünd, dieweil ich empfind, das meines lebens zů disem mal nit mehr ist, so bitt ich, ir wöllendt mir in mein letsten willen nichts tragen und meinem knecht zůlassen, das er mich nach meinem todt uffschneid und mein hertz auß mir nemme, dasselbig hindersich wider füren an die ort, so ich im dann befohlen hab, auch mein verlassen gůt meinem vatter wider überantworten. Daran thůndt ihr mir ein sunder wolgefallen.‹[348]

Die herrn, so zůgegen waren, groß mitleiden mit dem ritter hatten, im zůhandt versprachen zů willfaren, yedoch die sach zůvor hinder sich an iren herren brachten, der dann auff dem obgedachten schlossz ein wonung hatt. Als er der sach vernam, sich zůhandt auffmachet, den ritter in seinem leben zů sehen.

Als er nun zů dem ritter kam, wol sah, das er nit eines schlechten herkummens was, wiewol er sein schein und adeliche gestalt gantz verloren hat. Darumb der landsherr ein groß mitleiden mit im hat, in freündtlich batt, im sein anligen und kranckheyt zů entdecken. Des im der ritter zůletst nach der leng erzalen thet, dadurch den herren bewegt, das er das zehern nit verhalten mocht; dem ritter, so best er mocht, seinen trost mittheylet; aber alles umbsunst was. Dann er im kurtz hernach in beisein des landtsherren mit lachendem mund also sprach: ›Frew dich, mein edle seel; dann du würst in in einer kleinen weil dein allerliebste Philomena sehen.‹ Nach disen worten sich gott dem herren in seinen schirm befehlen thet unnd mit frölichem angesicht seinen geyst auffgeben thet.

Alle die, so umb in stunden, groß leyd davon empfiengen. Wiewol der ritter nit lang umb sie gewonet hat, noch dannocht hat er ein solich sunder genad von gott, alle die, so in sahen, im zůhandt alles gůten gundten. Als nun Gabriotto verscheyden was, sein knecht gross leyd davon entpfangen hat, seinen allerliebsten herren mit grossem leyd klagen thet, darnach schůff, das man in auffschneyd, sein edles hertz mit grossem fleiß in das liderin ledlin balsamiert; demnach in eerlichen zů der erden bestatten ließ.

Als nun das alles vollendt was, der knecht sich wider zůricht in Engelandt zů schiffen, aber nit nach seinem begeren schiff finden mocht; dann er ein gůte zeit allda verharren můßt, allen tag zů seines herren grab gieng, in von newem anfieng zů klagen, so lang das die zeit kam, in der er seines gefallens ein schiff fand. Seinen wirt abzalt, sich zů dem patronen verdingt zů faren biß gen Lunden an das port; also mit grossem leyd von seines herren begrebnus schiffet, allen tag sich zů undrist in das schiff füget, seinen allerliebsten herren mit gantzem fleiß klaget.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 348-349.
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