19.
Wie Reichart auff das schiff kam und Lasarum, seinen gesellen, in eysen gebunden und gefangen sitzen fand; von der grossen frewden, so Lasarus von der zůkunfft seines gesellen überkam, und wie in Richart wider löset. Der riffiener ward gefencklich angenumen.

[168] Als nůn der ymbis vollendet was, Reichart von dem tisch auffstůnd, eilends an das ort kam, da er unnd der ander kauffmann einander hinbescheiden hetten, welchen er auch gleich an dem ort fand seiner warten. Bald sind sie mit einander gangen an die schiffporten; da haben sie uff des obristen diener ein klein verziehen müssen.

Als sie aber yetzund vorhanden waren, sind sie mit einander auff das schiff, so der kauffman anzeigt hat, gangen, haben den patron harfür gefordert. Der ist des obristen dienern bald gehorsam gewesen. Da hat einer under den dienern, so die türckisch sprach fast wol reden kund, angefangen und gesagt: ›Herr patron, mein gnedigster herr ist grüntlich bericht, wie das ihr auff den heutigen morgen einem argen falschen verräter einen jungen starcken mann abkaufft haben. Denselbigen sollend ir uns unverzogenlich sehen lassen; und so ir ihn auff ein ander schiff verschupfft haben, solt ihr gedencken, das er wider zůhanden kum.‹ Darumb nam er sich nit lang zů bedencken, sagt und bekant, alle ding, so im vorgehalten was, war sein, fürt sie damit allesamen unden in das gemach, inn welchem Lasarus gefangen lag.

Der erblicket bald Richarten, seinen gesellen. Hie mag ein yeder wol selb abnemen, mit was unmäßlichen frewden Lasarus seye umbgeben worden, als er seinen getrewen gesellen, nachbauren und freünd vor ihm in der gefencknis stohn sahe, dieweil er wol gedencken kund, von wes wegen er kumen was. Richart ward auch gar hoch erfrewt, als er den Lasarum, welchen er gar verloren geschetzt, wider funden. Er[169] sagt zů im: ›O mein Lasare, sag mir, durch was hinderlist und verräterei kummest du in dise gefencknis? Hab ich dich nit alwegen gewarnet, da solt dich nit zů weit von mir lassen der bösen bůben halben, so in diser stat ir wonung haben? Dann ir gar ein grosse menge ist, so sich mit semlicher verräterey erneren thůnd. Werestu bey mir bliben, dise geferligkeit wer dir nit zůhanden gestossen.‹

Lasarus sagt: ›Mein lieber Richarde, solt ich dann nit dem meinen leib vertraut haben, welchen du täglich umb dich hast, darzů im als dein leib und gůt gentzlichen vertraut?‹ – ›Wer ist dann der gruntschalck?‹ sagt Reichart. ›Den wöllest du mir zů erkennen geben, damit ich mich auch vor ime hab zů hüten!‹

Lasarus sagt: ›Es ist der starck und gross böswicht, so uns für und für auff der gant geholffen, hat auch allen ymbis mit uns gessen. Der hatt mich vor langem alles meines wesens erfragt; ich hab im auch gar nichs daran verborgen, dieweil ich in für ein frumen und gůten menschen achtet.‹ – ›Wolan,‹ sagt Richart, ›er sol seinen verdienten lon darumb empfahen.‹ Damit richt er dem patron wider ab, was er umb den Lasarum geben het. Alsbald ward er von den banden ledig gemachet. Reichart gab auch des obristen dienern iren gebürenden lon, dancket auch dem kauffman seiner anleitung gar fast, giengen allsammen wider mit frewden in die statt.

Des abents schicket Reichart nach dem riffiener. Er aber machet sich kranck; dann er sorgt, Reichart möcht einen argen won auff in haben. Er wußt aber noch nit, das Lasarus wider von seiner gefangenschafft erlediget was. Als nun der schalck nit kumen wolt, fůgt sich Richart und Lasarus eylends zů dem blůtrichter, klagten im, was inen von dem verräter begegnet were. Bald ward zů im gegriffen und in die gefencknis gefůrt. Da ward er aller bösen stuck befragt, so er seine tag ye begangen hett. Deren er dann über die mass vil bekant, namlich diepstal, mort und verreterey.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 168-170.
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