25.
Wie beide kinder zů der lehr ufferzogen wurden, und wie gehorsam sie iren lehrmeistern waren, auch in gar kurtzer zeit das schreiben und lesen begriffen.

[181] Man sagt gewonlich, und ist ein gmein sprichwort: ›Was man mit ersten in ein new geschir schüttet, denselbigen geschmack verleurt es nimmermer‹. Also ist es auch ein ding umb die zart und waich jugent. Zeucht und weißt man die auff gůte ding, nement sie das mit willen an und wachsen und wurtzlen also darinen uff. Wo man aber das widerspil mit inen fürnimpt, da würt nimer kein gůter beltz aus.[181] Dann wo vatter und můtter mit der straaff zů waich sind, nemend die kinder gar bald einen halsstarck darvon ab, gebend auch zůletst umb keine gütige und früntliche straff gar nichts. Also gieng es dem priester Eli mit seinen beden sünen. Denen het er auch den zaum zů lang gelassen; sie waren böser vögel zwen; was sie nur gelust, das fiengends an. Wann dann das volck zům Eli, dem obersten priester, kam und im seiner sün faule bossen und böse stuck anzeigten, schickt er nach in, strieff sie mit sanfften worten, sagt: ›Lieben sün, ir solten ein semlichs nit thůn; dann ihr erzürnen gott schwerlichen.‹ Wann sie dann von ihm kamen, was in die straff irs vatters schon vergessen, und fiengends gleich wider an dem ort ahn, da sie es gelassen hetten. Was ward aber zůletzt draus? Gott liess ein semliche harte straff über sie gon, das auff einen tag der vatter sampt beiden sünen umbkam und allsamen eines unzeitigen tods sturben.

Dis und anders hat Lasarus mit grossem ernst bedacht. Dann als sein sůn yetz fünff jar alt worden ist, hat er in zů schůlen gethon und in dem schůlmeister mit allem fleiß befolen, das er in in der forcht und under der růten halten wolt, auch kein fleiß mit der lernung an im sparen; solchs wolt er zůsampt dem lohn früntlich umb im verschulden. Dergleichen thet auch Lucia. Sie waren nit gesinnet, wie yetzund die älteren gemeinlich sind. Die wann sie ein kind in die schůlen verdingen, wissend sie nit, wie sie dem schůlmeister genůg empfellen sollen, das er irem sůn nit zů hart seye; sunst wissend sie ihn nit in der schůlen zů behalten; henckend auch gewonlich dran, sie forschen nit so vil darnach, ob er gleichwol nit fast lerne, wann er allein nur in die schůl gang, das er sicher vor den rossen sey und in kein wasser falle. Also můs sich dann ein yeder schůlmeister entziehen, das er meinen sůn nit erzürne, wann er schon die růten überaus wol verdient hat.

Lasarus aber gedacht allein darauff, das er seinen sůn bringen unnd behalten möcht in der forcht des herren, darzů dann sein junger sůn von natur geneigt was. Emsig unnd fast gern gieng er zů schůlen; er nam auch gantz fleissig war, was im sein lermeister befelhen und für letzgen fürgab, die[182] lernet er gantz flissiglichen. Derhalben in sein schůlmeister gar lieb gewan, und ward der junge Lasarus sunder alle streich von seinem schůlmeister underwisen, also das er in kurtzem vil seines alters an der lernung übertreffen ward, das sie dann offtermals von irem schůlmeister hören můsten. Darzů hett er auch den brauch an im, wie er von seinen älteren täglichen sah, das er keinen morgen aus dem haus gieng, er wunscht zů dem ersten vatter und můter einen glückhafftigen säligen tag, deßgleichen allem hausgesind. Demnach strält oder kempt er sein hor, wůsch seine händ. Wann dann ein suppen vorhanden was, so ass er die nit, er hett dann zůvor gott dem herren lob und danck gesagt. Darnach nam er sein büchlin und schreibgezeug und zoh in die schůlen, studiert gantz fleissig.

Dergleich ward auch aufferzogen die tochter Richardi. Sie ward einer züchtigen erbaren frawen verdinget, bey deren sie auch schreiben und lesen fast wol lernet. Und als sie nůn schreiben und lesen sampt dem rechnen gnůgsamlichen ergriffen, hatt man sie zů einem seidensticker verdingt. Uff derselbigen arbeit ist sie fast künstlich worden; sie bessert sich auch von tag zů tag, also das sie harnach ein berümpte meisterin mit der nadlen ward, das sie auch iren lermeister weit übertreffen thet. Diss bracht Richarten und seinem gemahel gar grosse frewd und in sonderheit dem alten Roberto.

Es was aber das gröst laid, das ihnen got nit mer kinder bescheren wolt. Also gieng es auch dem gůten Lasaro; dann ime sein weib auch nit mer kinder gebar, nachdem sie iren sůn Lasarum geboren het. Dise zwey jungen und wolgezognen kinder wůchsen also mit einander auff, also das sie vil umbeinander wonten. Von semlicher täglicher beywonung enzünt Cupido ein züchtige und freundtliche liebe in inen, das keins rhů haben mocht, wann es nit wußt, wie die sach umb das ander stůnde. Diser freundtligkeit haben zů beiden theilen die älteren wargenumen, darin sie dann ein sonders gross gefallen gehabt unnd offtermals schimpflicher weis zůsamen gesagt: ›Da ziehend wir ein par volck mit einander auff. Wann in got das leben günnet, wie möchten wir ein besser werck[183] schaffen dann dise zwey in ehlichen stand zůsamen vermähelen!‹ Dise wort wurden offt von den jungen gehört; das namen sie ye lenger ye mer zů hertzen.

Und als sie nůn die zwölff jar auff in hetten, nam der alt Lasarus seinen sůn aus der schůlen, fieng in an zů dem hantwerck zů ziehen. Des dann Amelia (also hies die tochter) sehr wol zů můt was, damit sie dester mer umb den jungen Lasarum wonen möcht. So sie dann etwas von künstlicher arbeit zů schicken het, nam sie ir ramen, ging damit zů dem jungen Lasaro in seins vatters laden und volbracht da ir arbeit. Darab dann der alt Lasarus und Reichardus gross gefallens hetten. Noch gedachten sie nit, das dise zwei jungen ein solch liebe zůsamen trügen, bis über lang da brach es aus durch einen ring, so der jung Lasarus seiner liebsten Amelien geschenckt hett. Aber dannocht denselbigen mit wissen seines vatters gemacht het, im doch nit anderst zů verston gab, dann das er den ring selbs behalten wolt, wie ihr harnach vernemen werdend.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 181-184.
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