32.
Richardus ist aller ding wegfertig, so hat Lasarus der alt seinen sůn auch nach notdurfft ausgebutzt. Ein kostlich malzeit würt gehalten, darzů Amelia auch berůffen würt. Lasarus der alt gibt seinem sůn gůten bericht, wess er sich gegen meniglich halten sol.

[202] Gar kurtz nach disen tagen kame ein mechtig schiff mit kauffmanschafft von Antdorff gehn Lisabona, das dann auch anderer wahren gewertig, darauff der patron etlich tag warten můst. In solcher zeit macht sich Richardus auch gäntzlich fertig; so hette Lasarus seinen sůn mit aller notwendigkeit versorgt, und was nichts anders mehr vorhanden, dann das man auff gůt wetter und wind warten můst. Richardus liess ein gůt herrlich fontanium unnd malzeit zůrichten, darzů er seine gůten freünd berůffet. Lasarus sampt seinem weib und seinem sůn auch zůgegen waren; so saß junckfraw Amelia auch zů tisch. Da warden mit dancksagung zůvor gegen gott dem allmechtigen die kostlichen trachten angetragen unnd genossen, vil kurtzweiliger schwenck und reden fürbracht, aber doch in aller zucht und gotsfurcht getriben.

Das aber leider yetzund in einen argen bösen und schnöden brauch geraten will; dann wo yetz gastung und malzeiten gehalten werden, es sey bey reichen oder bey armen, geistlich oder weltlich, da müssen schantlich wüst grob bossen zůforderst iren fürgang haben. Da wirt der gnadenreichen gaben[202] gottes, als wein und brot, auch anderer speisen, in keinen weg verschont, ja auch des milten gütigen barmhertzigen vatters, so uns die so gnediglichen mittheilet, gar nit gedacht, es seye dann sach das einer etwa unnütze tantmären von im sagt, als wie Christus und Petrus mit einander gewandret haben, wie sie sich bey disem und jenem bauren gehalten und dergleichen narreyen, so zů keinem gůten, sunder all ergernus erwegen. Das dann warlich den namen Gottes größlich misshandlen heißt und zů gůtem teutsch gottes namen entehret und gelesteret. Wolan, es sey genůg von dem geredt.

Es haben aber die gůten unnd schimpflichen reden die junckfraw Amelia zů keiner frewden oder lachen bewegen mügen. Lasarus der jung auch nit gar wolzůmůt was; so offt er Amelia die junckfraw anblicket, einen schweren seufftzen von seinem hertzen gon liess, desgleichen pflag auch die junckfraw zů thůn. Der imbis aber mit grossen frewden volbracht worden ist; mancherley reden haben sich verloffen, so ich von kürtze wegen underlass zů schreiben. Als nůn die tisch auffgehaben wurden, habend sie got dem herren lob und danck gesagt und demnach von dem tisch auffgestanden, einen abscheid mit einander gemacht.

Lasarus aber und sein sůn sind mit einander hinaus in einen garten gangen; dann also wolt es der vatter haben, damit er nach seinem willen und gefallen mit im reden und in underweisen künd. Als sie nůn in den garten kumen sind, haben sie sich zůsamen under einen pomerantzenbaum gesetzt, hat der vatter mit seinem sůn uff volgende meinung angefangen zů reden:

›O Lasare, mein einiger und geliebter sůn, ich můss bekennen, das du mir, got aber zůvorderst ausgedingt, der allerliebst uff erden bist, dieweil du mir bisshar in allen gebotten gewilfaret hast. Dann von der zeit an, da du erstlichen angefangen hast zů reden, haben wir, ich und dein můter, dich mit ernst dahin gezogen, das du niemand beleidigt, weder nachbauren noch ire dienstboten. Wir haben dir auch nie gestatten noch vertragen wöllen, das du unserem gesind, gesellen, jungen oder mägten wiederdriess noch einiche schmach bewisen hettest. Und als du schon zů verstand kamest,[203] hond wir gar nit haben wöllen, das du von dem gesind etwas märlin bracht oder sie gegen uns verschwätzt. Darumb bist du alle zeit von dem gesind lieb gehalten gewesen. Zů dem andren waist du, mein Lasare, wie ich dich von deinen jungen tagen an ye und alwegen zů der ehr gottes gezogen hab, dich in allen tugenden underwisen. Binn auch gůter hoffnung, du werdest mein getrewe unnd vätterliche underweisung nit aus deinem hertzen kumen lassen und im gantz fleissig nachgedencken. – Insunderheit wöllest in grossen ehren haben das vergult schön yngebunden büchlin, so ich dir vor einem jar zůgestelt hab, namlich das büchlin der geistlichen zucht, Jesus Syrach genant, in dem du alle tugent erlernen magst. Ich hab dir auch in schrift verfaßt das 4. und 14. capitel des gotsförchtigen Tobie, darin er seinen geliebten sůn gantz früntlichen underweiset, wes er sich gegen got und der welt halten solle. Darbey wirst du auch finden etlich schöne sprüch aus dem guldenen büchlin der sprüchen Salomonis. Dise ding wöllest du woll in dein hertz einbilden, so wirstu gewisslich größlich daraus gebessert werden. – Wolan, mein sůn Lasare, du wirst yetz zůmal ein ferren weg von mir ziehen und dich ein zeitlang under den fremden erhalten müssen. So merck fürbas auff mich, deinen vatter, und glaub mir meiner red als dem, der es erfaren und erkundiget hat! Wann du an die fremde kumen wirst und sunderlich gehn Antdorff, wirt dir mancherley gesind fürkumen, so dich mit listen hindergon werden, zůvor wann sie einen schweren seckel bey dir schmacken werden. Vor denselben solt du dich mit fleis verwaren, ir keinem zů vil vertrawen; sunst wirdest du bald umb dein gelt kumen. Ich sag dir, mein sůn, das du in vil tausent stätten solche finantzer, riffiener und böser vögel finden möchtest; ich geschweig der unverschamten gemeinen weiber, vor denen du dich sunderlichen hüten solt. Dann durch sie manig jung blůt arbeitselig umbbracht unnd an seinem leib verderbt wirt, deren ich selb etliche erkant hab. – So du nůn zů deinem herren kumest und er dich empfahen wirt, soltu in mit frölichem angesicht und uffgerichter stirnen ansehen und früntlichen danck sagen mit zimlicher reverentz. Dann ich sag dir, das die herren ein sunder auffschawen haben[204] uff die sitten und geberden der jünglingen, so sie die am ersten ansichtig werden. Schlecht einer sein gesicht under sich, halten sie den gemeinlich für untüchtig, messen im auch alle schalckheit zů. Wann aber ein junger eines freundtlichen gesprächs, unerschrocknen angesichts dapffer mit in nach notturfft reden darff, denselbigen hatt man für einen verstendigen warhafften und auffrechten mann. – Du solt auch mit gantzem fleiß dich bey allen menschen verhüten, das du keinen zanck noch hader anrichtest; dann vilen menschen von wegen ires zänckischen und klapperischen munds merckliche unrhů entstanden. Darumb, lieber sůn, volge mir, deinem vatter, und mische dich inn keinen handel, so dich nit andrifft! Mit willigen ohren biss bereit yederman zůzůhören, aber mit lancksamer zungen und wolbedachtem můt soltu uff gethone frag antwurt geben und ungefragt bey alten achtbaren leuten gar nichts reden. Deinem herren soltu in allen gůten gebotten gantz willig gehorsamen. So dich yemants lehrnet und underweiset, es sey mit künstlicher arbeit oder auff gůte sitten dich understath zů wenden, denselbigen solt du nit minder in ehren haben, dann mich, deinen vatter. – Wann dein herr gesellen oder diener hat, von welchem du etwas lehrnen magst, denselbigen soltu dich nit schämen in in die händ zů sehen. Dann ich můs bekennen, das ich in meiner wanderschafft vil mer von gesellen gelernt habe dann von meinen herren und meisteren. Ich hab mich auch nie beschwärt, inen uff die feirtag ire schůch zů wischen, ire hemmetter in die wäsch zů tragen, und was ich mit meinem dienst inen zů gůt hab mügen außrichten, des habend sie nichts begert vor mir zů verbergen. Du aber solt dich nit zů tieff mit in einlassen in tafernen oder wirtsheuser. Dann man findt gewonlichen an solchen orten böse knaben, so dem spiel unnd füllerey anhangen, durch dieselbigen mancher redlicher jüngling gar übel verfürt und zů schanden kumet. So aber sich zůträgt, das deines herren gesind mit seinem gunst etwan ein ehrliche zech in seinem haus anschlagen, soltu dich dein gelt nit dawren lassen, sunder williglich deinen gebürenden thail darzů geben und frölich mit in sein. – Rhüme dich nit zů vil deines gůts! Dann wo du mer anzeigen wirst, dann desselbigen ist, wirt man dirs[205] für ein grosse lugen achten, und so du minder sagst, von stund an wirst du von menigklich für einen thoren und fantasten ausgeschrien. Diser meiner lehr, lieber sůn, wöllest du nit vergessen, sunder deren fleissig nachgedencken. – Mit kleydung hab ich dich nach deinen ehren unnd meinem vermügen nach aller notturfft versehen, damit du für erbar leut kumen darffst. Dieselbigen kleider wöllest in ehren und sauber halten; dann wo du die ehrlich haltest, werdend sie dir auch alle ehr beweisen. Ein zimliche zerung hab ich dir verordnet, so dir Reichardus überantwurten wirt; dieselbig wöllest wol und nutzlich anlegen. An disen stucken allen, wo du denen nachkumen, wirst du meinem gefallen ein genügen thůn.‹

Lasarus der jung hat die wort seines vatters gar fleissig gemercket; er versprach im auch, dem also nachzůkumen. Damit sind sie wider aus dem garten gangen, heim zů haus gezogen, des nachtimbis mit grossem lust erwartet.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 202-206.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Die Narrenburg

Die Narrenburg

Der junge Naturforscher Heinrich stößt beim Sammeln von Steinen und Pflanzen auf eine verlassene Burg, die in der Gegend als Narrenburg bekannt ist, weil das zuletzt dort ansässige Geschlecht derer von Scharnast sich im Zank getrennt und die Burg aufgegeben hat. Heinrich verliebt sich in Anna, die Tochter seines Wirtes und findet Gefallen an der Gegend.

82 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon