46.
Wie Ferdinandus das kleinat mit geschwinder practic wider überkumpt unnd Lorentz, der jung schalck, darvonlaufft.

[244] Ferdinandus, der gůt jüngling, war gantz angsthafftig; er kundt auch gar kein rhů nit haben, er hette dann zůvor das kleinat erfraget. Er fügt sich zů einem seinem lantzman, welchen er wußt vil gemeinschafft mit Lorentzen haben, fieng an von vilerley sachen mit im zů reden, und aber gar zůletst sagt er: ›Lieber Heinrice, wann bist du bey unserm lantzman, dem Lorentzen, gewesen? Mich beduncket, er fahe sich an gar wol zů halten. Aber warlich sein wesen hat mir erstlich nit wöllen gefallen; dann sehr vil klag ab im kumen von einem und anderem. Ich aber, gott hab lob, hör gar nichts mehr.‹

Heinrich, ein gůter einfaltiger junger, verstund die red nit, wohienaus sie langen oder raichen wolt oder was Ferdinandus darmit gemeinet. ›Warlich‹, sagt Heinrich, ›es gefalt mir Lorentz auch vil bass, dann da er bey seinem anderen herren gewesen ist. Er hat sich meines bedunckens sidhar gar umbgekert.‹ – ›Das hör ich fast gern‹, sprach Ferdinandus. ›Du siehest, mein Heinrich, wann sich ein Portugaleser ungeschickt haltet, müssen wir alle die, so aus Portugal sind, desselbigen ungeschickligkeit uns stätigs umb die ohren gohn haben. Lieber, wann bistu bey dem Lorentzen gewesen, das du mit im gespracht hast?‹

Darauff antwort Heinrich: ›Fürwar es ist noch nit sechs stund, da haben wir in eines bastetenbeckers haus ein gůte[244] basteten gessen.‹ Ferdinandus sprach: ›War sunst niemants mehr bey euch?‹ – ›Ja‹, sagt Heinrich, ›ein zollerier von Lisabona, welcher dir sehr wol bekant ist; derselbig bezalt die zech für uns alle.‹ – ›Wie möcht ich zů demselbigen kumen?‹ sagt Ferdinandus, ›Ich het ein nötig geschefft bey im auszůrichten.‹

›So thů im also‹, sagt Heinrich. ›Es haben Lorentz und Simon der zollerier einander uff morgen umb sechs uren in des malfasierschencken haus, zůnechst bey seinem herren wonend, vertagt. Da wöllend wir ein trunck malfasier thůn, darbey einen weinkauff beschliessen, so Lorentz und Simon mit einander abgeredt.‹ – ›Lieber‹, sagt Ferdinandus, ›was weinkauffs würt aber das werden?‹

Antwort Heinrich: ›Ich hab wol verstanden, das Lorentz einen kostlichen stein hat in einem kleinot versetzet, den hat er dem Simon feyl gebotten‹. Bald Ferdinandus die red vernam und das kleinat melden hort, gedacht er: ›Die sach wil sich recht zůtragen; das ist gewisslichen das kleinot, nach dem ich verlangen hab.‹ – ›Ich möcht leiden‹, sagt Ferdinandus, ›wann mir morgen sovil zeit und weil werden möcht, das ich auch bey euch sein künd; dann ich dem Simon gern ein bottschafft, so er mir ausrichten solt, anhencken wolt.‹ Damit schieden sie von einander.

Ferdinandus wůßt zůvor wol, wo Simon zů herberg lag. Er fügt sich eilends zů ihm, bericht ihn aller sachen, wie es sich mit dem kleinat zůgetragen. Des ihm Simon grossen danck saget; dann er gedacht, wo er dis kleinat also ungewarnetter sachen kaufft und etwann an einem andren ort wider fail solt gethon haben, im möcht ein gros nachthail daraus erfolget sein. Wurden also der sach eins, das Ferdinandus sampt dem goldschmidt und dem kauffman, so das kleinat verloren hett, in des malfasierschencken haus kumen solt, sobald die glock sibne schlüg, wolt er die sach dahin spilen, das eben derzeit das kleinat under augen ligen müßt. Diss ward also kurtz bey in beiden beschlossen.

Ferdinandus saumpt sich nit, gieng zů dem goltschmidt Francisco, sagt im alle verloffnen sachen. Davon Franciscus größlichen erfrewet ward. Des morgens frü gieng er[245] zů dem kauffman. Der ward auch nit weniger erfrewet, als er verstůnd, das er wider zů seinem kleinat kumen solt. Alsbald es umb siben uhren was, kam Ferdinandus auch zů in. Alsbald sind sie miteinander gangen in das malfasierhaus, haben alle sach nach irem willen geschaffen. Simon der zollerier, Heinrich und das gůt sünlin Lorentz sassen schon im stich, fiengen an von dem weinkauff zů handlen.

Sobald Lorentz den goltschmidt Franciscum sampt dem kauffman und Ferdinandum ersehen ward, erschrack er aus der massen so sehr, das er ein einigs wort nit gereden kunt. Franciscus und der kauffman namend sich an, als wann sie an einen andren tisch sitzen wolten. Simon aber verstůnd die sach wol, wie sie das gemeinten. Er sagt: ›Lieben herren, kumend zů uns in unser geselschafft! Wir haben euch gern; dann wir einen weinkauff zů vertrincken haben, da mügt ir auch wol das best in helffen handlen.‹ – ›Lieben herren‹, sagt der kauffman, ›wo ir unser geselschafft kein verdruss haben, wöllend wir fast gern bey euch unsern pfenning verzeren.‹

Alsbald sind sie an die tafel gesessen, mit in gessen und getruncken. Und als yetz Simon die recht zeit maint vorhanden sein, hatt er zů dem jungen gesagt: ›Nun wolan, Lorentz, wir müssen zů der sachen greiffen. Der malfasier ist gůt; ich möcht sein zů vil zů mir nemen und alsdann nit wissen, was ich handlet.‹ – ›Hey‹, sagt der leckersbůb, ›die sach hat doch nit eyl. Was heut nit geschiecht, geschehe auff einen andren tag.‹

Simon sagt: ›Ich binn willens, auff morgen zů verreiten. Darumb was auff dißmal nit geschiecht, würdt nit bald mehr geschehen.‹ Franciscus der goldschmidt sagt: ›Der gůt jüngling hat vileicht ein abscheuhen ab uns. So wir im zůwider sind, sol uns nit beschweren uffzůston.‹

›Nein, gar nicht,‹ sagt Simon, ›es ist kein häling. Der gůt jung hat ein kleinat; das wolt ich im abkauffen, so wir anderst der sachen uns vergleichen künnen.‹ Damit zeigt Simon an, wie das kleinat geschaffen wer. Der kauffman, des das kleinat was, begert das auch zů sehen, sagt, er wolt dargegen auch etlich kleinat und ring sehen lassen. Lorentz aber wolt nit haraus mit, sunder sagt, er wolte im (dem Simon)[246] zů kauffen geben, im wer nit gelegen anderen das kleinat zů zeigen. Da diss Ferdinandus hort, sagt er: ›So můstu sollich kleinat nit mit rechten sachen zůwegen bracht haben, oder můs sunst ein falsch darunder verborgen sein. Es sey dann, das dus uns sehen lassest, so wirst du mich in argwon bringen, du habest das etwan funden, ehe dann sein herr das verloren hatt.‹

Lorentz wußt nit, womit er sich außreden solt. Er nam sich eines zorns und unwillens an, stůnd auff von dem tisch und wolt hinweggangen sein. Der kauffman aber und der goltschmidt erwuschten in bei seinem rock und sagten: ›Nit also, Lorentz! Wir werden dich von handen nit lassen, es sey dann sach, das du uns das kleinat, davon geredt worden ist, sehen lassest. Ich sag dir,‹ sagt der kauffman, ›ich kenn ein gůten fründ, dem gemelt kleinat billicher dann dir gehört. Wie du auch das überkumen hast, ist mir gar wol zů wissen. So du das mit gůtem willen von dir geben wirst, das sey mit hail. Wo aber nit, so hab dir des mein trew zů einem pfand, du můst das an einem ort von dir geben, da es dich dein hals kosten můs.‹

Der schalck sahe yetzunder den ernst wol; so gedacht er auch an andre bossen, so er auff der hauben hett; wann dann dis und das vergangen zůsamenriechen solt, möcht es im so gůt nit werden, er müst am galgen sein end nemen. Er besann sich kurtz, zoh sein säckel aus dem bůsam, nam das kleinat haraus und warffs auff den tisch, kundt aber gar kein wort vor schand und schrecken reden. Ferdinandus aber, als er diss gesehen, hat sich alles in im umbgekert, und mit rauhen worten hat er den dieb angefaren und gesagt: ›Ey du schantlicher verzweifleter diebischer böswicht, ich wolt, das ich dich solt an einem galgen erwürgen, wann allein dein frummer vatter und dein frumme můter nit werend. Sag mir, was grosser freuden werden sie haben, wann Simon in die ehrlich bottschafft von dir bringen wirt! Wie wirt dein herr, bey dem du yetzund bist, eins solchen ehrlichen knechts so ein grosses wolgefallen haben! Ja, ich will dir das hoch und theur behalten haben, wo du mich mer für einen lantzman ansprichst, ich sol dir vor allermenigklich alle deine bösen stuck anzeigen und endecken und dich einen lantzman verrüffen.‹[247]

Als der bůb nůn wol außgefegt was, gieng er gantz schamrot von in allensamen hinweg on alles urlop, sein kopf under sich schlůg, wie dann alle dieb thůn, die keinen biderman frölich dörffen ansehen. Franciscus, der kauffman unnd auch Simon der zollerier waren der sachen gar wol zůfriden; Franciscus, umb das er aus einem grossen argwon kumen war, der kauffman darumb, das er seins kleinats wider zůkumen was, Simon, umb das er mit disem gestolnen kleinat nichts zů schaffen het gewunnen. Sie bliben also noch ein gůte zeit bei einander sitzen. Dem Ferdinando sagten sie auch gar fleissigen und grossen danck, umb das er sie alle drey vor schaden verhütet het. Also wurden dem gůten kauffman seine ring und kleinat nach allem seinem gefallen außbereit. Aber Lorentz der schalck kam Ferdinando nit mehr under augen; er sůchet auch nit weiter geselschafft bei Lasaro.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 244-248.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Neukirch, Benjamin

Gedichte und Satiren

Gedichte und Satiren

»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon