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Wie Lasarus wider gehn Lisabona kam, mit Amelien hochzeit hielt, mit seinem vatter und schwäher gemeinschafft het in gwinn und verlust.

[256] Bald Lasarus dem unglück entgangen, lust in nit mehr zů Venedig zů bleiben. Er fand ein schiff nach seiner gelegenheit, kam in kurtzer zeit gehn Lisabona gesund und frisch; und wiewol seine älteren sein nit warten waren, empfiengend sie in doch mit gar grossen freuden. Amelia was auch in solcher zeit wider zů iren verlornen krefften kumen. Lasarus erzalt auch allen seinen fründen von anfang biß zů dem end, was im in Brabant gůts widerfaren wer; deßgleichen zeigt er auch an, inn was grossen gefahr er gestanden was zů Venedig bey seinem wirt, und allein durch die getrew warnung des wirtes magd bei seinem leben bliben were, des sie dann der kauffman, so in aus Brabant gon Venedig gefürt het, wol berichten würd, so er einmal in Portugal kummen würd. Diser red verwunderten sie sich alle gar fast, danckten und lobten got aus grundt ires hertzens, das er irem sůn also gesunds leibs wider in sein vatterland geholffen het.

Demnach ward zů beyden seiten die hochzeit angeschlagen, alle ding zimlich und ehrlich bestelt und gar kein grosser bracht alda getriben. Wiewol an gůt und gelt an dem ort gar nichts manglet, so waren doch alt und jung dermassen zů der mässigkeit genaigt, das sie got umb den grossen ungebürlichen kosten forchten. Nicht destweniger ward under der früntschafft ein fröliche hochzeit gehalten, die aber nit lenger dann zwen tag weren thet.

Alsbald nun die vergangen unnd hingericht was, habend sich beide vätter und mütern miteinander underredt, was sich nün fürbashin der haushaltung zů beradtschlagen were. Sie kunden zů allen theilen wol erachten, das die zwey junge der haushaltung noch nit gewont und erfaren waren. So hetten[256] sie, die beyde älteren, ein yedes für sich selb ein weite behausung mit vilen gemachen underschiden. Darumb solten deren theyl eins das jung par volck zů inen nemen, welchem theyl es am allerfüglichsten unnd gelegensten were; diss was ir aller meinung. Als nůn die jungen befragt wurden, gefiel in die sach auch gar wol, und ward die wahl zů inen gesetzt, bey welchem theyl sie am liebsten sein wolten. Sie aber wolten gar kein wahl erkiesen, sunder satzten das den alten heym; welche sie gern haben wolten, bey denselbigen wolten sie auch gern ir wonung haben und Lasarus als ein knecht, Amelia als ein magt ir tag bey in verzeren. Zůletst ward die wahl den zweyen mütern heymgestelt. Also wolt ir yede die zwey jungen bey ir haben, und wurden also der sachen schier zů unfriden.

Da diss Richardus ersahe, stůnd er auff und sagt: ›Gebt mir zů allen theylen die sach von hand, also wie ich das mach, das es also bey demselbigen sol bleyben! Ich hoff, ich wöls dermassen aussprechen, es sol euch allen wolgesprochen sein‹. Diss liessen sie ihn allen wolgefallen, begerten auch gemeinlich darbey zů bleiben.

Da fieng Richardus an und sagt: ›Ir meine liebe kind und fründ, wir haben von der unaussprechlichen milten gnaden und gaben gottes ein reühliche und gar gůte narung zůsamenbracht. Darumb wir im dann auch billichen danckbar sein sollen, den armen, von deren wegen uns dise gaben beschert sind, nit vergessen. So würt uns gott gewisslich auch nimer mangel lassen; des sollen wir uns gäntzlichen zů im versehen, dieweil von im alles gůts kumpt und fleußt als von dem waren und rechten brunnen alles gůten. Nůn wissend ir alle gar wol, was grosser trew, liebe und früntschafft wir yetz gar lange zeit zůsamen getragen haben, auch so früntlich, tugentlich und lieplich umb einander gewont, das keins under uns allen das ander mit einem eintzigen wort erzürnet hat, haben uns auch inn dem brauch die zeit her gehalten, das keins on des anderen beywesen keynen bissen gessen hat, und ist ein gar schlechter underscheid hierinn zů vermercken, ob wir ein oder zwo haushaltung haben. Dieweil nůn aus sunder ordnung gottes die sach dahin gericht ist, das wir zů[257] beyden theylen nit mehr dann zwey kinder haben, dieselbigen zůsamen vermähelt sind alles mit unser aller gůten vorwissen und willen, haben uns auch inn alle weg gevolget, so wer das mein gůt beduncken, rhat und meinung, das wir erstlichen ein gemeinen unzerteylten handel anfiengen, ein gemeinen kosten und haushaltung anrichteten, also bey einander ob einem tisch und taflen sessen, einen gemeinen koch und einkauffer sampt knecht und mägten aus gemeinem gwinn und vorrhat erhielten. Amelia die solt hinfürbas die müter inn der haushaltung sparen. Demgleich soll Lasarus auch gegen seinem vatter handlen mit der arbeit. So wir die sach also nach meinem rhatschlag angreiffen, würt uns gewisslichen heil und glück bey und mit einander angon. Doch müssend wir ein haupt under uns haben, uff welchen wir alle sehen sollen und wider dasselb gar nicht handlen, in auch lieben ob allem reichtum, silber, gold, berlin und edelgestain.‹

Lasarus der alt und auch der jung liessen ihn die mainung gar wol gefallen, dergleichen auch die weiber, und was also ir entlich mainung, Reichardus solt der sein, auff welchen sie alle gar ein auffsehen und gemerck haben solten, seinen gebotten und verbotten gehorsam sein.

Da diss Richardus von inen verstůnd, fing er an gantz gütlich zů lachen und sagt: ›O ir mein lieben fründ, kennend ir den obman noch nit? Nůn hat er dannocht jetz ein lange zeit umb und bey uns gewonet. Es hatt in auch Christus, unser lieber herr und erlöser, seinen ausserwelten und allerliebsten jungeren zů einer säligen letze gelassen, nit allein seinen jüngeren, sunder allen Christgleubigen menschen. Damit ir aber verstehn, wer diser obman sei, was er für einen namen hab, so wißt, er haißt Frid. Wo derselbig in ehren und in einem dapfferen ansehen gehalten wirt, da gehts recht zů, da ist glück und hail, mag auch nichts überzwerchs under die weg kummen. Wo der sälig frid in einer statt nit zů alleroberst in gericht und raht gesetzt wirt und ein gantzer raht und gemein uffsehens auff in haben, da würts nimmer oder gar selten recht zůgon. Wo man in in eim haus nicht dulden will und in hinaushetzet, wirt im bald alles glück, so in demselbigen haus ist, nachfolgen. Des wir ein gůt beispiel[258] haben an vilen grossen und namhafftigen stetten, als da ist gewesen Hierusalem, Rom, Cartago. Sobald sich zwitracht under sie gemischet und sie denselbigen zů burger auffgenumen, den säligen friden ausgeschlossen, zůhandt ist ir regiment und gantzer gewalt zergangen. Darumb wöllend wir den säligen friden nit aus unser haushaltung kumen lassen, darneben auch als unser gesind, knecht und mägt darzů halten, damit frid und einigkeit bey uns bleib und sein wonung bey uns beger zů halten.‹

Also ward ein gemeine fridliche und früntliche haushaltung under disem völckle angericht, die sie auch mit der gnad und hilff gott des almechtigen bey einander erhielten, so lang biss der almechtig got ein yedes nach seinem berůff aus disem zeitlichen jamerthal erforderet unnd sie satzt inn die himlischen tabernackel, die da bereit sind allen fridsamen und rechtgleubigen. Dahin uns auch nach disem armen zergencklichen leben helffe gott der vatter, gott der sůn und gott der heilig geist.


AMEN.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 256-259.
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