24.

Wie Lewfrid mit seinem gesellen an einem sontag under dem ampt heimkam, der graff sampt seiner tochter in der kirchen waren; Lewfrid abstůnd, sampt seinen gesellen auch in die kirchen kam; der prack sein eh dann niemans anders warnam.

[327] An einem sontag zů morgens, eh dann man auß der predig kam, reit Lewfrid auff das schloß sampt seinen gesellen. Sie stalten die pferd in ein stall, gingen mitnander zů der kirchen. Bald Lewfrid inn die kirchen kommen, ist sein der prack gewar worden, hatt gar feindtlich in dem gestiel, darin Angliana und ihr junckfrauwen waren, anfangen an der thüren kratzen und scharren, also das sie in hand müssen auß dem gestül lassen. Der prack mit schnellem lauff zů Lewfriden kam, an im auffsprang und sich seiner zůkunfft größlichen freuwet. Angliana hatt aber mit sondrem fleiß wargenommen auff den pracken; darumb was sie die erst, so under allen iren junckfrawen Lewfriden ersehen hatt; davon ward sie hertzlichen erfrewt.

Nun hat der graff die gewonheyt an seinem hoff, das allen sonnentag sein tochter sampt irem frawenzimmer bey im an seinem tisch essen můst. Darauff sich Angliana seer frewen ward; sie rüffet Florina der junckfrawen zů ir und sagt heimlich ir in ein or, das es die andren junckfrawen nit hören mochten: ›O Florina,‹ sagb sie, ›du magst mir yetzund kein bottenbrot angewinnen; dann Lewfriden hab ich schon mit meinen augen ersehen.‹ Damit weißt sie die junckfraw, wo der jüngling stůnd. Florina mit freuden zů Angliana sagt: ›Gnedige junckfraw, ich frew mich von ewerentwegen der zůkunfft des jünglings, damit ir auch wider fröliche geberd erzeigen. Dann ir, der zeit er außgewesen ist, gar trawrigs angesichts erschinen sind, gleichsam hette euch ein schwere kranckheit überfallen.‹

Als nun alle sach in der kirchen verrichtet worden sind, hat man zů hoff geblasen, wie dann alle feyrtag gewonheyt was; sonst pflag man nur mit einer tischglocken zů leüten. Der graff mit seinem hoffgesind ging auß der kirchen, bald ersicht er Lewfriden. Der thůt im gebürliche reverentz, antwort im die schrifften, so er mit im auß des künigs hauptstat bracht hat. Darumb in der graff seines fleiß und ernstes halben fast lobet; er sagt zů im: ›Lewfrid, du solt disen imbiß ob meiner taflen das mal nemen, damit ich newe zeitung, wie dirs gangen und waß du uff der reiß habest erfaren, von dir möge vernemmen.‹ – Walther ward jetzund[328] auch von dem graffen ersehen. Bald ward Lewfrid von im gefraget, wer diser schöner jüngling were. ›Gnediger herr,‹ sagt Lewfrid, ›diser ist mein lieber brůder und ist allein außgeritten mit einem knecht, mich zů suchen; dann meine ältern gar nichts von mir haben erfaren mögen von der zeit an, als ich erstmals von in gescheyden bin.‹ – ›So gedenck,‹ sagt der graff, ›das du deinen brůder mitbringst! Dann ich vast gern kuntschafft mit im haben wolt.‹

Als sie nun zů hof kommen, hat man wasser auff die hend genommen, ein yeder, nachdem er verordnet gewesen, sich gesetzt. Angliana, demnach jederman gesessen ist, gar köstlich geziert mit irem frawenzimmer in den sal getretten kam. Alle die, so ir ansichtig wurden, sie nit einem menschen, sunder einem engel verglichen wurden. Sie aber will ich ein wentzig abmalen, damit der leser ir gestalt vor im gespieglet sihet.

Sie was einer zimlicher lenge mit einer wolgeschickten proportz, ihr haupt auffrichtig, ihr har gelb und etwas gekreüßlet, ir stirnlin rund und breit mit liechtbrawnen, wenig gebogen augprewlin gezieret, ir eüglin nach falckenart klar und geschwind, das näßlin ein wenig gebogen in zimlicher scherpfe, die wenglin mit schönen grüblin und mit rosenfarb geziert, das mündlin einem rubin gleich an der farb allzeit sich ein wenig lachend erzeiget, dem helfenbein gleich weiß waren ire zänlin, schmal und klein nach rechter ordnung gesetzt, das kinn doppelt ob einander, an den obern kinn ein wolgeschicktes grüblin, ir helßlin rund unnd langlecht, weiß als der schnee, ir brust waß starck und breit, ihr arm unnd hendlin gantz wol formieret, die weych schwanger unnd rhan. In summa, ihr gantzer leib hett von Appelle nit zierlicher gemalt werden mögen. Sie waß auch mit hertzen und gemüt gantz gleichformig irer schöne, züchtig, berdsittig, freundtlich mit jederman, getrew und gerecht.

Nit minder schöne hat an im Lewfrid der jüngling, darbey eines lewen můt, aber gegen yederman früntlich; die gerechtigkeyt fürdert er alzeit, so hasset er auch die schalckheyt; hatt grossen lust zů pferden, zů aller zeit was er geneigt frawen und junckfrawen zů dienen. Zům fordersten aber[329] forcht er got und halff den armen nach seinem besten vermögen; dann er vergaß nie seines herkommens. – Diß land wir bleiben unnd sagen fürbaß, wie es ob dem ymbiß gangen sey.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 327-330.
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