27.

Hie reit der graff mit seinem hoffgesind gon Lißbona auff die hochzeit. Was wunders sich mit Lotzman dem lewen begeben hat.

[336] Der graff, nachdem er von Lewfriden kommen was, gedacht er gar offt an den lewen und anders, so sich mit im verlauffen hatt. Er nam im entlichen für, den lewen selb zů sehen in gegenwertigkeyt Lewfridens. In kurtzem hernach als er im das fürsatzt, begab sich, das der graff auff ein hochzeit geladen ward, die seer groß was und in der stat Lyßabona gehalten. Er nam sich aber gegen Lewfriden gar nichts an, das er ein sonder begird het den lewen zů sehen, damit Lewfrid nit gedencken möcht, er glaubet im seiner erzalten histori nit.

Als aber die zeit kam, das yederman auff der hochzeit solt erscheinen, ließ der graff alles sein volck in gleiche farb kleiden, reit mit grossem pomp und bracht gon Lißbona auff die hochzeit; aber under allem seinem hoffgesind was im Lewfrid zů aller zeit der nechst. Sie kamen in den wald, von dem oben gesagt ist; do funden sie den alten mörder mit der einen hand noch an dem baum hangen. Dabey der graff wol erkant, das im Lewfrid die warheyt angezeigt hat.

Als sie gen Lißbona kamen, die hochzeit gar köstlich gehalten ward, fügt es sich eines tags, das der graff mit seinem hoffgesind in den garten des künigs spatzieret, darin[336] allerley thierlin gingen. Dem graffen aber was noch ingedenck, was im Lewfrid von Lotzman dem lewen gesagt hatt; darumb er fleißig an dem hoff nach dem lewen fraget. Alsbald ward im von des künigs dieneren angezeiget. Bald seind sie an das ort gangen; inn einem sonderen hoff funden sie gemelten leuwen. Der aber hatt von stund an Leuwfriden ergriffen mit seinem rechten datzen unnd gantz freundtlich zů im begert zů ziehen. Lewfrid mit dem leuwen anfieng zů schertzen; der lew sich so gantz freundtlich gegen im erzeyget, das sich alle umbstender darab verwundretten. Des künigs hoffmeister auch zůgegen was; der fraget den graffen, wer diser jüngling wer, dem der lew so gantz fründtlich nahet. Der graff sagt im alle ding, wie sichs mit Lewfriden seiner geburt halben zůgetragen het und wie diser lew lange zeit bei seinem vatter gewonet het. Dise red kam auch für den künig; der begert Lewfriden sonderlichen zů sehen. Also ward er für den künig gefürt; der fraget gar ernstlichen aller sachen nach, wie sich die mit Lewfriden von seiner jugendt an zůgetragen het. Deß alles ward er von Lewfriden gruntlich berichtet. Der künig sich darab gar größlich verwundert, begert derhalben, das Lotzman der lew für in gebracht wird.

Alsbald gieng Lewfrid mit dem thiergartenmeister inn den thiergarten. Lewfrid locket dem lewen; der lieff zůhandt mit im wie ein zammer hund, kamen also für den künig, do schimpffet der lew gar tugendtlichen mit Lewfriden. Das sahe der künig sampt allen denen, so zůgegen waren, mit grosser verwunderung. Es gefiel ihm auch Lewfrid mit weiß und geberd fast wol; derhalben redt er mit dem graffen, ob er ime nit zů einem diener werden möcht. Der graff sagt zů dem könig: ›Allergnedigster herr, ewer küngliche mayestat sol wissen, das diß mein allerliebster diener ist, so ich under allem meinem hoffgesind haben mag. Durch in allein handel ich alle meine geschefft, on in weyß ich nichts außzůrichten; alles das, so im von mir befolhen wirt, endet er gantz fleißig. Darumb langt mein underthenigst bitten an ewer mayestat, mich wölle dieselbig dises meines liebsten dieners nit berauben.‹ Der künig den graffen fast lieb hat, ließ derhalben die sach also berhůen, begert Lewfridens nit weiter.[337]

Also bliben sie bei zehen tagen zů Lißbona und hatten vil grosser freud, kurtzweil und wollust. Lewfrid aber des lewen nit mer kundt ledig werden. Er gieng wohin er wolt, volget im der lew zů aller zeit auff dem fůß nach; und so man in zů nachtes in gemelten garten sperren wolt, fürt er das allerjemerlichest geschrey, das davon weder der künig noch jemans anders rhůen mocht. Die ursach ward dem künig gesagt; also befalh er, man solt den lewen nit mehr inschliessen, sonder ledig gon lassen mit Lewfriden, wa er wolt. Also lag Lotzman fürbaß alle nacht bey Lewfriden und seinem herren in der kammer.

Als aber jetz der hof ein end nam, jederman wider zů hauß keren wolt. Der graff dem thiergartenmeister befalh, den lewen zů verwaren, das er in nit nachlieff. Diß geschah; aber Lotzman fůrt ein grausam geschrei, wolt weder trincken noch essen, so das der thiermeister sorget, er wirt umbkommen; sagt es derhalben dem künig an, fragt, wes er sich mit Lotzman dem lewen haben solt. Als der künig das gemüt des lewens verstund, befalh er, man solt in ledig lassen, und ob er gleich mit Lewfriden darvonlieff, solt man es nicht weren. Alsbald ward der lew ledig gelassen. Der saumet sich nicht lang, suchet seinen Lewfriden, bey dem belib er gantz beharrlichen; und so in der thiermeister nachmals angreiffen wolt, understund er sich zů wehren.

Also nam der graff urlaub von dem künig und saß auff zů roß mit seinem gesind. Lotzman thet gantz fröliche sprüng vor ihn allen. Diß alles der künig sehen thet, sagt derhalben zů dem graffen, er solt Lotzman den lewen mit ihm lauffen lassen; dann er sorget, wo er wider solt ihngesperret werden, er möcht von jamer hungers sterben oder von grossem zorn gar wütend werden. Also lieff Lotzman mit ihn darvon. Lewfrid fast größlichen erfrewet ward.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 336-338.
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