45.

Wie Lewfrid zů den kolern in dem wald kam in finsterer nacht, wie früntlich sie mit im geredt haben, im alles, was in der rifier von im außgeschollen, sagten.

[382] Lewfrid kam zů den kolern; die waren streng an irer arbeit, sie sungen und waren leichtsinnig. Er sprach in früntlich zů, grůßt und fragt sie, ob er nit die nacht zů vollem über möcht bey in herberg haben. Sie empfiengen ihn seer früntlich und sagten, so er für gůt mit ihn haben, wolten sie gern ir bestes thůn. ›Deß bin ich content,‹ sagt Lewfrid. Er saß von seinem pferd ab; daß namen sie von im, fůrten das in ein hütten, gaben im gersten unnd hew, machten ihm auch eine gůte strewin. Sie fragten Lewfriden, ob er hunger hett, sie wolten ihm zů essen bringen. Er antwort, deß wer er wol zůfriden. Also brachten sie ihm gůt gesaltzen fleysch unnd brot und ein frischen krůg mit bier. Er saß nider und zechet, biß er gantz satt ward, stund darnach bey den kolern, sahe ihn zů, wie sie arbeytteten. Einer under in, ein gůter fatzman, fragt ihn, von wannen er kem und wer im solchen[382] gůten wirt gewisen hett. Leuwfrid, demnach er ein gütiger jüngling was, antwort im schimpfflich: ›Sicher,‹ sagt er, ›es staht zů des wirts gefallen, wie er mich halten wöl. Wann ich aber die warheyt bekennen soll, so bin ich in langem keines wirts nie so fro gewesen; so hatt mir auch speiß unnd tranck seer wol geschmacket.‹

Der, so in also hat angeredt, in zum offternmal ansehen ward, stetigs gedacht: ›Diser jüngling ist gwißlichen Lewfrid nach welchem der graff so ernstlichen fragen laßt. Wißt ich das, ich wolt morgen ein gůtes bottenbrot verdienen und in meinem herren anzeigen.‹ Das mercket Lewfrid mit fleiß, unnd fiel ihm gleich in seinen sinn: ›On allen zweifel sihet mich diser schwetzig vogel nit umbsonst so streng an. Wie wer im, wann er mich morgen verkundtschafft? Dann so wird mein letster anschlag erger dann der erst. Ich will mich an im versuchen, ob er mich kenne oder nicht.‹

Er fing an und sagt: ›Lieben koler, ich bitt euch, sagend mir, wie lang habt ihr jetzund kolen in diser rifier gebrant?‹ Im antwurt einer under ihn: ›Es ist yetzund in die zehen wochen, das mir alle zeit tag und nacht gearbeyt; keiner nie an kein ander bet kommen, dann wie mir sie alhie under den beumen von laub gemacht haben und in unser hütten getragen hand. So ir mit den für gůt nemen wölt, müßt ir die nacht ungeschlaffen sein.‹

›Deß bin ich wol gewont,‹ sagt Lewfrid, ›gůt leben zů haben, wie man gemeinlich sagt, über nacht harvor zů sein. Seind ir so lang in disem wald gewesen, lieber, so sagend mir, ist nit etwan ein junger reuttersman her zů euch kommen selbander und hatt mit im einen lewen gefürt?‹ – ›Sicher nein,‹ sagt der vorig, ›ich hab dich warlich darumb angesehen und nit anders gemeynt, dann du seiest der jüngling gewesen, so an meines herrn hof alweg mit dem lewen gangen. Ich hab mich sein zum theil gefrewt und verhofft, morgen ein gůte schenck von meinem herren zů kriegen, so ich im anzeiget, das du noch in leben werest. Dann seer groß verlangen zů hof nach dem jüngling ist.‹

›Das weyß ich fast wol,‹ sagt Lewfrid, ›dann ich bin auch einer meines gnedigen herren hoffgesind und reit yetzund manchen[383] tag, umb Lewfriden zů suchen, kan aber nichts anderst von im vernemmen; dann verschinen dreien nechten bin ich bei einem glaubwirdigen wirt zů herberg gewesen, derselb hat mir für gantzen glauben gesagt, meines gnedigen herren post sey dritthalben tag vor dem, eh dann ich darkommen sey, bei im zů herberg gewesen und hab Lewfriden brieff von meinem gnedigen herren gon Salamanca bracht, do sey er sampt dem lewen; solichs hab der wirt auß des botten mund für war sagen hören. Ob aber dem also sey, wil ich, eh dann es morgens umb neün uhren wirt, wol erfaren.‹

›Wolan,‹ sagt der koler, ›solt ich mein gůt verwet haben, ich hets daran gesetzt, du werest Lewfrid gewesen.‹ – ›Das nimpt mich nit wunder,‹ sagt Lewfrid, ›dann ich manigmal für in angesprochen worden bin.‹

Also liessen sie alle sach gůt sein, vertriben die nacht zů vollem mit andrem geschwetz. Lewfrid halff in holtz scheitern und tragen, damit ihm die nacht desto kürtzer were. Sobald aber die nacht hinüber und der tag anbrach, schanckt Lewfrid den kolern ein letze, deß sie im seer grossen danck sagten. Also saß er uff sein pferdt, nam urlob von den kolern unnd reit wider zů des waldbrůders zellen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 382-384.
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