47.

Wie der schildtbůb mit dem essen kam, was grosser freuden der schildtbůb gewann, als er Lewfriden ersehen hatt.

[386] Es was in dem wald eins roßlauffs weit von dem ort, do Reichart sein zellen hat, ein seer hoher stein auff einer glatten seulen. Auff denselbigen ward dem brůder allen morgen sein genante speiß bracht von dem schildtbüben oder einem andern an dem hoff. Der stein was oben gemachet wie ein kasten, darüber mocht man einen anderen dinnen stein decken, damit die vögel und andre gschwinden thier dem brůder inn seinem abwesen die speiß nit mochten hinwegnemen. Dann also was die ordnung, so man den brůder bey dem stein nicht fand, legt der das essen darein, so es dar bracht, ritt demnach widerumb sein straß. Geschahe auch offtermals, das er das essen auff zwen tag zůsammenkommen ließ; so dann, der das essen dar bracht, das alt noch in dem stein fand, nam er dasselbig herauß und stalt das frisch hinein. Solichs geschah allein darumb, das man den brůder an seiner andacht unnd gebett nit verhinderen solt.

Reichart sampt dem jüngling gingen zů dem stein. Lewfrid aber hat auch sein kappen angethon, damit, so ein anderer dann der bůb kem, er nit erkant wird. Sie aber sind nit lang bey gemeltem stein gesessen, do ist der knab mit der speiß kommen. Reichart hatt in seiner gewonheyt nach freundtlich empfangen unnd gefragt, was für new geschrey zů hoff sey. ›Ich hab,‹ sagt der bůb, ›fast gůte bottschafft gehört. Dann ungefohrlich in vier tagen sind meinem herren brieff kommen von dem theuren jüngling Lewfrid, der soll yetz zů Lysabona sein an des künigs hoff. Dann sein geschworner brůder Walter hat mir das alles selb gesagt.‹

›Ach,‹ sagt Reichart, ›mein lieber son, dir habs gesagt,[387] wer da wöll, so sag ich dir für ein gantze warheyt, das er zů Lißbona nit ist, weißt auch kein mensch in Lißbona, war er kommen sey. Des bin ich satt bericht; dann sobald Walter und der bott von Lißbona hinweggeritten sind, ist Lewfrid an dem hoff verloren worden.‹ – ›Ach das erbarm got,‹ sagt der knab, ›so sorg ich, das er durch heimliche practick, so mein herr auff ihn gemacht, villeicht gefangen oder aber gar zů grundt gangen.‹ Fing damit kleglichen an zů weinen.

Als nun Reichart unnd Lewfrid sein getrew hertz gespürt, hatt der brůder angefangen unnd gesagt: ›Die warheyt, lieber son, hab ich dir gentzlichen gesagt. Das im auch also sey, so nim war, hie ist Lewfrid!‹ Damit zog er im die kappen von seinem haupt. Der jung vor freuden nit mehr auff dem pferdt bleiben mocht, erbeisset von stund an zů der erden, empfing Lewfriden mit grossen freuden unnd sagt: ›O Lewfrid, solt mein gnedige junckfrauwe jetzund wissen dich so nahend sein, ich glaub, sie von grossen freuden in ein kranckheyt fallen wird; dann ihr verlangen nach dir ist nit außzůsprechen. Aber sich hatt ihr kummer, so sie gehabt, zům theil in trost verwendet. Dann sobald dein brůder Walther für mein gnedigen herren kommen und mein herr dein brieff verlesen, hatt er denselbigen in dem fůßstapffen mit Walthern, deinem brůder, seiner tochter zůgeschickt, damit sie on allen argwon glaub dich noch in leben sein. Es hat auch Walter mein gnedige junckfraw aller sach bericht, wie ich euch beidsamen bey nechtlicher weil vor dem mörderischen verrähter gewarnet habe, deß mir dann mein junckfraw von der stund an vil gůts bewisen hatt. So ist auch auff den heütigen tag alles hoffgesind in ser grossen freuden; das gantz frawenzimmer ist jetzund in grossem jubilieren, dieweil sie dich wissen noch frisch und gesundt sein. Dann wir alle in gemeiner schar habend von deinentwegen grossen kummer unnd leyd gehabt; jetzund aber wissend sie allsamen dein wolfart.‹

Diser red frewt sich Lewfrid gar fast, gab auch erst dem schreiben, so im von dem graven zůkommen, gentzlich gelauben; jedoch beharret er auff seinem fürhaben, nit eh am hoff zů wonen, er het dann zůvor dem künig etliche zeit an seinem hoff gedienet. Er bat den knaben mit allem fleiß, er solte[388] ihn weder gegen Waltern noch keinem anderen menschen vermelden, damit seinem fürnemen desto stattlicher möchte nachkommen. Das versprach im der bůb, und nachdem es in zeit bedaucht, saß er wider auff sein pferdt, reit gohn hoff; dann es war eben umb die zeit, das man zů hoff zů dem tisch leuten solt, wie dann brauch ist.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 386-389.
Lizenz:
Kategorien: