8.

Von brüderlicher treüw.

[15] Zů Bern haben gewont zwen gůt freünd mit nammen Mathias Apiarius der ein und Hans Ypocras der ander. Der Ypocras was dem Apiario schuldig etwas gelt. Nun auff ein zeit schickt der Apiarius sein fraw zum Ypocras, von im gelt ze forderen. Der Ypocras gibt ir die antwort: ›Euwer mann ist mir auch schuldig.‹ Sy spricht: ›Was ist er dir schuldig?‹ Dann sy hat gůt wüssen, daß es alles verrechnet was und irem mann bey der rechnung schuldig was bliben. Antwortet der schuldner: ›Er weißts wol.‹

Also schied das weib zornigklich von im und klagets irem mann. Welcher, sobald er das hort, gieng in einem zorn eylentz selbs zů im und spricht: ›Wie darffst dus reden, daß ich dir schuldig sye?‹ Antwortet der Ypocras: ›Du bist mir schuldig.‹ Yener herwider: ›Du sparst die warheit; ich bin dir nichts schuldig.‹ Und triben solche zanckwort so lang, biß daß der Apiarius gar in zorn bewegt ward, daß der schuldner besorgt, es möcht zů streichen geradten; spricht mit lachendem[15] mund: ›Du bist mir brüderliche lieb unnd treüw schuldig.‹ Von deß wegen der Apiarius, wiewol er seer erzürnt war, ward lachen, und vertrůgen sich zeletst gütigklich.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 15-16.
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