9.

Von zweyen bauren, die einem apt schuldig waren.

[16] Auff ein zeit waren zwen bauren einem apt schuldig etlich versessen zinß und wurden zů radt, den apt umb lenger zyl ze bitten. Kommen fürs closter und wurden von dem portner eyngelassen; es was aber umb essenszeit. Die zwen eylten der conventstuben zů, vermeinten, den apt alda ze finden. Der apt saß mit seinen edlen ze tisch unnd seine diener an einem besonderen tisch. Nun wie die zwen bauren die thür aufthaten und den apt also ze tisch sitzen sehen, erschrickt der ein baur, tritt hinder sich und gadt hinweg. Der ander aber gadt freflich hineyn und trang zwischen die diener hinein zum tisch und aß, als hett er zinß bracht. Der apt, sobald er das erblickt, spricht er zů einem edlen, der neben im saß: ›Da sitzet ein schamper baur. Wie hat er sich hineyngeflickt zum tisch! Er ist mir nichts mer schuldig.‹ Welchs faßt der baur in sein or und macht sich, nachdem er gessen hat, wider heim.

Als er aber nachmals wider von dem apt angesůcht ward umb die schuld, spricht der baur zum apt: ›Gnediger herr, es ist euwer gnaden wol kundt, daß ich euch nichts mer schuldig bin. Dann ir zum neheren mal im essen sprachen zum edelmann, der neben euch saß: Der baur ist mir nichts mer schuldig.‹ Und der apt ließ es auch also berůwen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 16.
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