46.

Ein voller pfaff wolt zů einem künigreich gon, falt in ein wolffsgrůben, als er vermeint, ein enten zů fahen.

[59] Es ligt ein dorff in Luttringen; darinn wonet ein doller ungeschickter pfaff, wie man dann derselbigen nit wenig in Lottringen findet. Er hatt sein brauch an im, das er von einem dorff zům andern lüff; wo er ein gůt mal wußt, da lůgt er, das im sein teil auch darvon ward. Hab auch von glaubwirdigen lüten gehört, das er zům oftermal an einem tag an zweyen orten meß gelesen hab, als in seiner pfarr, und demnach in ein ander dorff geloffen, da er ein gůt mal gewißt hatt, auch meß gelesen.

Es begab sich an einem heiligen drykünigabent, das er von Wych in ein ander dorff lauffen wolt und mit den bauren künig machen; er hatt aber sich zů Wych ettwas lang gesaumpt,[59] dann er mit seinen bauren vor künig gemacht hat; derhalben ward es ettwas spat. Nun hatten die bauren in dem dorff, in wöllichs er gon wolt, erst am selbigen tag ein tieffe wolffsgrůben nit weit vom dorff auffgeworffen, und, wie man pflegt zů thůn, in mitte der grůben hatten sy ein höwstangen auffgericht und ein endt in einem korb darauff gebunden, damit, wann die wölff oder füchs die endt horten, das sy dem geschrey zůlouffen solten und in die grůben fallen. Als nun der gůt herr nahend zům dorff kumpt, so hört er die endt im feld etwas vom dorff schreyen. Er dacht in im selbs: ›Dise endt ist uz dem dorff kummen; es möcht sy ein fuchs ankummen und fressen. Weger ist, ich fahe und erwürg sy, so mag ich sy behalten an einem heimlichen end; wann ich dann nack dem nachtessen heim gang, so trag ich sy mit, so hab ich morgen zů nacht auch einen gůten braten.‹ In solchen gedancken kam der pfaff als je neher zů der enten, und so neher er zů ir kam, so mer und fester sy schreyen ward. Nun was die grůb allenthalben mit kleinem gereyß und strow überdecket, das der gůt pfaff nichts anders meinet, dann es wer ein ebner boden, eylet bald auf die schreyend endt, damit sy im nit entlauffen möcht. In solchem eylenden lauff falt er gar ungestümlich in die wolffsgrůben. Die endt aber je mer anhůb zů schreyen; das erhort auch ein hungriger wolff, loufft dem endtengeschrey zů und falt auch zů dem pfaffen in die grůben. Der wolff, als er vernam, das er gefangen was, hatt er sich gantz züchtiklichen in der grůben gehalten und dem pfaffen kein leid begeren zů thůn. Dem pfaffen aber was gar angst by dem wolff in der grůben unnd hatt sich allen augenblick seines lebens verwegen. Es stůnd nit gar ein stund, do kam ein fuchs, der meint auch, ein gůten bissen zů erlangen; dem gieng es gleich wie den vorigen zweien. Der fuchs aber, sobald er in die grůben kam, fieng er an den pfaffen zů stupfen und zů rupfen an seinem rock. Darvon dem pfaffen ein grosse angst ankam; dann er wußt seines lebens unnd sterbens kein mittel. Nun was er so nach bey dem dorff, wann die bauren anhůben zů schreien: ›Der künig drinckt!‹, das macht erst den gůten domine so gar unlustig;[60] dann er was gewont zů sein, wo man schlempt und dempt, unnd nit über nacht in der wolffsgrůben zů ligen.

Als nun deß morgens die bauren lůgen wolten, was sy die nacht gefangen hetten, kamend sy mit seilern unnd leitern, spiessen und kolben zů der grůben, funden also den pfaffen, wolff und fuchs bey einandern, deß sy sich dann gar größlichen verwundren thetten. Der pfaff bat sy gar früntlich, sy wolten ires fragens abston und zům fordristen trachten, wie sy in auß der grossen angst und not brechten; alsdann wolte er inn alle ding nach der leng erzelen. Sie liessen im ein seil in die grůben, der pfaff band sich selbs daran; also zugen sy in herauff. Der pfaff bat die bauren durch aller heiligen willen, sy solten den wolff seines lebens verschonen, den fuchs aber solten sy umbbringen; darumb so wolt er inn einen schnaphanen schencken. Die bauren fragten die ursach an dem pfaffen, warumb er doch dem wolff sein leben also erkauffen wolt, so doch kein thier in der gantzen welt wer, dem all welt so find weer als einem wolf. Der pfaff sagt: ›O lieben fründ, der gůt frumb wolf ist die gantz nacht so züchtig und still bey mir in der grůben gesessen und hatt mir gar kein leidt begert zůzůfügen. Aber der schantlich lasterlich fuchs, sobald er in die grůben kam, fieng er an, nach mir zů springen, meinen rock zerreissen, unnd hatt mich gantz angsthaft gemacht; darumb beger ich im sein leben nit zů fristen.‹

Die bauren namen den schnaphanen von dem pfaffen, schlůgen aber nüt desterweniger den wolff und den fuchs zů todt. Ich glaub auch, solten sy gewißt haben, daß der pfaff der meinung gwesen wer, die endten zů stelen, sy hetten in auch zů todt geschlagen als wol als den wolff und fuchs.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 59-61.
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