56.

Wie zwen dieb einem pfaffen das podegram vertriben.

[77] Zwen dieb hatten lange zeit inn gemein mit einander[77] gestolen unnd allweg tugentlich, waß sy überkamen, mit einander getheilt. Auff ein zeit kamen sy in ein kleines stettlin, konten darin irer gattung nicht bekummen. Zůletst wurden sy zů radt, giengen hinauß auff ein groß dorff, bewurben sich umb ir kauffmanschatz, damit sy sich mit ehren auß möchten bringen. Sy erkunten sich so wol, das der ein einen hauffen nüß auff einer hurden ersehen, zů denen er nachts wol kummen mocht. Der ander fand einen schaffstall im dorff, darinn waren vil gůter feister schaff und hemmel; under denen wolt er einen stelen; des morgens wolten sy nüß und hammel in dem stettlin verkauffen. Sy wußten aber kein sicher ort im dorff, dahin sy iren kram, so sy nächtlicher weylen überkamen, tragen möchten. Zům letsten besanen sy sich an den gerner oder beinhauß; daselbst solt der, so am ersten sein diebstal überkam, des andern warten.

Nun waß ein seer reicher pfaff im dorff, der lag gar hartt an dem podegram unnd hat zwen starcker junger knecht, die seiner warten můßten und in hin und wider heben und tragen. Es begab sich, als es gantz finster worden waß, das die zwen dieb yeder nach seiner wahr gieng. Der mit den nüssen was mit ersten fertig, trůg einen grossen sack voll auff die todtenbein. Der ander aber, weiß nicht, was in verhindert, kondt nit zů genist kommen. Sein gesell aber, damit im die zeyt vergieng, saß auff den todtenbeinen und aß nüß, warff die schalen hin und wider im gerner.

Nun begab es sich, das dem pfaffen in der nacht das liecht außlöschet. Er wardt zornig über seine knecht; dann sie waren beidsam entschlaffen, hatten die ampel nicht geschieret. Als sy aber kein liecht schlagen kundten, sagt der pfaff zů dem einen, er solt ins beinhauß gon und ein liecht auffzünden. Der gůt gesell was geschwindt auff den füssen, lieff dem beinhauß zů, und als er jetzund die stiegen hinnabkumpt, so hört er den dieb nüß krachen und die schalen hin unnd wider werffen, davon im ein grosser schrecken zůstundt. Er lieff eylens wider zů hauß on ein liecht. Der pfaff ward zornig; als aber der knecht die ursach anzeyget, schickt er die beyden knecht mitt einander. Als sie aber auch nahendt[78] hinzůkamen, hörten sy beid den dieb auff den beinen. Sie lieffen behends widerumb zů hauß.

Als sy aber kein liecht brachten, ward der pfaff über die maß zornig und befalh seinen knechten, gůte weiche küssen auf ein mistberren zů legen unnd in darauff in den gerner zů tragen. Das geschach alles nach seinem befelch; sy kamen zů dem gerner. Der dieb auff den todtenbeinen meint, sein gesell kern mit dem hammel, und schrey von den beinen herab: ›Thů gmach, thů gmach! Ich will dir in helffen heben.‹ Die knecht meinten, es wer der teüffel, liessen den pfaffen fallen und lieffen darvon. Der dieb rumplet über die todtenbein herab und sagt mit lyser stimm, meint, sein gsell wer da und hett den hammel; er fragt: ›Ist er auch feißt?‹ Dem pfaffen ward so angst, das er des podograms vergaß, lief dahin, als wer er unsinnig; der dieb hinach, meint, sein gsell wolt den hammell allein behalten, und schrey hinach: ›Hab ich kein theil daran?‹ – ›Nein,‹ sagt der pfaff, ›du böser geist, dir soll kein theil werden.‹ – ›So solt du auch kein theil an den nussen haben.‹ – Der pfaff sagt: ›O ich will mich gern aller nussen in ewigkeit entzihen.‹ Deß morgens schickt er nach allen bauren und gab hin all die nussen wider, so im zů zehenden worden waren, und vergieng im also sein podogram.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 77-79.
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