63.

Von einem laut schreyenden münch auff der kantzlen und einem alten weib.

[84] Zů Poppenried wonet ein münch, der dieselbig pfarr solt versehen. Er hatt ein überauß grobe stimm; wann er auff der kantzlen stůnd, wer in vormals nit gehört hatt, der meinet,[84] er wer von sinnen kummen gewesen. Eines tags hatt er aber ein semlichs jämmerlich geschrey; da was ein gůte alte wittfraw in der kirchen, die schlůg beide hend hart zůsammen und weinet gar bitterlichen; deß nam der münch gar eben war.

Als nun die predig außgieng, der münch zů der frauwen sprach, was sy zů semlicher andacht bewegt hett. ›O lieber herr,‹ sagt sy, ›mein lieber haußwürt selig, als er auß diser zeyt scheiden wolt, wußt er wol, das ich mit seinen fründen sein verlassen hab und gůt theilen můßt; darumb begabt er mich vorauß mit einem hüpschen jungen esel. Nun stůnd es nit seer lang nach meines manns seligen todt, der esel starb mir auch. Als ir nun heüt murgen also mit einer grossen und starcken stimm auff der kantzlen anfiengen zů schreyen, gemaneten ir mich an meinen lieben esel; der hatt gleich ein semliche stimm gehabt wie ir.‹

Der münch, so sich einer gar gůten schencken bey dem alten müterlin versehen hatt, darby eines grossen růms von ir gewertig was, fand ein gar verachtliche antwurt, also das sy in einem esel verglychen thet. Also geschicht noch gemeinlich allen rhůmgirigen; wann sy vermeinen, grossen rhům zů erlangen, kummend sy ettwann zů allergrössistem spott.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 84-85.
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