93.

Ein Schwab fragt, was reinfal fur ein tranck wer.

[121] Ein gut einfaltig mann aus dem land zu Schwaben zog in dem jubeljar gen Rom mit andren seinen lantzleuten, wolten da gros gnad unnd ablas erlangen und erholen. Als sie nun in Italien kamen, hat man in die guten siessen welschen wein fürgetragen, die sie mit grossem lust und begirden getruncken haben. Eins tags trug sichs zu, das sie bey einem teutschen wirdt, deren es dann auff der strassen in Italien vil hatt, einkerten. Derselbig was ein sunder grosser speyvogel, sahe wol, das den Schwaben der trunck wol schmackt und anmütig was, trůg in derhalben den besten auff, so er im keller hat.

Als in nun der anfieng ins haupt zu riechen, ward ye einer den andern fragen, was doch dis für ein tranck were. Der ein sagt dis, der ander das. Zuletst rufften sie dem wirdt harzu, fragten in, was doch das für ein tranck wer, ob es auch an reben wüchs, oder ob man das machet wie die andren trenck, als bier, alet und lautertranck. Als der wirdt ir einfaltigs fragen vernam, sagt er: ›Mein lieben bilger, ich wils euch nit verhalten; es ist kein gemachtes tranck, sunder kumpt also vom himmel herabfliessen. Wann die lieben heiligen weinen, so gibt es solch siessen treher; die heben wir dann also auff, und wirt ein solchs sies tranck daraus.‹ Alsbald fieng ein einfaltiger Schwab an inniklichen zu weinen und sagt: ›Ach ir lieben heiligen, was thund wir Schwaben euch zu leid, das ir nit auch über das Schwabenland euwer treher auch ausgiessen!‹ Dis musten die andern alle lachen, das der gut einfaltig mensch dem wirdt seiner worten so bald geglaubt hatt, wiewol sie selb auch noch für kein eygenschafft wusten, was für ein tranck dis gewesen was.

Aber es ist gemeinlich in aller welt der brauch, welcher einfältig, frum, schlecht unnd gerecht ist, da hilft yederman[121] zu, damit er noch mer gefatzt und umbgetriben wirt. Das nim ich bey mir selbs ab; dann ich meiner einfalt halben auch oft mus gefatzt sein.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 121-122.
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