[274] Gardiner. Die Vorigen.
GARDINER.
Ich komme nicht Prinzessin, deine Wunden
Noch durch Verweise tiefer, aufzureissen.
Du strebtest lüstern nach versagten Höhen:
Dein Fall ist deine Strafe! – Doch Maria,
Nach deren Krone du die kühne Hand
Verräthrisch ausgestreckt. Sie, welcher die Geburt
Ein unverletzlich Recht zum Zepter gab,
Will jetzt durch Proben ihrer Grossmuth zeigen,
Dass eine königliche Seele
Das reinste Blut von Yorks und Lankasters[274]
Vereintem Stamm in ihrer Brust belebt.
Sie will durch ihre Tugenden allein
Sich würdiger als du des Trones zeigen.
Sie giebt dein Leben, Lady, deine Freyheit,
Dein Glück und Ihre Huld in deine Macht.
Du strebtest frevelhaft nach ihrem Throne;
Sie schenkt dir mehr als einen Thron, – das Leben!
JOHANNA.
Ihr würdet, Mylord, diese hohe Sprache
Nicht mit mir reden, wenn des Glückes Gunst
Mich an Mariens, Sie an meine Stelle
Gesetzet hätte! – Doch ich spreche mich
Von meiner Schuld nicht frey; ich fordre keine Gnade.
Brittanniens Gesetz verdammet mich.
Hier bin ich! willig, seine Heiligkeit
Mit meinem Blute zu versöhnen!
Mir ist genug, dass über uns im Himmel
Ein Richter ist, der mich nach meinem Herzen richtet!
SUFFOLK.
Ach! Meine Tochter! Dieser edle Stolz
Der sich bewussten Tugend ist zwar schön,[275]
Ist deiner werth – allein, bedenke, dass die Rede
Von deinem Leben ist – ach! Denk an deine Mutter,
– An Guilford, – denk an deinen alten Vater!
Komm, folge, wirf mit uns dick zu den Füssen
Der Königin –
GARDINER.
Sie will den Anfang ihrer Herrschaft
Mit Wohlthun machen. Deine zarte Jugend,
Prinzessin, deine Schönheit, die Verdienste,
Die ein gerechter allgemeiner Ruhm
An dir bewundert, schmelzen ihre Seele
Zu sanftem Mitleid. Auch in deinen Adern
Fliesst Ihr verwandtes, königliches Blut.
Die Königin, die itzo dir vergiebt,
Hofft ihrer Liebe dich einst werth zu finden.
Dein frühes Alter war zu unerfahren,
Northumberlands Entwürfe durchzuschauen,
Du wardst getäuschet, Lady! Dein Vergehen
Verdient Verzeihung! Diese edle Unschuld,
Die dein Gesicht umlächelt, spricht für dich!
Maria will sich nur durch Grossmuth rächen.
Lass keinen missverstandnen Stolz die Wirkung
Der königlichen Gnade dir entziehen.[276]
Die Fürstin will nicht, dass du für dein Leben
Ihr danken sollst! grossmüthig stellt sie es
In deine eigne Macht.
GUILFORD.
O lies in meinen Augen,
Johanna, was in diesem Augenblicke
Mein Herz dir sagt! – Ich finde keine Worte –
JOHANNA.
Wie kann mein Leben, Mylord, wie ihr sprecht,
In meiner Willkühr stehn? – Ich fasse noch
Den Sinn der räthselhaften Worte nicht.
GARDINER.
So höre dann. Die erste grosse Sorge
Der frommen Königin, seit Edwards Tod
Sie auf den väterlichen Thron erhoben,
Ist, ihr verirrtes, ihr betrognes Volk
Dem mütterlichen Schooss der alten Kirche
Zurück zu geben. Sie erkennt anbetend
Den Finger Gottes in der plötzlichen Verändrung
Des Zustands unsers Reichs. – Der junge Fürst,
Der als ein Säugling mit der Muttermilch
Des Irrthums tödtlich Gift schon eingesogen,[277]
Den Cranmers täuschende Beredtsamkeit
Und graues Ansehn und verstellte Heiligkeit –
LADY JOHANNA für sich.
O Gott! Gieb mir Geduld! – Was muss mein Ohr erdulden!
GARDINER fortfahrend.
Noch tiefer in den Labyrinth verstrickte,
Der in den Abgrund führt – ach! Dieser Edward,
Hat, einem Raubthier gleich, die Kirche Gottes
Durchwählt, beraubt, zerstört. Die stillen Wohnungen
Der Gottgeweihten, die der Welt entsagen,
Sind eingestürzt, die Priester ausgetrieben,
Die milden Stiftungen aus frömmern Zeiten,
Ein Raub der schnöden Üppigkeit des Höflings.
O Schand'! O Greuel! Ketzerische Füsse
Entweihen ungescheut die Heiligkeit des Altars!
Der Ketzerey, der frechen Lästrung Stimme
Hallt ungestraft in unsern Tempeln wieder,
Und täuscht das leichtbetrogne Volk! – So tief,
So tief war Albion, so nah zur Hölle
Hinab gesunken: als die Hand des Gottes,
Der seine Kirch' auf einen Felsen gründete,[278]
Den auch der Hölle Wüthen nicht erschüttert,
Durch einen schnellen unverhoften Schlag
Den Feind des Glaubens plötzlich weggerafft!
Maria herrscht! Die Gottesfurcht bestieg
Mit ihr den Thron. Ein heilger Eifer flammt
In ihrer frommen Brust, von allen Greueln
Diess, Land zu säubern, und die Last des Fluches
Von ihrem armen Volke abzuwälzen.
Sind sanft're Heilungsmittel ohne Frucht,
So mag Brittannien durchs Feu'r gereinigt werden!
Die Häresie, die schon ihr Schlangenhaupt dem Himmel
Entgegen thürmt, muss ausgerottet seyn!
Marien grau't, auf einem Thron zu sitzen,
Den noch der Bannstral schwärzt, in einem Reich zu herrschen,
Das mit dem Himmel noch nicht ausgesöhnt ist.
Sie eilt, den racheschwangern Blitzen
Des Donnergottes noch zuvor zu kommen!
Doch soll die Sanftrauth alle ihre Künste
Zuerst versuchen, eh der Eifer sich
Mit Strenge waffnet. Den Verführern nur
Dräut sein gezücktes Schwert. Doch die Verführten,
Die ihre Einfallt oder ihr Geschlecht
Und zartes Alter schützt, soll Reu und Wiederkehr[279]
Mit Gott und mit der Kirche auszusöhnen
Genugsam seyn! – Du hast es nun gehört,
Prinzessin, was von dir erwartet wird!
Dein Beyspiel ist es, – welches Tausende
Verirrter nach sich ziehen, und mit dir
Zugleich erretten wird! Dein Beyspiel fordert
Die Königin, und deine Wiederkehr
Die Kirche! Schau, sie streckt voll Zärtlichkeit
Die Arme nach dir aus, sie öffnet lockend
Dir ihren mütterlichen Busen! Schau, ich selbst
Ernied're mich, Verweis' und Dräuungen
In Bitten zu verwandeln! – Mitleid,
Und ungewohnte Regungen erweichen
Mein Herz für dich! – Bedenke dich, Prinzessin!
Dein Heil, dein Leben schwebt auf deinen Lippen!
JOHANNA.
Und denkt ihr, Mylord, dass des Todes Anblick
So schrecklich sey? –
GARDINER.
Mich dünkt, Prinzessin,
Wem zwischen Leben oder Tod die Wahl
Gelassen ist, der sollte wenig Zeit
Sich zu entschliessen brauchen.[280]
JOHANNA.
Meine Wahl
Ist schon getroffen! – Dank in meinem Namen
Der Königin für eine Huld, die mir
Zu theuer angeboten wird – Das Leben,
Wornach ich dürste, kann der Tod nur geben.
– Ich sollte Gott, ich sollte Dich verläugnen,
Dich, mein Erlöser! Und dein Evangelium,
Die Wahrheit, die du selbst mit deinem Blut versiegelt!
Dir, und der heiligen Gemeine
Der Auserwählten, die in frommer Demuth
Dir folgen – sollt ich untreu werden?
O Schande! – Und warum? Ein Leben zu verlängern,
Worin ich fern von deinem Anblick schmachte?
Verschonet meiner, Mylord! – Treibet nicht
Die müdgemarterte Geduld zum Murren!
Verschont mein Ohr, Versuchungen zu hören,
Wovon der blosse Schall mir Greuel ist!
GARDINER.
Was hör ich? Wie? Ist das die Dankbarkeit,
Womit das Übermass der königlichen Grossmuth
Empfangen wird? Ist das die Antwort, Lady,[281]
Die ich der Königin von deinen stolzen Lippen
Zurücke bringen soll? –
JOHANNA.
Auf euern Antrag
Ist keine andre möglich! – Saget mir,
Mein liebster Vater, sage mir, mein Guilford,
Ist eine andre möglich? –
GUILFORD.
Ach Johanna!
Wie sehnlich wünscht' ich –
JOHANNA.
Still! Mein Guilford! Lass mich
Nichts weiter hören! – Mylord! Mein Entschluss
Befremdet euch? – Ihr kennt mein Herz nicht! Nie,
Nie fühlt ich nur das mindeste Verlangen
Nach Macht und Purpur! Edwards Tod
Erweckt' in mir nur brennende Begierden
Ihm nachzufolgen, und bey dem zu seyn,
Den meine Seele liebt! – Der Himmel weiss,
Was wider meine Neigung, die sich stets
Dagegen sträubte, mich bewogen hat[282]
Den Schritt zu thun, der durch die weise Leitung
Der Vorsicht, nun zum Ziele meiner Hoffnung
Mich bringen wird! – Ich wollte das vollenden,
Was Edward angefangen. Doch der Schluss
Des unerforschten Schicksals hält den Fortgang
Des grossen Werks noch auf. Maria herrscht!
Der Aberglaube sitzt an ihrer Seite,
Ihr sanftres Herz mit fremder Grausamkeit,
Und einem Eifer, der den Gott der Liebe
Mit Menschenblut versöhnen will, zu füllen.
Was soll mir nun das Leben? Soll ich mich
Durch Übelthaten zu dem bangen Anblick
Der schreckenvollen Scenen aufbehalten,
Die eu're heilge Wuth mir angekündigt?
O Nein! gesegnet sey der Tod! der Führer
In eine besre Welt! Gesegnet sey
Der Mund, der ihn mir angekündigt hat!
GARDINER.
Du triumfierst, zu früh, Verkehrte! Wenn dich ja
Die Lust zu sterben so ergriffen hat,
So stirb! Doch wisse! Deines alten Vaters
Und Guilfords Leben sind an dein's gebunden!
Dein Tod ist ihrer! – Sieh! Ich biete dir noch einmahl[283]
Den Schooss der Kirche und dein Leben an!
Sprich nein, so sprichst du dir und deinem Vater
Und deinem Bräutigam das Todesurtheil!
Bedenke dich!
Er geht ab.
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