Eilfter Auftritt.

[78] Kamilla, die Vorigen.


KAMILLA. Die Gräfin Klementina bezeigt ein Verlangen, den Herrn Grandison zu sprechen. Sie ist einige Stunden lang sehr trübsinnig gewesen. Ihr Herz schien beklemmt, sie gab keine Acht auf meine Fragen; aber ihre Gesichtszüge verriethen, daß ihre Seele in einer grossen Bewegung war. Sie schloss sich endlich in ihr Kabinet ein. Ich hörte sie seufzen. Ich näherte mich unbemerkt, und sah durch die Thür, dass sie auf ihren Knieen lag, und ihr Gesicht zwischen ihren ausgebreiteten Armen auf einen Lehnstuhl verbarg. Endlich hob sie die Augen auf, sah einige Minuten unbeweglich gen Himmel, und schien zu lauschen, als ob sie eine Stimme hörte. Hernach stand sie auf, kam mit einer feierlichen Heiterkeit in ihrem Gesichts[78] heraus, und befahl mir, den Chevalier zu suchen. Ich sagte ihr, dass er bey ihrem Bruder, dem Baron, sey. So will ich selbst zu ihm gehen, war ihre Antwort. Ich eilte ihr also zuvor, zu sehen, ob Herr Grandison noch hier sey.

DIE MARKGRÄFIN. Sie erwartet ohne Zweifel, den Chevalier bey ihrem Bruder allein zu finden. Wir wollen uns entfernen.

PATER MARESKOTTI. Mir ahnet etwas von dem, was sie mit ihm sprechen will. Vielleicht bedient sich die Gnade dieses Mittels – O Chevalier, der Himmel sendet einen Engel zu Ihnen!


Die Markgräfin, Pater Mareskotti, der Bischof und Kamilla gehen ab.


Quelle:
Christoph Martin Wieland: Sämmtliche Werke. Supplemente Band 5, Leipzig 1798, S. 78-79.
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Klementina von Porretta
C. M. Wielands sämtliche Werke: Supplement, Band V. Klementina von Porretta; Pandora; Die Bunkliade; Auszüge aus Jakob Forsters Reise um die Welt