3.
Lais an Aristipp.

[7] Kleonidas hat dir das Neueste aus Milet bereits zu wissen gethan. Eine freundliche Persische Perise5 (damit du doch[7] siehest, daß ich durch meinen neuen Anbeter schon ein wenig gelehrter geworden bin) hat mir einen Liebhaber bis vom Euphrates her zugeschickt; und welch einen Liebhaber! schön wie ein Medier, liebenswürdig wie ein Grieche, und beinahe so reich wie Midas und Crösus! Denn was wir armen Griechen tausend Drachmen nennen, ist ihm eine Hand voll Obolen; und wie ich nöthig fand, seiner übermäßigen Freigebigkeit mit aller Strenge einer Gebieterin Einhalt zu thun, verwunderte sich der hoffärtige Mensch, daß ich solche Kleinigkeiten meiner Aufmerksamkeit würdigen möge. Wirklich scheint er eines so großen Maßstabs gewohnt zu seyn, daß er Geschenke, die einer Königin dargebracht werden dürften, für Kleinigkeiten ansieht, und sich daher ihrentwegen weder zu der mindesten Freiheit, noch zu Erwartung einer größern Gefälligkeit von meiner Seite, berechtigt glaubt. Das sticht nun freilich von der ökonomischen Manier der Söhne Deukalions6, mit ihren Geliebten bei Drachmen und Obolen abzurechnen, gewaltig ab, und thut dem edeln Achämeniden7, wie du leicht erachten kannst, keinen Schaden bei mir. – Kurz, lieber Aristipp, dieser Arasambes ist ein sehr gutherziger und umgänglicher Barbar8, und es ahnet mir zuweilen, ich werde noch in starke Versuchungen kommen, zu vergessen, daß ich eine Griechin bin, und die Entführung der schönen Helena an allen Asiaten zu rächen habe. Die einzige morgenländische Unart, die ihm ankleben mag, scheint ein ziemlicher Ansatz zur Eifersucht zu seyn, und dieß wäre auch das einzige, das mich zurückschrecken könnte. Wenn er nicht so viel Zutrauen zu mir fassen kann, sich auf mein Wort ohne Riegel und Hüter[8] sicher zu glauben, so brech' ich ab, lass' ihm alle seine Geschenke wieder zustellen, und fahre mit dem ersten guten Winde nach Korinth zurück.

Mein Plan mit Musarion und Kleonidas ist zu seiner Reife gediehen; sie ist seiner Werth; und wiewohl er bisher (wenn wahre Liebe sich verhehlen ließe) ihr selbst und der ganzen Welt ein Geheimniß aus dem wahren Namen seiner zärtlichen Freundschaft zu ihr gemacht hat, so bin ich doch völlig gewiß, daß ich durch das Band, das ich zwischen ihnen zu knüpfen im Begriff bin, den feurigsten seiner Wünsche befriedige.

Du, mein weiser Freund, liegst noch immer zu Samos den meteorischen Dingen9 mit so großem Eifer ob, daß ich Bedenken tragen sollte, dich mit den Puppenspielen, die uns Kindern der Erde so wichtig scheinen, in deinen erhabenen Anschauungen zu stören. Wie hoch du dich aber auch immer, selbst über die Jupitersburg und das luftige Wolkenkuckucksheim deines Freundes Aristophanes erheben magst, so denke ich doch meine Ansprüche an deine Freundschaft so leicht nicht aufzugeben, und schmeichle mir hinwieder, daß alle Pythagorischen Zahlen, Cirkel und Dreiecke nicht vermögend seyn sollen, deine Anadyomene immer aus deiner Erinnerung zu verdrängen.

Quelle:
Christoph Martin Wieland: Sämmtliche Werke. Band 23, Leipzig 1839, S. 7-9.
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