[74] Het huis in Busch.

[74] Das Haus im Busch ist ein oranisches Luftschloß im Haager Gehölz, es hat zwei einstöckige Flügel und ein breitgetrepptes Mittelgebäude, dessen Kuppel einen Schatz bedeckt, welcher diese einfache, aber reizende Sommerwohnung kostbarer macht, als hundert Marmorpaläste und glänzende Prachtgebäude.

Bei meinem ersten Besuch führte mich die Frau des Castellans nebst ihrer Tochter in den eleganten Zimmern umher. Da mußte ich denn hören, welcher Gouverneur von Batavia die Tapeten des japanischen Zimmers dem höchstseligen Statthalter zum Geschenk gemacht, in welchem Zimmer »unser geliebter König, Se. Majestät Wilhelm I., dem Gott langes Leben schenken möge u.s.w.,« das Licht dieser Welt erblickt – wenn ich nicht irre, war es dasselbe Zimmer, das späterhin dem Rathspensionarius Schimmelpennink und darauf dem König[75] Ludwig zum Schlafgemach diente, als sie nach einander auf kurze Zeit dieses Haus bezogen. »Schimmelpennink,« sagte sie, »war ein großmächtiger Herr und seine Frau eine prächtige Frau, und seine Lakaien hatten rothe Röcke an mit goldnen Borden und Quasten, und wenn er in seiner Glaskutsche nach dem Haag fuhr, so kam die ganze Stadt auf die Beine. Aber der arme König Louis,« fügte sie hinzu, »sah sehr zärtlich aus, er war lahm an der einen Seite und hatte immer Leibschmerzen.« Jawohl, der arme, arme König Louis, dachte ich. Also in diesem Zimmer hatte ihm zuerst geträumt, daß er König von Holland wäre; wie bald ist er in seinem großen Palast von Amsterdam aus diesem Traum erwacht. Was dieser Mann in der kurzen Zeit für Holland gethan und beabsichtigt, hatte ich gerade in jener Zeit aus seiner eigenen Denkschrift erfahren, worin er die Geschichte seines kurzen Königthums erzählt und die Beweisstücke seiner Verwaltung vollständig beiliefert, so daß ich die klarste Einsicht von jener Zeit gewann, die sich auf jedem Blatt, möchte ich sagen, mit der Rührung über sein häusliches und öffentliches Schicksal vermischte. Was mich aber am meisten rührte, war die Hoffnung, der er sich einige Zeit lang nach dem Sturze seines Bruders hingab, durch die freie Stimme dankbarer Holländer[76] zum zweiten Mal auf einen Thron zurückberufen zu werden, welchen er das erste Mal zwangsweise bestiegen hatte. Armer König Louis. Glaubtest du denn, daß selbst ein Bernadotte Schwedenkönig geworden, nach dem Fall des großen Mannes, den er undankbar als Feind behandelte. Auch Joachim von Neapel schwebte im selben Wahn, und ward vom Volk zerrissen und gesteinigt, wie du – ich wünsche nicht, daß diese Worte dir zu Ohren kommen – wie du zerrissen und gesteinigt worden wärest, hättest du gegen den Jantje von Amsterdam die Pflichten seiner Dankbarkeit geltend machen wollen. König Louis, hättest du ein Herz gehabt von Stein und Bronze, wie dein Bruder Napoleon, es wäre vielleicht dir und deinem Bruder besser ergangen. Und sprich, wem hast du am Ende genützt, als du deinen Holländern erlaubtest, trotz der Continentalsperre und den Drohungen deines Bruders, Schleichhandel mit englischen Waaren zu treiben, als die Küsten von Holland jede Nacht von Kähnen wimmelten und bewaffnete Schleichhändler mit englischen Ballen über die Dünen jagten? Antwort, du hast einige reiche Mijnheers noch reicher gemacht und indem du dein Land zu einem Canal der englischen Waaren hergabst, vermittels dessen sie durch ganz Europa heimlich sich verbreiteten, hast du dem System deines Bruders den[77] Boden eingeschlagen, das ohne deine Hand vielleicht, ja mehr als vielleicht, die Krämerinsel gestürzt und den dicken Mylord in seinem eigenen Fett erstickt hatte.

Doch genug vom armen König Louis. Sein Bild ist aus allen Herzen und von allen Wänden verschwunden, und am wenigsten wird man es suchen in einem Lustschloß der oranischen Familie, in einem Hause, welches die Kunst gleichsam zu einem Tempel umgeschaffen hat, worin ein Glied dieser Familie seine Apotheose feiert. Die gute Frau riß ein Paar Flügelthüren auf und überraschte mich mit dem Anblick eines hohen, runden, von der Kuppel herab erleuchteten Saales, angefüllt mit tausend Gestalten in Lebensgröße. Eine edle deutsche Frau, Amalie von Solms-Braunfels, wollte durch diesen Saal ihre Trauer um den Tod ihres Gatten verewigen, es war Friedrich Heinrich, der Bruder des Prinzen Moritz und der zweite Sohn Wilhelms, der Statthalter und Generalcapitain von Holland. Sie versammelte neun berühmte Maler ihrer Zeit und diese haben durch den Wetteifer, womit sie sich in die Hände arbeiteten und ihre besten Kräfte beisetzten, Alles, wie es scheint, übertroffen, was man an andern Orten von ihnen sieht. An der Spitze standen drei Schüler von Rubens Jordaans von Antwerpen,[78] van Tülden aus Herzogenbusch und Zoutmann von Haarlem, außer diesen Gerhard Hondhorst von Leyden, Jan Lievensze von Utrecht, Cäsar von Everdingen von Alkmaar, Peter de Grebber, Salomon de Bray und Cornelius Brizé von Haarlem. Das älteste der Gemälde ist vom Jahr 1648, das jüngste von 1652. Das Werk ward also begonnen ein Jahr nach dem Tode Friedrich Heinrichs, welcher den Frieden von Münster, das Ziel seiner Wünsche und seines Strebens, nicht mehr erlebte, und dadurch den Triumph einbüßte, welchen die Anerkennung der sieben Provinzen von Seiten Spaniens und der übrigen europäischen Mächte nicht unverdienterweise auf sein Haupt zurückgestrahlt hätte. Seine Wittwe und die Kunst haben ihn dafür entschädigt. Ueber der Pforte stehen Minerva und Hercules und scheinen sie mit Gewalt öffnen zu wollen, damit der Friede, der in schimmernder Wolke niederfährt, in sein Heiligthum eintreten könne, eine Anspielung, wie man sieht, auf den westphälischen Frieden. Nun erblickt man rings umher den gefeierten Helden in jedem Alter und den mannigfaltigsten Zuständen seines Lebens, seine Geburt, seine Siege, sein Familienleben, sein Ende. Cäsar von Everdingen hat seine Geburt dargestellt. Vater Wilhelm sitzt auf einem mit Goldstoff geschmückten Sessel, hinter seinem Rücken[79] lauert der Tod – Friedrich Heinrich war nur fünf Monate alt, als sein Vater meuchlings erschossen wurde. Götter und Genien umgeben und schützen die Wiege des Knaben. Auf einer andern Tafel sieht man ihn in alterthümlicher Tracht an der Hand der schönen und geistreichen Amalie, daneben eine schlafende Venus, gemalt von Hondhorst. An häuslichen Bezügen ist überall kein Mangel. So sieht man seinen Bruder Moritz, seine Töchter, die Aeltere an der Hand ihres Gatten, Friedrich Wilhelms, Kurfürsten von Brandenburg, besonders häufig seinen Sohn Wilhelm II., wie dessen Gemahlin Maria von England, Beide mit ihren Habichtsnasen, ihren blassen seinen Gesichtern sich so ähnlich, wie ein Lilienblatt dem andern; derselbe frühgestorbene Wilhelm, der mit einem Reitergeschwader Amsterdam überrumpeln wollte, dem aber die Bürgermeister und Schöppen die Thore vor der Nase zuwarfen, über welchen Vorfall ich ein artiges Gedicht in holländischer Sprache gelesen. Auch sieht man seinen Schwiegervater, Karl I. von England, denn der blasse Reiter auf dem Schimmel stellt ohne Zweifel den unglücklichen Karl vor; er ist gemalt von van Tülden. Die allegorischen Figuren, von denen der Saal wimmelt, beziehen sich auf Feste, Hochzeiten, Siege, Belagerungen, und auf die Künste des Friedens,[80] die unter Friedrich Heinrich in ihrer höchsten Blüthe standen, ohne daß man deswegen behaupten könnte, dieser oder irgend ein anderer nassauischer Fürst habe, nach Art der Medizeer in Florenz, dazu sehr förderlich beigetragen, nimmt man, wie billig, unsere Amalie von Solms-Braunfels von der Reihe aus. Jan Lievensze hat fünf Musen geliefert, le beau reste ist, in seiner Manier, von Cäsar von Everdingen. Der Maler aber, dessen Pinsel die drei Cyklopen entwischt sind, konnte mit Rubens wetteifern. Sie stehen vor dem Ambos und schmieden die Rüstung des Helden. Färbung, Licht, Schatten, Ausdruck der arbeitenden Muskeln, der ganze Wurf, wie er gedacht und ausgeführt ist, sind rubenisch. Alexander von Rußland wollte, ich weiß nicht wie viel tausend Gulden dafür geben, obgleich er auf Schmiedearbeit sich wohl nicht so gut verstand, wie sein Vorfahr Peter der Große, der für die Kopeken, die er im Schweiße seines Angesichts einmal schmiedet hatte, sich sm Paar neue Stiefeln kaufte.

Den Culminationspunkt aller dieser Wandtafeln bildet die große Wand, mit welcher die Gemälde zur linken in Verbindung stehen. Diese machen den Beginn, oder eigentlich die Schleppe des Triumphzuges, welcher auf jener dargestellt wird. Zu äußerst sieht man Personen und Gegenstände,[81] welche sich auf die Eroberung von Brasilien beziehn. Diese bilden bekanntlich eine kurze, aber glänzende Episode unter den Eroberungen der Holländer, interessant von der Seite, daß die Holländer hier auf dem abentheuerlichen Boden Brasiliens, klein an Zahl, angeführt durch Johann Moritz von Nassau, im spanisch-ritterlichen Charakter auftreten und mehr als Soldaten, wie als Krämer sich schlagen. Der Versuch war kühn, hatte anfangs den unglaublichsten Erfolg, und scheiterte eben so plötzlich an der aufgeschreckten Macht der Portugiesen. Van Grebber und van Tülden haben sich diesen Gegenstand gewählt, man findet auf ihren Tafeln besonders viel schöne Frauen und Mädchen mit Blumen und Früchten aus jener Zone. Dann kommen besiegte Spanier in den Niederlanden, eine spanische Fahne weht in der Hand eines Holländers, eine gefangene halbnackte Spanierin, junge Mutter von fünf Kindern, wird von rohen Soldaten auf den Triumphweg unbarmherzig vorwärts gestoßen, gut gemalt, aber schlecht gewählt, weil diese Scene an die liederlichen Kriegsbanden erinnert, durch deren schmutzige bezahlte Hände die Freiheit der sieben Provinzen unter Wilhelm, Moritz und Friedrich Heinrich erkämpft wurde.

Nun stellt man sich tiefer in den Saal zurück und wirft sein Auge über die riesige Malerei,[82] welche die große Wand bedeckt. Man stelle sich ein kleines Gemälde vor, das seine fünf und zwanzig bis dreißig Fuß Höhe und eben so viel Fuß Breite hat, gefüllt mit Engeln, Menschen, Thieren, Blumen, Früchten, glänzend von Farbe und Licht, kräftig in Schatten gesetzt, lebenswarm und mit markigtem Pinsel ausgemalt und Alles, was von Natur und Allegorie, Wirklichem und Wunderbarem darauf sich findet, in Harmonie gebracht mit dem Triumphator, der auf goldnem Siegeswagen sitzt und sich von vier prächtigen Schimmeln einherziehen läßt, dies Alles, sage ich, stelle man sich vor, wie man's kann, und man wird empfinden, welche Bedeutung ein solches Stück für die Kunst haben mag. Zur linken Hand des Wagens gehen zwei Doggen, zur rechten zwei goldgelbe Löwen, hinter dem Rade steigt Wilhelm II. auf ein prunkvoll gesatteltes Pferd, andere Reiter machen sein Gefolge aus, unter dem Gedränge kommen mehrere Köpfe aus dem Volk zum Vorschein, darunter Meister Jordaans eigenes kräftiges Gesicht, das unter der blauen Sammetmütze heiler und wohlgefällig in sein eigenes Werk hineinsieht. Er kann wohl lachen, so ein Werk gelang nicht Jedem, und ihm selbst nicht immer, er hat im Großen eine Kraft hinter seinen Pinsel gesetzt, bei der er sich seiner Genialität bewußt werden mußte[83] und die nöthig war, ein solches Stück zu halten, dann hat er wieder Blumen und Früchte so frisch, zart und faserfein gemalt, als hätte er sein Leben nichts anderes gethan, als den Pinsel von Segers, Hugsem und Mignon zu führen. Ich glaube, er hat sich zu allerletzt gemalt, wie er da oben steht und seinen Arm um eine Säule schlingt, um ein so zufriedenes Künstlergesicht zu haben. In den Wolken schwebt der Friede, oder vielmehr die Friedin, denn sie ist eine sehr schöne junge Frau, zwei kindliche Genien halten ein flatterndes Blatt, worauf ich, Meister Jordaans zu Gefallen, folgende Inschrift las: ultimus ante omnes de parta pace triumphans.

Zu dieser mächtigen Wandtafel gehört ein Plafond, worauf man den Triumphator, entfernt von allem Gewühl, mit sich und dem Himmel allein in seiner letzten Stunde sieht. Er sitzt, der Tod ist auf seinem Angesicht, aber drei himmlische Wesen: Glaube, Liebe, Hoffnung, stehn ihm zur Seite, und unterstützen ihn, ein Genius in den Wolken faßt seine letzten zum Himmel gerichteten Blicke auf, er scheint seinen Geist nach sich zu ziehen, und die trauernde Wittwe, deren Bild gegenüber im Saal, kann die tröstlichen Worte aus dem Buch des Lebens: hac ivit. Eine christliche Apotheose.

Quelle:
Ludolf Wienbarg: Holland in den Jahren 1831 und 1832. Erster und Zweiter Theil, Hamburg 1833, S. 74-84.
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