Zweiter Auftritt.

[140] Die Vorigen; Nymphas erscheint auf dem Felspfad; ein blühender, anmutiger Jüngling, von der Darstellerin der Persida gespielt, ihr sowohl, wie der Phöbe ähnlich; steigt langsam herab.


APELLES bemerkt nicht, daß Longinus einnickt, sieht auch Nymphas nicht; spricht, vor sich hinblickend, weiter. Warum könnt's nicht sein? – Wenn ich zuweilen daliege und mir sage: Wer war wohl jene Zoe, mit dem Geisterblick? Und Phöbe, und Persida – wandelte in ihnen Zoes Seele weiter? Und du, mein Nymphas, mein Liebling – hätt' ich auch dich schon gekannt? – Zuweilen ist mir, als hätt' ich dich schon gekannt –

NYMPHAS steht schon eine Weile hinter Apelles; legt ihm eine Hand auf die Schulter. Uebermütig lächelnd. Ich war ein heiliges Ichneumon am Nil, oder auch eine Priesterin der Vesta, die man lebendig begrub; die Geschichtsforscher haben es noch nicht ergründet.

APELLES wie die Gedanken von sich abschüttelnd, mit liebevollem Blick. Du bist's! – – Schau, Longinus schläft.

NYMPHAS lächelnd. Aber er wird's leugnen. An Longinus' Ohr, nicht laut. Großvater Longinus! schläfst du?[140]

LONGINUS erwacht. Ich? Wie sollt' ich schlafen. Schlafe bei Tage nie! Für sich. Wie er heut der Persida gleicht. Laut. Du warst in Palmyra, sagte mir Apelles.

NYMPHAS. Ja, diesen Nachmittag, indes du – wachtest. Ich war klug – mehr als sonst! – hab's mit Vorsicht erforscht. Sie wissen es schon in Palmyra, daß wir hier hinter ihren Bergen leben; ein alter Bettler, der neulich nachts unter diesem Baum schlief, hat am Morgen den »Meister von Palmyra« gesehen. Aber sie kümmern sich nicht um uns, werden uns nicht aufsuchen; die sich damals an euch ärgerten, die sind alt oder tot. Auch haben die Palmyrener jetzt andre Dinge im Herzen –

LONGINUS. Hm! – Was thun sie denn?

NYMPHAS. Hadern und streiten –

LONGINUS. Glaub's wohl; sie sind Menschen. – Um was hadern sie?

NYMPHAS feurig. Um den Mann, der die Welt nun wieder umkehrt, um den großen Kaiser Julianus! Die einen verwünschen ihn – laut auf dem Marktplatz, ich hört' es – weil[141] er wieder abgefallen ist vom Glauben seines Oheims, des christlichen Constantinus, nennen ihn den Abtrünnigen, den Apostaten; die andern predigen dem Volk, wie weise und groß er ist, und verkündigen die Wiedergeburt der alten Zeiten. Wenn er die Perser überwunden habe, die er jetzt bekämpft, dann werde er als Sieger nach Palmyra kommen und auch hier den Christentrotz vor sich niederwerfen. Und die gefallene Herrlichkeit des alten römischen Reichs wird wieder auferstehen –

LONGINUS trübe lächelnd. Glaubst du? – Die liegt; wird nicht auferstehen. Einem im Sumpf versunkenen Elefanten können wieder nur Elefanten helfen. So ein Riese kommt nicht. Dahin sind die Zeiten!


Der Hirt bläst wieder die Schalmei.


APELLES. Lassen wir die Zeiten. Zeitlos leben, wie wir, ist des Menschen Glück! – Mir ist so wohl in dieser Abend stille. Streit und Not hatten wir genug; lange, ruhlose Irrfahrt durch der Menschen Länder! Hier krächzt uns die Soge nicht an, und die Wünsche schlafen. Das wilde Palmyra, unsrer Väter Stadt, so nah und so fern; das schweigende Meer der Wüste unter unsern Füßen; Blickt auf. und über uns die ewig feste Friedensburg, die Kuppel des Weltbaumeisters, im unergründlichen Blau, – bis die silbernen Rätsel, die Flammen der Nacht, sie durchbrechen. Erhabene Einsamkeit! nur du entzündest[142] in uns erhabene Gedanken; die nicht erlöschenden Feuer unsrer Seele, auf des Lebens Gipfel!

LONGINUS nickt. Am Giftbaum des Lebens wachsen zwei gute Früchte: Weisheit – und Freundschaft!


Nimmt Apelles' Hand, drückt sie.


NYMPHAS hat vor sich hingeblickt. Andre, meinst du, nicht.

LONGINUS wieder müde. Giftige genug!

NYMPHAS. Weiß wohl. So jung ich bin, hab' ich viel erlebt. Aber die Götter, denk' ich, gaben uns die Welt, damit wir sie besser machten –

LONGINUS. Hm! Nickt wieder ein.

NYMPHAS lächelnd. Da schläft er.

APELLES ebenso.

Deine junge Weisheit singt

Ihn in den Schlaf. – – Doch, Kind, ich fühl' dir's an,

In Blick und Wort, in jedem Zeichen deines

Beschwingten Lebens: dich bewegt die Welt;

Du strebst ihr zu! – Mein junger Philosoph,[143]

Mein früh gereifter Schüler – fühlst dich doch

Zu einsam? lebst zu alt hier mit den Alten? –

Nur noch ein Weilchen, Kind, gedulde dich.

Dann brechen wir dies Lager ab und wandern,

Da es denn sein muß, in die Welt zurück,

Die du noch bessern willst! – –


Ihm beide Hände auf die Schultern legend.


Doch glaube mir,

Sie wird dich bald enttäuschen. Du, so redlich

Und gut und edel, und so klug zugleich,

Wirst bald ins Herz ihr sehn! Es dreht sich drinnen

Ein Rad mit bunten Speichen auf und ab;

Die Dinge wechseln, doch sie kehren wieder; –

Und all die Menschenseelen sind verschieden

Gefärbte Gläser, die der eine Geist

Des Lebens – nenn ihn, wie du willst – durchleuchtet.

Der steht, unsichtbar, hinter jeglichem,

Sein wahres Ich, und lebt in uns sein Leben!

NYMPHAS.

Doch wir, die ihn nicht sehn, wir sollen ihn

In diesen andern, unsersgleichen, suchen

Und in den Besten lieben.

APELLES.

Lieben! – Du

Bist jung, und fein, und liebevollen Herzens;

Du wirst auch Frauen lieben. Guter Nymphas,

Doch glaub mir, sie sind keine Göttinnen;

Und keine, fürcht' ich, wird dich ganz beglücken.[144]

Die lieben können, können nicht berauschen;

Und die berauschen, lieben mehr den Zauber,

Der dich berauscht, als dich! – – Doch schweigen wir

Von dem, was war und nicht mehr ist. – Du bist mir

Nun Weib und Kind und alles!

NYMPHAS.

Und du mir

Das Teuerste auf Erden!

APELLES.

Bin ich's, Nymphas?

Dann sag mir, was dir ist. Bekenn' mir's ehrlich.

Seit Tagen, Wochen bist du ruhlos worden,

Strebst nach Palmyra, findest immer Grund,

Hinabzuwandern; kommst du dann zurück,

Bist du bewegt und träumst. – Ein Weib?

NYMPHAS.

Nein, nein.

APELLES.

Gewiß nichts?

NYMPHAS.

Lüg' ich je?

APELLES.

Was dann? – Ich fand

Dich gestern hinterm Fels, du schwangst und zücktest

Das alte Schwert, das im Gemäuer hier[145]

Vergraben lag, und kämpftest, wangenglühend,

Mit einem unsichtbaren Feind. Was hat dich

So kriegerisch gemacht? Wenn dieser Hader

Da drunten – –


Quelle:
Adolf Wilbrandt: Der Meister von Palmyra. Stuttgart 61896, S. 140-146.
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