Zweiter Auftritt.

[173] Die Vorigen; Apelles erscheint rückwärts zwischen den noch aufrechten Säulen; in vernachlässigter, phantastischer Gewandung, das graue Haar verwildert, einen Stab in der Hand; bleibt dort, finster schwermütig horchend, stehn.


SELEUKOS singt weiter.

Wenn im Lenz dann wieder die Quellen rauschen,

Aufwärtssteigen wirst du, beweinter Jüngling,

Küssest froh die goldene Aphrodite,

Schöner Adonis!

ZABBÄOS.

Ein hübsches Lied; mein Leiblied.


Bemerkt den Apelles. Halblaut.


Schaut! Wer steht

Dort bei den Säulen? – Kein zufried'ner Mann,

Will mich bedünken. Wenn mir der bei Nacht

Im Gräberthal begegnete, beim Zeus,

Ich dächt': er kommt aus einem Turm gestiegen

Und lag dort eingesargt!

MÄONIOS leise.

Er kommt hierher.

APELLES.

Seid mir gegrüßt. Ihr sangt ein Lied, das ich – –

Das ich vor Zeiten hörte –[173]

ZABBÄOS.

Vom Adonis.

MÄONIOS auf den Sänger deutend.

Seleukos sang's.

ZABBÄOS.

Es ist der Tag, an dem wir

Den Gott Adonis feiern zu Palmyra.

APELLES sinnend, nickt.

's ist heut der Tag! – – Darum die Kränze dort –

MÄONIOS zutraulich.

Auch noch um andres, Alter.


Lächelnd.


Meld es nur

Den strengen Vätern von Palmyra nicht:

Die würden finster schau'n! Die wollen auch

Die alten Götterfeste ganz verbieten! –

Wir gehn die Gräber unsrer Väter schmücken,

Die für die Freiheit und die Götter fielen,

Als Kaiser Julianus starb.

ZABBÄOS.

Du bist

Ein Fremdling, Alter, wirst davon nicht wissen.

APELLES.

Ein wenig.

MÄONIOS.

Alle fielen


Auf Zabbäos deutend.


bis auf den.

Der kam davon; nach Jahren kehrt' er wieder:

Da war's vergessen.[174]

ZABBÄOS vergnügt lächelnd.

Und nun leb' ich noch,

Und denk', noch manchen guten Tag!

APELLES zu Mäonios.

Du sagtest,

Sie alle fielen.

ZABBÄOS.

Wohl. Doch war noch einer,

Den sie den Geister von Palmyra nannten;

Ich sah ihn einmal nur, – in jener Nacht.

Der kämpfte wütend mit, und dort im Tempel

Vebrannt' er: andre sagen: nein, er lebt.

Man sah ihn später noch – so sagen sie –

Bei diesem Tempel, jetzt kein Tempel mehr:

Zuerst der Brand und dann, vor Jahr und Tag,

Erdbeben – zweimal kracht' es unter ihm –

Das hält kein Tempel aus! – Der Meister aber

Soll ruhlos wandern sagt man; Jesus Christus

Hat ihn verdammt, zu leben – oder sonst

Ein Christen-Heiliger. Nun, die mögen's wissen.

Ja, der war auch dabei!

APELLES.

Ihr schmückt die Gräber

Der Toten, ihr, die Jungen. Nun, und ihr?

MÄONIOS.

Was wir?

APELLES.

Und hofft ihr noch?[175]

MÄONIOS.

Auf was?

APELLES.

Auf beßre Zeiten.

MÄONIOS sieht ihn eine Weile verwundert an.

Wo, Alter, wären die?

APELLES.

Vielleicht in euch.

MÄONIOS.

Du magst wohl scherzen. Aus ist's. Wir sind unten,

Die Christen oben.

ZABBÄOS.

Und dem Reich der Römer,

Dem geht's wie diesem Tempel! – Krach! – Es hält wohl

Noch eine Weile, doch dann wird es fallen.

Die Völker der Barbaren wandern durch

Die ganze Welt, sie schlagen unsre Heere,

Sie plündern die Provinzen. Nun, was hilft's?

Man trägt es auch. Wir gehn so mit der Zeit;

Wer uns nur leben läßt, der mag uns haben.

Klein ist Palmyra worden; doch es lebt sich

Auch heut noch gut darin. Der Weise sagt:

Schick dich und duck dich, und genieß die Stunde!

APELLES für sich.

Der lebt! Und Nymphas starb![176]

MÄONIOS.

Ja; pflück den Tag!

Wie's jener Grabspruch sagt: »Ich war nichts, bin nichts;

Du, der du lebst, iß, trink und scherz, und komm!« –

Mir soll man einst aufs Grab, wie jenem Römer,

Mein steinern Bildnis legen, in der Hand

Die Schale, draus ich trank, und drunterschreiben:

»Trink, Freund, und liebe; alles andre frißt

Das Feuer und die Erde!« – Alter, du

Bist nicht so weise. Siehst nicht fröhlich aus.

Woher des Wegs?

APELLES.

Bei vielen Völkern war ich,

In vielen Ländern; – und vielleicht in allen.

War, wo die Sonne hoch im Scheitel brennt,

Und wo sie nur am Rand des Himmels wandert;

Wo Meere leuchten und wo Nebel dämmern;

Wo lang die Nacht wie hier der Winter ist,

Schlammkrater spei'n und Eisgebirge schwimmen.

Und doch so weise ward ich nicht wie ihr.

Scherzt ihr und trinkt!

ZABBÄOS leise zu den andern.

Er faselt; oder foppt uns.

MÄONIOS leise.

In seinem Schädel mag's nicht richtig sein.

Laßt ihn, und kommt! 's wird spät!


Laut.


Wir gehn.[177]

ZABBÄOS.

Zum Thal

Der Gräber. Träume du von deinen Bergen

Von Eis, die schwimmen, und von Schlammvulkanen

Leb wohl!


Sie gehen, leise mit einander lachend.


MÄONIOS.

Leb wohl! – Sei wieder fröhlich, Alter.

Bist trotz der Jahre noch so fest gebaut;

Gehst aufrecht um Erstaunen. Denk des Spruchs:

»Iß, trink und scherz und komm!«


Folgt den andern, die schon nach links abgegangen sind und jetzt zu singen anheben, sich allmählich entfernend.


SELEUKOS Gesang, allein.

Rose, glühend wie Aphroditens Purpursaum –

ALLE Gesang.

Du wirst vergeh'n.

SELEUKOS.

Säule, tragend des Göttervaters Tempelbau –

ALLE.

Kannst nicht besteh'n.

SELEUKOS.

Augenpaar, du thu dich nur auf, genieß die Welt –

ALLE.

Kannst sie noch seh'n.[178]

SELEUKOS.

Bald drückt dich zu die kalte, die letzte Hand –

ALLE.

Dann ist's gescheh'n!

APELLES hat still gehorcht.

»Dann ist's gescheh'n.«

O ihr Zufriednen! Fröhlich sein und sterben! –

Mein Leben tritt sich aus die Fersen, wie

Die Nacht dem Tag und dem Herbst der Winter;

Ewiger Winter hingelagert auf

Dem kalten Schneetuch, das den Sommer deckt.


Umherblickend.


O Heimat! »Thal der Gräber« um mich her!

So wie die Geister von Gestorbnen, die

Man nicht begrub, die Todesstätte, sagt man,

Ruhlos umkreisen, so umwandr' ich, ein

Lebendig Toter, dieses Leichenfeld

Meines erschlagnen, nicht begrabnen Lebens.

Und von den fernsten Wanderungen kehr' ich,

Als riefe hier der Geist, der Frieden heißt,

Zum Ort des Grams zurück! – Ihr Mauern steht noch –

Die letzten meines Hauses. Dort erklang die

Unwillige Thür, als Phöbe mir entfloh,

Den Frühling mit sich fortnahm. Dort vor dir,


Zur Basilika gewendet.


Gepriesnes Werk des Meisters, lag im Staub

Mein stolzer Sommer, meine Persida

Und rang die Hände, sich dem Himmel opfernd,

Der mich verbannte. Du mein Tempelbau!

Haus meiner Göttin! Glück ihr Name, Fluch[179]

Ihr letztes Wort! Auf ihrer Schwelle hauchte

Mein holder Nymphas seine Seele hin;

Mein spätes, höchstes Glück, mein Abendstern,

Trost, Hoffnung, alles! – Und ich kann nicht sterben!

Longinus starb – ich nicht! Die Müden sterben,

Die Weinenden, die Lachenden – Geschlechter

Und Völker sterben – Tempel stützen nieder

Ich nicht! Ich nicht! Wie Mond und Steine rollt

Mein Leben weiter; hoch am Himmel steht

Geschrieben: »ewig!« und durchflammt die Nacht,

In der ich ruhlos wandre. Tod! dich ruf' ich!

Wenn dich der Schrei der Sterblichen – doch weh mir,

Ich bin nicht sterblich – – wenn die heisre Stimme

Des irren Wandrers, der sich müde rief,

Dein Ohr erreichen kann, du Totenfährmann,

So komm! Ich will hinab!


Quelle:
Adolf Wilbrandt: Der Meister von Palmyra. Stuttgart 61896, S. 173-180.
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