[314] Lothar aus dem Hintergrunde zu den vorigen.
LOTHAR.
Was regt die Herren auf? Was ist geschehn?
LUDWIG geht ihm entgegen.
Ein schweres Unheil, das uns plötzlich traf;
Erfuhrst du von Pipin?[314]
LOTHAR.
Ich hörte nichts –
Was ist mit ihm geschehn?
LUDWIG.
Pipin ist tot.
LOTHAR.
Nein, das verhüte Gott!
MATFRIED.
Und dennoch ist's so.
Heut nachmittag ritt er aus seinem Lager,
Des Feindes Stellung drüben zu erspähn –
Er ritt das Pferd, vor dem man oft ihn warnte,
Den ungestümen, schwarzen Berberhengst –
Und als wir gerad' der Stelle gegenüber,
Wo drüben lag das kaiserliche Zelt,
Fügt sich's, daß plötzlich sich ein Wind erhebt,
Der von des kaiserlichen Zeltes Spitze
Das Wimpel reißt und der es gradenwegs
Zu ihm hinüberwirft. – Sein Pferd darauf,
Wie angepackt von einem wüt'gen Schrecken,
Dreht zweimal, dreimal wirbelnd sich im Kreis,
Und eh' wir noch zu Hilfe eilen können,
Wirft es den König krachend in den Sand
Und schmettert ihm das Haupt an einen Feldstein,
Daß augenblicks das Leben ihn verließ.
LOTHAR.
Das ist ein düstrer Anfang unsrer Sache,
Denn morgen, rechn' ich, haben wir die Schlacht.
LUDWIG.
Dem kaiserlichen Zelte gegenüber –
Ein sonderbarer Zufall, in der Tat.
LOTHAR.
Ein Zufall, weiter nichts, doch sorgt dafür,
Daß man im Heer den Umstand nicht erfährt,
Sonst nährt's den Aberglauben in den Köpfen
Und ängstigt die Gemüter.[315]
MATFRIED.
Gnäd'ger Herr,
Ich fürchte sehr, es sprach sich schon herum.
LOTHAR.
Das wär' nicht gut.
HUGO.
Daneben ist noch eins,
Das seltsam schreckend alle Herzen aufwühlt.
Ein alter Maure kam von drüben an,
Mit abenteuerlicher Nachricht, sagt man.
LUDWIG.
Was bringt er?
HUGO.
Herr, ich weiß es nicht genau,
Doch munkelt man im Volk, er brächte Kunde
Von grausigen Verbrechen, die am Hofe
Des Kaisers sich begeben.
LOTHAR.
Nun, bei Gott,
Das wäre günstige Fördrung unsrer Sache.
Schafft mir den Mauren her wir woll'n ihn brauchen
Wie den gemalten Teufel, unsre Tugend
So heller dran zu zeigen –
Lachend.
unsre Tugend!
LUDWIG.
Im Angesicht des väterlichen Zelts –
LOTHAR.
Ja, er ist tot, daran ist nichts zu ändern,
Und da, wo dreie waren, sind jetzt zwei.
Kommt, nichts von Weichheit jetzt und Grübelei;
Die Herren seh' ich, sind zumeist versammelt,
So laßt uns Kriegsrat halten und beraten,
Denn morgen, denk' ich, rücken wir ins Feld.
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