Sternenfriede

[160] Auf allen Forsten, Wiesengründen/

Auf meines Grames Heimat/ lagert Nacht.

Nur droben, droben jene Fernen

Verklären sich, entzünden

Die wundervollste Silberpracht

Von Funkelsternen.


O Sternenhimmel/

Du Weltengewimmel!

Ihr dunkelblauen

Lichtbesäten Auen

Der Ewigkeit!

Euch tief zu schauen

Ist Seligkeit,

Ist kühler Trost

Für diese brennenden Wunden/

Die mir, erbost

Gleich kläffenden Hunden,

Die Menschenmeute schlug, um nun

Mit sattem Hasse auszuruhn ...


O Sternenhimmel/

Du Weltengewimmel!

Milchstraße, ungeheuer, breit,

Vielbuchtig wie ein ausgetretener Strom

Durchquerst du die Unendlichkeit/

Welle an Welle,[161]

Nebel an Nebel/

Jede Welle ein Lichtermeer,

Jeder Nebel ein Weltenheer.

An des Lichtstroms Ufern blühn

Große Sterne, schwefelflammenblau.

Manche funkeln rot und grün

Wie besonnter Blumentau.

Sternschnuppen sprühn/

Leuchtkäfer auf dunkler Flur.

Göttergleich auf hehren Thronen,

Blitzen mit den Kronen

Jupiter, Sirius, Arktur.

Zum Polarstern, seit Äonen,

Zielt der Wagen wie gebannt.

Von Demant

Flammt Orions Gürtelbild.

Gemma, reizend, mädchenmild,

Regenbogenbunt sich malend,

Winkt dem Mars/ der fackelrot,

Schlachten sinnend loht.

Alle Schwestern überstrahlend

Taucht der Liebe Stern mit Schneegefunkel

Aus des Forstes ernstem Dunkel.


Und wie feierliche, leise

Hingehauchte Harfenweise[162]

Hör ich nun die Sterne klingen/

Mich im Auge/ sinnen, singen:


»Sei still und lausche/ lauschend gleite

Zum kühlen Rasen/ breit', breite

Die Arme andachtsvoll empor!

In Dunkelblau, in Silberschauer

Laß taumlig deine Augen sinken

Und dieser Kränkung letzte Trauer

In unserm Ruhemeer ertrinken!

Von Menschentorheit wund gesteinigt,

Im Strahlenquell gesund gereinigt,

Sollst du ein Heil der Erden,

Ein stiller Weiser werden.

Sei nur getreu der Sehnsucht,

Die um den Frieden freit!

Wer treulich schmachtend aufwärts schaut,

Dem wird das Höchste angetraut

In Ewigkeit, in Ewigkeit.

Und Ewigkeiten sind nicht weit,

Wenn fern entrückt ob Welt und Zeit

Im Sternenliede

Dein Sinn verschwimmt ...

Der Sternenfriede,

Der tiefste Friede sei mit dir!«

Quelle:
Bruno Wille: Der heilige Hain. Jena 1908, S. 160-163.
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