Schertz-Gedichte

Auf das Absterben seines Hündgens

[347] Ich condolire dir von Hertzen,

Und nehme Theil an deinen Schmertzen,

Die dich durch Mortens scharffe Krallen,

Beliebter Freund, recht starck befallen.

Dein Kummer ist nicht zu verdammen,

Die allzuzarten Liebes-Flammen,

Die du den Hündgen liessest spühren,

Das dir noch todt dein Hertz muß rühren,

Die löschen sich so gleich nicht wieder,

Dein liebstes Thiergen fällt darnieder,

Das allen Leuten wohlgefiel.

O welch ein jähes Trauer-Spiel!

Der Schmertz, womit er sonst beladen,

Verkürtzt ihm nun den Lebens-Faden,

Den doch, wie du und viele wolten,

Die Hunde-Parcen dehnen solten.

Du decktst ihn zu mit weichen Betten

Und kontst doch nicht sein Leben retten,

Diß macht zugleich mich Kummers voll,

Ich weiß nicht was ich schreiben soll.

Mit ihm stirbt alle deine Freude,

Dein Zeitvertreib und Augen-Weyde,

Die viel Vergnügen dir erweckt.

Die Thränen rollen häuffig nieder,

Allein du kriegst ihm doch nicht wieder.

Mars hat das liebe Vieh gestreckt.[348]

Wir müssen auffs Verscharren dencken,

Und ihm ein Liebes-Denckmahl schencken,

Das seine Schönheit wohl verdient,

Die auch noch in dem Tode grünt:


† † †


Beklage, Wanderer, wo du mittleidig bist,

Ein allerliebstes Thier, das hier verscharret ist,

Man weiß nicht den Verlust recht hoch genug zu schätzen,

Kein Hund kan auf der Welt von ihn die Stell ersetzen.


† † †


Das glaub ich selber in der That,

Jedoch ich gebe dir den Rath:

Laß allen Schmertz und Kummer schwinden /

Du wirst doch wohl ein anders finden,

Das eben solche Tugend weist,

Und deiner Liebe würdig heist.

Ich selbsten will auf Lindrung dencken,

Und dir ein ander Hündgen schencken,

Das auch von guten Sitten ist.

Du wirst, was nun der Moder frist,

Doch nicht ein gantzes Jahr betrauren.

Das Hunde-Volck wird trefflich lauren

Auf deinen Dienst, den iederman

Nicht satt und gnugsam loben kan.

Drum auf! sey wiederum vergnüget,

Weil es das Schicksal so gefüget.

Laß dieß bey den betrübten Minen

Dir, liebster Freund, zur Nachricht dienen:

Was unser Aug und Hertz erfreut,

Das hohlt der Hencker allezeit.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Versuch In Gebundener Schreib-Art, Leipzig 1728, S. 347-349.
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