Normalelement

[661] Normalelement, Element, das vermöge seiner Zusammensetzung aus sehr reinen Materialien stets denselben Wert der elektromotorischen Kraft gibt und daher als sogenanntes Normal bei der Messung von Spannungen und Stromstärken (besonders mittels der Kompensationsmethode, s. Meßmethoden, elektrotechnische) benutzt werden kann.

Von einer großen Anzahl zu diesem Zwecke konstruierter Elemente war früher das Normaldaniell [3] am meiden im Gebrauch. Später fand das Quecksilber-Zinkelement, von Latimer Clark 1874 angegeben, mit schwefelsauerm Quecksilberoxydul als Depolarisator und Zinksulfatlösung als Erreger mehr und mehr Eingang, besonders seitdem es von der Physikalisch-technischen Reichsanstalt eingehenden Untersuchungen unterworfen und zur Beglaubigung zugelassen worden war. Durch diese Untersuchungen [3] wurde festgestellt, welches der genaue Wert der elektromotorischen Kraft des Elements bei einer bestimmten Temperatur ist, in welcher Weise sie von der Temperatur abhängt und welchen Einfluß verunreinigende Beimengungen der Bestandteile auf die elektromotorische Kraft und die Konstanz der Elemente haben. Wegen ihrer leichten Herstellbarkeit kam die von Lord Rayleigh angegebene H-Form (Fig. 1) in folgender Zusammensetzung zur Anwendung. Der eine Schenkel enthält reines Quecksilber, der andre ein Amalgam von 90 Teilen Quecksilber und 10 Teilen Zink, das heiß eingefüllt und auf dem Boden der Röhre erstarrt ist. Das Quecksilber ist mit einer Paste bedeckt, die durch Zusammenreiben von schwefelsauerm Quecksilberoxydul mit Quecksilber und Zinksulfatkristallen erhalten wird; die benutzten Kristalle werden mit konzentrierter Zinksulfatlösung angefeuchtet, bis ein schwerflüssiger Brei entflieht; von dem Quecksilber ist so viel zu nehmen, daß die Paste nach dem Verreiben mit Quecksilberkügelchen durchsetzt ist. Alsdann werden in beide Röhren einige Zinksulfatkristalle gebracht und die beiden Rohröffnungen nach Einfüllung von konzentrierter Zinksulfatlösung mittels Korkpfropfens und Paraffinaufguß verschlossen. Für die elektromotorische Kraft des Clark-Elements ergab sich als Mittelwert aus einer großen Anzahl von Beobachtungen E = 1,438 Volt bei 15° C. Dieser Wert ändert sich mit der Temperatur, und es ergibt sich [4] für eine zwischen + 10° und + 30° C. gelegene Temperatur t der Temperaturkoeffizient der elektromotorischen Kraft zu – 0,000814 – 0,000007 (t – 15).

Ein Normalelement muß so beschaffen sein, daß es nach seiner Zusammensetzung und Prüfung versendet werden kann, ohne dadurch eine Aenderung zu erleiden. Zu diesem Zwecke wurde von der Physikalisch-technischen Reichsanstalt noch eine andre, von Feußner angegebene Form [4], [6] hergestellt (Fig. 2). In einem Glasgefäß befindet sich eine Tonzelle, die den positiven Pol, eine amalgamierte Platinplatte Pt, umgeben von einer Paste aus Quecksilberoxydulsulfat, Zinksulfat und Quecksilber, enthält. Der aus Platin bestehende Ableitungsdraht ist in ein Glasrohr eingeschmolzen, das mit Paraffin ausgegossen und mit demselben Isoliermaterial auch in das Tonrohr eingekittet ist. Als negative Elektrode dient ein rechtwinklig abgebogener Zinkstab Zn, dessen oberes Ende ebenfalls in ein Glasrohr mittels[661] Paraffins eingedichtet ist, um die Berührung mit der Zinksulfatlösung zu vermeiden. Das unten aus dem Glasrohr herausragende Ende des Zinkstäbchens ist amalgamiert und steckt in einer Schicht aus Zinksulfatkristallen, die den unteren Teil des Glasgefäßes füllt. Darüber befindet sich konzentrierte Zinksulfatlösung, während der Abschluß der Gefäßöffnung durch drei Schichten aus Paraffin, Kork und Harzmasse (Marineleim) erfolgt. Ein Gehäuse aus Messingrohr, oben mittels Hartgummideckels geschlossen, dient zum Schütze des Glasgefäßes; die auf dem Deckel sitzenden Außenklemmen sind durch Kupferspiralen mit den beiden Polen verbunden. Im Hartgummideckel befindet sich (rechtwinklig abgebogen) auch die Skala eines bis in die Kristallschicht hinabreichenden, in Zehntelgrade geteilten Thermometers T. Die elektromotorische Kraft ist [5] bei 15° = 1,43285 Volt, bei t° = 1,43285 – 0,00119 (t – 15) – 0,000007 (t – 15)2 Volt.

Da die elektromotorische Kraft aller Clark-Elemente in hohem Grade von der Temperatur abhängig ist, was bei genauen Messungen störend wirkt, schlug Weston in Newark eine ähnliche Kombination vor, bei der Zinkamalgam und Zinksulfat durch die entsprechenden Kadmiumverbindungen ersetzt sind, wodurch dieser Nachteil behoben wird [1], [2], [7], [8]. Fig. 3 zeigt ein solches Quecksilberkadmiumelement (Weston-Element) in der Anordnung der European-Weston-Company (Berlin) mit schwefelsauerm Quecksilberoxydul als Depolarisator und mit Kadmiumsulfatlösung als Erreger. Für das Glasgefäß ist die Rayleighsche H-Form (wie bei Fig. 1) beibehalten, bei der zwei unten geschlossene und mit Platindrahtzuleitungen versehene Glasrohre durch ein drittes miteinander verbunden sind. Der negative Pol wird durch einen Einguß von Kadmiumamalgam (Schmelzpunkt 60°) gebildet, während der positive aus etwas Quecksilber besteht, über dem sich eine aus Quecksilberoxydulsulfat, Quecksilber und Kadmiumsulfat zusammengeriebene Paste befindet. Zwei perforierte Porzellanstempel mit Dichtungen aus Asbestwolle halten Amalgam und Paste fest, der übrige Raum ist mit konzentrierter Lösung von Kadmiumsulfat gefüllt. Der obere Abschluß erfolgt wieder durch Paraffin, Kork und Harzaufguß und der äußere Schutz durch ein Schutzgehäuse (wie bei Fig. 2). Die elektromotorische Kraft beträgt 1,019 Volt und ist zwischen 0° und 30° von der Temperatur fast unabhängig. Die Elemente sind versandfähig und von der Physikalisch-technischen Reichsanstalt zur Beglaubigung zugelassen. – Alle Normalelemente dürfen nur mit sehr schwachen Strömen beansprucht werden, da sich sonst der Wert der elektromotorischen Kraft dauernd ändert.


Literatur: [1] Heinke und Kollert, Handbuch der Elektrotechnik, Bd. 2, Leipzig 1905. – [2] Holzt, Schule des Elektrotechnikers, Leipzig 1907. – [3] Zeitschr. für Instrumentenkunde, Berlin 1892. – [4] Ebend. 1893. – [5] Ebend. 1899. – [6] Elektrotechn. Zeitschr., Berlin 1892. – [7] Ebend. 1894. – [8] Ebend. 1897.

Holzt.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 661-662.
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661 | 662
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