Hemmung

[81] Hemmung – ist aus der Physik von Ed. Weber auf den physiologischen Vorgang bei Reflexbewegungen übertragen worden, wohl in Abhängigkeit von Herbart, der schon früher von psychologischen Hemmungen gesprochen hatte; die Herbartianer und andre Psychologen haben sehr viel geschrieben über die Hemmungen, d.h. die Aufhebung oder Verminderung des Vorstellens und des Assoziierens. Es ist aber ein Irrtum, zu glauben, daß durch dieses Wort die Tatsache, daß eine Vorstellung die andre störe, irgendwie erklärt werde. Mit Sinn gebraucht kann Hemmung nur den Vorgang, der erklärt werden sollte, bezeichnen; die substantivische Form hat dazu verführt, die Hemmung wie die Hemmungsvorrichtung der Uhr und gewisse Hemmungsvorrichtungen des Nervensystems (z.B. des nervus vagus) für eine Sache, für die Ursache des Vorgangs zu halten. Nicht einmal über die Herkunft des Wortes weiß man etwas Ausgemachtes zu sagen; hemmen wird wohl mit heben (oberdeutsch so viel wie haften) und dann wieder mit haben zusammenhängen, wenn auch nicht ganz so eng wie franz. und engl. inhibition mit lat. habere.

Ich habe das Wort Hemmung als Beispiel für die Erscheinung gewählt, daß es um die technischen Wörter der neuen wissenschaftlichen Psychologie oft nicht besser steht als um die altern Wörter, die aus einer vorwissenschaftlichen Psychologie bereits in die Gemeinsprache übergegangen sind. Auch die gelehrten Termini erklären nicht, was sie zu erklären versprechen.

Quelle:
Mauthner, Fritz: Wörterbuch der Philosophie. Leipzig 21923, Band 2, S. 81.
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