Hemmung

[260] Hemmung der Vorstellung ist eine Hauptlehre der Psychologie Herbarts (1776-1841), nach der gleichzeitige Vorstellungen, die einander partiell oder total entgegengesetzt sind, ihre Intensität gegenseitig nach dem Maße ihres Gegensatzes beschränken. In der gehemmten Vorstellung wird das Vorstellen in ein Streben, vorzustellen, umgewandelt. Für das Bewußtsein bedeutet die Hemmung eine Verdunkelung der Vorstellungen. Herbart schreibt den Vorstellungen eine Art Elastizität zu, vermöge deren sie sich wie Kräfte entgegensetzen, und sucht das Resultat dieser Gegenwirkung durch Rechnung zu bestimmen. · So spricht er von einer Statik und Mechanik der Vorstellungen. In diesen Zusammenhang gehört der Begriff der Hemmung hinein. Vgl. Herbart, Psychol. als Wissensch. 1824-25. – Die neuere Psychologie hat diesen Begriff aufgegeben. Die Herbartsche Gleichsetzung der Vorstellungen und Kräfte ist unhaltbar; die Vorstellungen, sind keineswegs selbständige Wesen mit Kräften, die sich heben, halten oder hemmen, sondern Bewußtseinszustände. Die Gefühle und Interessen streiten sich wohl, nicht aber die Vorstellungen. Ihre Stärke hängt von äußeren und inneren Bedingungen ab. Die Statik und Mechanik der Vorstellungen, die Herbart schuf, ist eine Rechnung ohne ein Maß für die Größe, eine Rechnung mit bloßen Zahlen, die zwecklos, ist. Maße für die Empfindungsintensitäten hat erst die Psychophysik geschaffen. Wundt (geb. 1832) kritisiert die Herbartsche Theorie in den Worten: »So wenig es jemals gelingen wird, aus der Reizbarkeit der Nervenfasern die physiologischen Funktionen zu erklären, so fruchtlos ist das Unternehmen aus dem Drücken und Stoßen der Vorstellungen die innere Erfahrung abzuleiten« (Grundzüge d. phys. Psych. II, S. 393).

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 260.
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