Anton André

Beiträge zur Geschichte des Requiems von W.A. Mozart

Dem Hochwürdigsten und Hochgebohrnen des Heil. Röm. Reichs

Eine solche Unterhaltung könnte allenfalls nur die Fortsetzung des mit dem 8n Takte unvollendet hinterlassenen Lacrimosa betroffen haben, allein auch dieses scheint nicht der Fall gewesen zu seyn, da nach Süssmayr's eigenen Worten: die Beendigung des Requiem, nachdem solche zuvor mehreren andern Meistern übertragen worden, endlich auch an ihn gekommen sey. –

Doch sey dem wie ihm wolle, wir haben nur zu beklagen, dass uns der viel zu früh verewigte Tondichter nicht auch dieses Lacrymosa vollständig, und von den übrigen Sätzen des Requiem leider gar nichts hinterlassen hat.

Da sich die Mozartsche Handschrift der 10 ersten Blätter seines Requiem, die Sätze Requiem und Kyrie enthaltend, noch nicht wieder vorgefunden hat, so habe ich, als Anhang zu gegenwärtigem Vorbericht, eine Partitur dieser beyden Sätze zu entwerfen versucht, welche ebenfalls die 4 Singstimmen und den Grundbass sammt den wesentlichsten Instrumentalsätzen vollständig enthält.

Da ich indessen bey einigen Stellen von der Schreibart derjenigen Partitur abgewichen bin, welche ich im Jahr 1800 von Mozart's Wittwe erhielte, so muss ich mich desfalls rechtfertigen. –

Bekanntlich konnte ich die Sätze Requiem und Kyrie des eben erwähnten Partitur Exemplars mit dem Mozart'schen Originalmanuscript nicht vergleichen. Beyde Sätze wurden daher nach derjenigen Schreibart derselben abgedruckt, wie sich solche in dem mir von Mozart's Wittwe übersandten Exemplar befinden. –

Ich habe aber seitdem manche ältere Abschriften beyder Sätze durchgegangen und die darin vorkommenden Abweichungen geprüft, und folgende derselben in gegenwärtigem Exemplar mit aufgenommen. –

1. Die Taktart. Diese muss der 1/4 oder C Takt seyn. – Dass in dem Leipziger Exemplar der Beiträge zur Geschichte des Requiems von W.A. Mozart Takt bemerkt steht, scheint vom seeligen Kapellmeister A.E. Müller, oder von einem Versehen herzurühren. –

2. Die Bassfortschreitung im 13n Takte des Requiem. – Diese scheint; so wie sie hier stehtBeiträge zur Geschichte des Requiems von W.A. Mozartdie richtigere zu seyn, da die Ausfüllungsnote e Beiträge zur Geschichte des Requiems von W.A. Mozartwohl nur durch die von Süssmayr fortgeführte Begleitungsfigur der Violinen


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veranlasst worden seyn mag. –

3. Die Unterlegung der Textesworte dona eis, Seite 8., welche ich in Übereinstimmung mit der früheren, auf der yn Seite vorkommenden Schreibart derselben notirt habe. –

4. Die Unterlegung der Textesworte Kyrie eleison und Christe eleison. Mozart hat diese Worte wahrscheinlich nur beym ersten Wiederschlag seiner Doppelfuge ganz unterlegt, bei den folgenden Sätzen aber nur hier und da den Eintritt derselben bemerkt. – Ich habe daher mit Berücksichtigung dieses Umstandes die erforderliche Übereinstimmung unter den berteffenden Sätzen herzustellen gesucht. –

5. Die Bezifferung. – Diese habe ich hier ganz weggelassen weil ich sie in manchen Abschriften dieser beiden Sätze verschieden notirt gefunden habe, solche auch bei der Vollständigkeit der 4 Singstimmen und der wesentlichsten Instrumentalsätze nicht absolut nothwendig erscheint. – Dass übrigens Mozart den Grundbass seines hinterlassenen Manuscriptes nicht duchgängig beziffert hat, ist aus gegenwärtigem Abdruck desselben deutlich zu ersehen. – Wahrscheinlich hat dieser Umstand den seel. Kapellmeister A.E. Müller veranlasst, die unter seiner Leitung in Leipzig gedruckte Partitur ohne alle Bezifferung zu lassen, da sie, wie gesagt, nicht vollständig zu geben war. –

In meiner Ausgabe der vollständigen Partitur die ser beiden Sätze habe ich jedoch die Bezifferung beibehalten, die übrigen eben bemerkten Veränderungen aber, wohin dann auch noch die Correktur einiger unrichtig geschriebener Noten der Instrumentalbegleitung gehört, gehörigen Ortes bemerkt.

Es kann zwar seyn, dass ich mich in meiner Ansicht wie Mozart die beiden Sätze Requiem u. Kyrie in seiner Original-Partitur hinterlassen habe, irre, allein dies möchte doch wohl nur diejenigen Instrumentalbegleitungsätze treffen, welche ich nur ganz kurz bemerkt, Mozart aber etwas weiter fortgeführt habe. Die Partitur aller übrigen Sätze gegenwärtiger Ausgabe, nämlich vom Dies irae bis zum quam olim Da Capo enthält aber genau dasselbe, was das Mozart'sche Original selbst enthält, und ist auch auf einzelne nach einander folgende Bogen gedrukt, gerade so wie das Original selbst geschrieben ist. So enthält z.B. der Bogen worauf das Lacrymosa steht, nur 11/2 Seite beschrieben, die folgenden Seiten aber leer, ebenso enthält der Bogen mit dem Schluss des Domine Jesu, nur die erste halbe Seite beschrieben, und erst nach den folgenden 3 leeren Notenseiten fängt das Hostias auf dem 43n Blatte an.

Da nunmehr das verehrliche musikalische Publicum ganz genau von allem in Kenntniss gesetzt ist, was uns Mozart von seinem Requiem hinterlassen, und wie er dieses gethan, und da allen möglichen Zweifeln durch die in meinen Händen befindliche Stadler'sche Copie, so wie durch die in den Händen der Herren Abbé Stadler und Hof-Kapallmeister Eybler in Wien befindliche Mozart'sche Originalpartitur, begegnet werden kann, so wünsche ich auch: dass durch die Mittheilung gegenwärtiger Actenstücke zugleich allem bisherigen Streit über diese Mozart'sche Composition ein Ende gemacht seyn möge. –


Offenbach a/m, im May 1829.

A. André.

Quelle:
André, Anton: Beiträge zur Geschichte des Requiems von W. A. Mozart, Offenbach 1829.
Entstanden 1826.
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