92. Mozarteum.

[127] Mannheim 7. Febr. 1778.

Der Hr. Schiedenhofen hätte mir wohl durch Sie längst Nachricht geben können, daß er im Sinn hat bald Hochzeit zu halten [vgl. S. 11. 16. 19], ich hätte ihm neue Menuett dazu componirt. Ich wünsche ihm von Herzen Glück. Das ist halt wiederum eine Geldheirath, sonst weiter nichts. So möchte ich nicht heirathen; ich will meine Frau glücklich machen und nicht mein Glück durch sie machen. Drum will ichs auch bleiben lassen und meine goldene Freiheit genießen, bis ich so gut stehe, daß ich Weib und Kinder ernähren kann. Dem Hrn. Schiedenhofen war es nothwendig sich eine reiche Frau zu wählen; das macht sein Adel. Noble Leute müssen nie nach Gusto und Liebe heirathen, sondern nur aus Interesse und allerhand Nebenabsichten; es stünde auch solchen hohen Personen gar nicht gut wenn sie ihre Frau etwa noch liebeten, nachdem sie schon ihre Schuldigkeit gethan und ihnen einen plumpen Majorats-Herrn zur Welt gebracht hat. Aber wir arme gemeine Leute, wir müssen nicht allein eine Frau nehmen, die wir und die uns liebt, sondern wir dürfen, können und wollen so eine nehmen, weil wir nicht noble, nicht hochgeboren und adlich und nicht reich sind, wohl aber niedrig, schlecht und arm, folglich keine reiche Frau brauchen, weil unser Reichthum nur mit uns ausstirbt, denn wir haben ihn im Kopf. – Und diesen kann uns kein Mensch nehmen, ausgenommen man hauete uns den Kopf ab, und dann brauchen wir nichts mehr.

Die Hauptursache warum ich mit den Leuten nicht nach Paris gehe, habe schon im vorigen Brief geschrieben. Die[127] zweite ist, weil ich recht nachgedacht habe was ich in Paris zu thun habe. Ich könnte mich mit nichts recht fortbringen, als mit Scolaren, und zu der Arbeit bin ich nicht geboren. Ich habe hier ein lebendiges Beyspiel. Ich hätte 2 Scolaren haben können, ich bin zu jedem 3 Mal gegangen, dann habe ich einen nicht angetroffen, mithin bin ich ausgeblieben. Aus Gefälligkeit will ich gern Lection geben, besonders wenn ich sehe, daß eins Genie, Freude und Lust zum Lernen hat. Aber zu einer gewissen Stund in ein Haus gehen müssen oder zu Haus auf einen warten müssen, das kann ich nicht und sollte es mir noch so viel eintragen; das ist mir unmöglich, das lasse ich Leuten über, die selbst nichts können als Clavier spielen. Ich bin ein Componist und bin zu einem Capellmeister geboren; ich darf und kann mein Talent im Componiren, welches mir der gütige Gott so reichlich gegeben hat (ich darf ohne Hochmuth so sagen, denn ich fühle es nun mehr als jemals) nicht so vergraben, und das würde ich durch die vielen Scolaren; denn das ist ein sehr unruhiges Metier, ich wollte lieber so zu sagen das Clavier als die Composition negligiren. Denn das Clavier ist nur meine Nebensache, aber Gott sey Dank, eine sehr starke Nebensache. – Die dritte Ursache dann ist, weil ich nicht gewiß weiß, ob unser Freund Grimm zu Paris ist. Wenn der zu Paris ist, so kann ich noch allzeit auf dem Postwagen nachkommen; denn es geht ein charmanter Postwagen von hier über Straßburg nach Paris. Wir wären allzeit so gereist. Sie gehen auch so. Der Hr. Wendling ist untröstlich daß ich nicht mitgehe; ich glaube aber daß die Ursache mehr Interesse als Freundschaft ist. Ich habe ihm nebst der Ursache, die ich im letzten Brief geschrieben habe (nemlich daß ich seit meiner Abwesenheit 3 Briefe bekommen hätte), auch diese wegen den Scolaren gesagt und ihn gebeten, er möchte mir etwas Gewisses zuwege bringen, so würde ich, wie ich anders kann, mit Freuden nachkommen, absonderlich wenn es eine Oper wäre. Das Opernschreiben steckt mir halt stark im Kopf, französisch lieber als deutsch, italienisch aber lieber als deutsch und französisch. Beim Wendling sind sie alle der Meinung, daß meine Composition außerordentlich in Paris gefallen würde. Das ist gewiß daß mir gar nicht bang[128] wäre, denn ich kann so ziemlich, wie Sie wissen, Aller Art und Styl von Compositionen annehmen und nachahmen. Ich habe der Mademoiselle Gustl (die Tochter) gleich nach meiner Ankunft ein französisches Lied, wozu sie mir den Text gegeben hat, gemacht, welches sie unvergleichlich singt. Hier habe ich die Ehre damit aufzuwarten. Beim Wendling wirds alle Tage gesungen, sie sind völlig Narren darauf.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 127-129.
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