182. Mozarteum.

[340] Wien 22. Dez. 1781.

Ich bin noch ganz voll von Zorn und Wuth über die schändlichen Lügen des Erzbuben Winter, – ruhig und gelassen weil sie mich nicht treffen, vergnügt und zufrieden mit meinem unschätzbarsten liebsten besten Vater! – Ich konnte es aber von Ihrer Vernunft und Ihrer Liebe und Güte zu mir nie anders erwarten. – Meinen Brief und Geständniß meiner Liebe und Absicht werden Sie nun durch mein letztes Schreiben schon erfahren haben und werden daraus gesehen haben, daß ich in meinem 26. Jahre nicht so dumm sein werde so in den Tag hinein zu heirathen, ohne etwas Gewisses zu haben, – daß meine Ursachen mich sobald möglich zu verheirathen, sehr gut gegründet sind und daß, nach dem wie ich Ihnen mein Mädchen geschildert habe, mir selbe als Frau sehr gut zu Statten kommen wird. Denn so wie ich sie Ihnen beschrieben, so ist sie – um kein Haar besser noch schlechter. – Wegen dem Ehecontract will ich Ihnen auch das aufrichtigste Geständniß machen, wohl überzeugt, daß Sie mir diesen Schritt gewiß verzeihen werden, indem Sie, wenn Sie sich in meinem Falle befunden hätten, ganz gewiß würden das Nämliche gethan haben. Nur wegen diesem bitte ich Sie um Verzeihung, daß ich Ihnen nicht längst alles geschrieben. Ueber diesen Punkt habe ich Ihnen schon in meinem letzten Briefe meine Entschuldigung gemacht und die Ursache, die mich davon abgehalten, geschrieben. Ich hoffe also, Sie werden es mir verzeihen, indem niemand mehr dabei gequält war als ich selbst. Und wenn Sie mir auch in Ihrem Letzten nicht Anlaß dazu gegeben hätten, so würde ich Ihnen alles geschrieben und entdeckt haben. Denn länger – länger – konnte ich es bei Gott nicht aushalten.

Nun aber auf den Ehecontract oder vielmehr auf die schriftliche Versicherung meiner guten Absichten mit dem Mädchen zu kommen, so wissen Sie wohl, daß weil der Vater (leider für die ganze Familie und auch für mich und meine Constanze) nicht mehr lebt, ein Vormund vorhanden ist. Diesem (der mich gar nicht kennt) müssen so dienstfertige und naseweise Herrn wie Hr. Winter und ihrer mehrere allerhand[341] Dinge von mir in die Ohren geschrieen haben – daß man sich mit mir in Acht nehmen müsse – daß ich nichts Gewisses hätte – daß ich starken Umgang mit ihr hätte – daß ich sie vielleicht sitzen lassen würde und das Mädchen hernach unglücklich wäre u.s.w. Dies kroch dem Hrn. Vormund in die Nase, – denn die Mutter, die mich und meine Ehrlichkeit kennt, ließ es dabei bewenden und sagte ihm nichts davon. Denn mein ganzer Umgang bestand darin, daß ich – dort wohnte – und nachher alle Tage ins Haus kam. Außer dem Hause sah mich kein Mensch mit ihr. – Dieser lag der Mutter mit seinen Vorstellungen so lange in den Ohren, bis sie mir es sagte und mich bat mit ihm selbst davon zu sprechen, er wolle die Tage herkommen. – Er kam, ich redete mit ihm, das Resultat (weil ich mich nicht so deutlich explicirte als er es gewollt) war, daß er der Mutter sagte, mir allen Umgang mit ihrer Tochter zu verwehren, bis ich es schriftlich mit ihm ausgemacht habe. Die Mutter sagte: »Sein ganzer Umgang besteht darin, daß er in mein Haus kommt und – mein Haus kann ich ihm nicht verbieten – er ist ein zu guter Freund und ein Freund dem ich viele Obligation habe; ich bin zufrieden gestellt, ich traue ihm – machen Sie es mit ihm aus.« – Er verbot mir also allen Umgang mit ihr, wenn ich es nicht schriftlich mit ihm machte. Was blieb mir also für ein Mittel übrig? – Eine schriftliche Legitimation zu geben oder das Mädchen zu lassen. – Wer aufrichtig und solid liebt, kann der seine Geliebte verlassen? – Kann die Mutter, kann die Geliebte selbst nicht die abscheulichste Auslegung darüber machen? – Das war mein Fall. Ich verfaßte die Schrift also, daß ich mich verpflichte in Zeit von 3 Jahren die Mademoiselle Constanze Weber zu ehelichen; wofern sich die Unmöglichkeit bei mir ereignen sollte, daß ich meine Gedanken ändern sollte, so solle sie alle Jahre 300 Fl. von mir zu ziehen haben. – Ich konnte ja nichts leichters in der Welt schreiben; denn ich wußte, daß es zu der Bezahlung dieser 300 Fl. niemals kommen wird, – weil ich sie niemals verlassen werde. Und sollte ich so unglücklich sein meine Gedanken verändern zu können, so würde[342] ich recht froh sein, wenn ich mich mit 300 Fl. davon befreien könnte, – und die Constanze wie ich sie kenne, würde zu stolz sein, um sich verkaufen zu lassen. – Was that aber das himmlische Mädchen, als der Vormund weg war? – Sie begehrte von der Mutter die Schrift, sagte zu mir: »Lieber Mozart! ich brauche keine schriftliche Versicherung von Ihnen, ich glaube Ihren Worten so« – und zerriß die Schrift. – Dieser Zug machte mir meine liebe Constanze noch werther, und durch diese Cassirung der Schrift und durch das Versprechen auf Parole d'honneur des Vormunds diese Sache bei sich zu halten war ich wegen Ihnen mein bester Vater einestheils in etwas beruhiget. Denn für Ihre Einwilligung zur Heirath (da es ein Mädchen ist dem nichts als Geld fehlt) war mir nicht bange zu seiner Zeit, – denn ich kenne Ihre vernünftige Denkungsart in diesem Falle. – Werden Sie mir verzeihen? – ich hoffe es! – ich zweifle gar nicht.

Nun will ich (so zuwider es mir ist) von den Spitzbuben reden. Hr. Reiner, glaube ich, hat keine andere Krankheit gehabt, als daß es in seinem Kopf nicht richtig muß gewesen sein. Ich sah ihn aus Zufall im Theater wo er mir einen Brief von Ramm [dem Mannheimer, jetzt Münchener Oboisten] gab. Ich fragte ihn wo er logire; er sagte aber er wüßte mir weder die Gasse noch das Haus zu nennen, und schmälte daß er sich hätte bereden lassen hierher zu reisen. Ich offerirte ihm ihn zur Gräfin zu führen und überall wo ich Entree hätte aufzuführen, und versicherte ihm daß wenn er kein Concert würde geben können, ich ihn gewiß zum Großfürsten bringen würde. Er sagte aber: »Pah, hier ist nichts zu machen, ich werde gleich wieder fortgehen.« – »Haben Sie nur ein wenig Geduld. Weil Sie mir Ihr Logis nicht sagen können, so will ich Ihnen das meinige sagen, das ist leicht zu finden.« – Ich sah ihn aber nicht, informirte mich nach ihm; als ich ihn aber ausgekundschaftet war er schon weg. – Soviel von diesem Herrn. – Der Winter, wenn er den Namen eines Mannes (denn er ist verheirathet) oder doch wenigstens eines Menschen verdiente, so könnte ich sagen, daß er immer und das des Voglers[343] wegen mein größter Feind war. Weil er aber in seiner Lebensart ein Vieh und in seiner übrigen Aufführung und allen Handlungen ein Kind ist, so würde ich mich in der That schämen, nur ein einziges Wort wegen seiner hinzuschreiben; denn er verdient ganz die Verachtung eines jeden ehrlichen Mannes. Ich will also nicht (anstatt infamer Lügen) infame Wahrheiten von ihm sagen, sondern nur Ihnen von meinem Thun und Lassen Nachricht geben. – Alle Tage früh um 6 Uhr kommt mein Friseur und weckt mich – bis 7 Uhr bin ich ganz angezogen, – dann schreibe ich bis 10 Uhr, – um 10 Uhr habe ich die Stunde bei Frau v. Trattner, um 11 Uhr bei der Gräfin Rumbeck; jede gibt mir für 12 Lectionen 6 Ducaten, und dahin gehe ich alle Tage – ausgenommen sie schicken – welches mir niemalen lieb ist. Bei der Gräfin habe ich es schon ausgemacht, daß sie niemalen schickt; treff ich sie nicht an so habe ich doch mein Billet; die Trattnerin ist aber zu ökonom dazu. – Ich bin keinem Menschen einen Kreuzer schuldig. – Ich weiß kein Wort von einem Liebhaber-Concert, wo zwei waren die schön Clavier spielten, – und ich sage es Ihnen aufrichtig, daß ich es nicht der Mühe werth halte, auf allen den Dreck zu antworten was so ein Lausbub und elender Stümper gesagt haben mag; er macht sich nur selbst lächerlich dadurch. – Wenn Sie glauben, daß ich bei Hofe, bei der ganzen und halben Noblesse verhaßt sei, so schreiben Sie nur an Hr. v. Strack, – Gräfin Thun – Gräfin Rumbeck – Baronin Waldstädten – und Hr. von Sonnenfels – Fr. v. Trattner, – enfin an wen Sie wollen. Unterdessen will ich Ihnen nur sagen, daß der Kaiser letzthin bei der Tafel das größte Eloge von mir gemacht hat, mit den Worten begleitet: c'est un talent decidé; – und vorgestern als den 24. habe ich bei Hofe gespielt. – Es ist noch ein Clavierspieler hier angekommen, ein Welscher, er heißt: Clementi; dieser war auch hineinberufen. – Gestern sind mir dafür 50 Ducaten geschickt worden, welche ich dermalen recht nöthig brauche. – Mein liebster, bester Vater – Sie werden sehen, daß es mir nach und nach immer besser gehen wird. Was nützt der entsetzliche Lärm – das geschwinde Glück – es[344] ist von keiner Dauer. – Che và piano và sano. – Man muß sich halt nach der Decke strecken. – Unter allen den Hundsföttereien die Winter gesagt, ärgert mich nichts als daß er meine liebe Constanze ein Luder heißt. – Ich habe sie Ihnen geschildert, so wie sie ist; – wollen Sie anderer Leute Meinung darüber hören, so schreiben Sie dem Hrn. v. Aurnhammer bei welchem sie etliche Mal war und ein Mal gespeist hat, – schreiben Sie der Baronin Waldstädten, welche sie (leider nur) ein Monat bei sich gehabt hat, weil sie (die Dame) krank geworden, – und nun will sie die Mutter nicht mehr von sich lassen. – Gott gebe, daß ich sie bald heirathen kann. –

Der Ceccarelli empfiehlt sich, er hat gestern bei Hofe gesungen. – Wegen den Winter muß ich Ihnen nur das noch sagen – er hat unter andern einmal zu mir gesagt: »Sie sind nicht gescheut, wenn Sie heirathen; Sie verdienen Geld genug, Sie können es schon, halten Sie sich eine Maitresse, – was hält Sie denn zurück? – das bissel D ... Religion?« – Nun glauben Sie was Sie wollen. Adieu.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 340-345.
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