Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Mozart's Rückkehr nach Wien. – [206] Così fan tutte.

1789–1791.

Für den Zeitraum von etwa zwei Jahren, welchen wir jetzt zu beschreiben haben, tritt ein großer Mangel an biographischem Material ein; so daß wir fast nicht viel mehr als das Datum einiger Begebnisse und einiger Werke zu geben vermögen.

Als Mozart im Juni 1789 von seinem Ausfluge nach Hause zurückgekehrt war, machte er sich sogleich an die Arbeit, um [206] als Erkenntlichkeit für die gute Aufnahme, welche ihm der König von Preußen hatte angedeihen lassen, für diesen ein Violinquartett zu componiren. Es ist dieß das schöne Quartett aus D dur, mit concertirender Partie für Violoncell (Werk 4. Nr. 10, Ausgabe von Pleyel). Zwei andere von derselben Art, die Nr. 11 und 12, wurden erst zwei Jahre später componirt. Der König dankte ihm durch die Uebersendung einer Tabatiere nebst hundert Friedrichsd'or.

Zu Anfange des Jahres 1790 schrieb Mozart sein fünftes dramatisches Meisterwerk für das italienische Theater in Wien: Così fan tutte, osia la scuola degli amanti (So machen sie's Alle, oder die Schule der Liebenden), komische Oper in zwei Acten. Wir kennen durchaus keine Einzelnheiten über die ersten Vorstellungen von Così fan tutte, woraus man schließen muß, daß die neue Oper keines großen Beifalles von Seiten der Liebhaber in Wien sich zu rühmen hatte.

Wenn man dem französischen Stücke, nach welchem die Nozze di Figaro bearbeitet worden war, zu viele Auswüchse des übersprudelnden Geistes vorwerfen konnte, so war dagegen der Text von Così fan tutte so abgeschmackt und langweilig, daß es vielleicht unmöglich wäre, in der Masse der italienischen Librettos, welcher Zweig der Literatur, wie Jedermann weiß, so überreich ist, ein zweites ähnliches zu finden. Diese Ausgleichung wäre zwar, ich gestehe es, nichts weniger als glücklich, aber da es Mozart gelungen war, so viele musikalische Schönheiten, so vieles Gefühl den Worten Figaro's zu verleihen, so konnte er, und zwar noch viel leichter möglicher Weise, vielen Geist in eine Posse bringen, die ganz ohne Sinn war, die aber einige lyrische Situationen und eine Art von Komik enthielt, die musikalisch viel leichter wieder zu geben war, als die von Beaumarchais. Also im Ganzen [207] genommen war Così fan tutte als Text eben so viel werth, als Figaro, womit ich aber nicht sagen will, daß eines dieser beiden Librettos den Componisten mehr angezogen habe, als das andere. Das eine wie das andere wurde ihm durch zwei große Mächte aufgedrungen: Figaro durch den Kaiser Joseph; Così fan tutte durch die Nothwendigkeit. Die Direction des italienischen Theaters in Wien wird eine ihrer Einsicht würdige Wahl getroffen und Mozart's Gläubiger werden sich beeilt haben, sie zu unterstützen.

Nie scheinen aber die Verhältnisse Mozart's in betrübterem Zustande gewesen zu sein, als zur Zeit des Todes Joseph's II., der den 20. Februar 1790 erfolgte. Gequält um einiger was weiß ich wie elender Summen willen, und von dem Wunsche beseelt, die ungestümen Mahner befriedigen, oder ihnen wenigstens aus dem Wege gehen zu können, eilte er nach Frankfurt, wo die Kurfürsten beisammen waren, um ein neues Oberhaupt des Reiches zu wählen. Auf dem Wege von Frankfurt nach München sah er sich überall gut aufgenommen, gefeiert und bewundert; aber überall zog er nach seiner Gewohnheit mit leeren Taschen ab. Das, was ich mühsam in wenige Worte zusammengefaßt habe, findet sich, mehr dem Sinne als den Worten nach, in ein paar weitläufigen und lamentabeln Briefen, welche Mozart während seiner Reise schrieb, und in welchen fast nichts verständlich ist, als daß er kein Geld hatte und um jeden Preis welches haben sollte. Aus dem von Mozart eigenhändig geschriebenen Kataloge seiner Werke38, der fast mein einziger Leitfaden durch [208] die Leerheit dieses Capitels war, geht hervor, daß er gegen Ende des Jahres 1790 wieder zu Hause eingetroffen sein mußte. Man findet unter den Monaten September, October und November (diese brachte er auf der Reise zu) nichts darin aufgezeichnet, dagegen findet sich im December das große Violinquartett aus D dur. Seine älteren Brüder, die Quintetts aus C dur und G moll entstanden im Jahr 1787 einige Monate vor Don Giovanni.

Quelle:
Alexander Ulibischeff: Mozart's Leben und Werke. Stuttgart 2[1859], S. 206-209.
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