»Abu Hassan« componirt Nov. 1810

[212] Auf dem Durchzuge durch Mannheim wurde dann auch die erste Hand an die Composition des »Abu Hassan« gelegt, der zwar bis zum 1. November wieder liegen blieb, aber dann bei wieder zufälligem Aufenthalte in der Weber so lieben Stadt, an derselben Stelle, in Gottfried Weber's Wohnung und am selben Schreibtische in der kurzen Zeit vom 4. – 13. November mit Ouverture und allem Zubehör complett niedergeschrieben wurde. Der Stoff dieser Operette ist eine lustige Apotheose des Polterns dringender Gläubiger und des Nothschreis geplagter Schuldner und, wie gesagt, das Produkt einer Periode in Stuttgart, wo es dem Dichter des Textes und dem Componisten, die ihn gemeinschaftlich wählten, nur allzusehr nahe lag, Situation und Personen nach dem Leben zu zeichnen. Es entstand[212] am 4. November das reizende Duett zwischen Omar und Fatime zu Anfang der Oper (E dur), das an Frische und Liebesgluth dem besten dieser Art, was Weber geschrieben hat, an der Seite steht. Das Terzett zwischen Omar, Fatime und Hassan (D dur) mit Chor und der Schlußchor entstanden an einem Tage, den 10. November, und die Perle der Oper, das »Schlüssel-Terzett« am 13; am 15 die Arie der Fatime (C dur), womit die Composition vollendet war, auf die wir bei Gelegenheit ihrer Aufführung zurückkommen.

In Darmstadt hielt ihn, auf der Durchreise nach Frankfurt, die, auf verschiedene Aeußerungen bei Hofe wohlbestellter Freunde basirte Hoffnung, endlich vor dem Großherzoge spielen und sich das Wohlwollen dieses großen Freundes der Musik, der sich immer kühl gegen ihn gezeigt hatte, erwerben zu können, einige Tage zurück. Die Sache zerschlug sich aber, oder scheiterte vielmehr daran, daß Vogler in der Gunst des Großherzogs so merklich gesunken war, daß er selbst kein Vorhaben mehr energisch zu betreiben wagte, halb um sich nicht noch lästiger zu machen, halb um seine Ohnmacht nicht allzu deutlich hervortreten zu lassen, und daß der Concertmeister Mangold es nicht sehr gern sah, wenn junge Künstler die Theilnahme des Hofes erweckten. Weber, der sich überhaupt am wenigsten wohl in Darmstadt fühlte, wenn er von Baden herabkam, ruft Gottfried Weber zu:


30. August 1810.


»Obwohl es mir eigentlich gar nicht um's Schreiben ist, so kann ich doch nicht länger Deinen Brief vom 24. unbeantwortet lassen und vielleicht heitert mich das Plaudern mit Dir ein bischen auf.

Deine Sonate ruht in den Händen des Bären, der Honig daraus saugen wird, nähmlich nach meiner Meinung ausführlich in die Musik-Zeitung und kurz angezeigt in's Morgenblatt.

Den 17. war ich in Frankfurt, wo mit Eifer an der Sylvana gearbeitet wird, die Sonntag den 16. September aufgeführt wird, und wodurch ich Dich an unsern schönen Plan wegen Deines Herkommens erinnern wollte.

Wird was daraus, was ich sehnlichst hoffe und wünsche, so schreibe es mir nur wenige Zeit vorher, wegen Quartier.[213]

Mein erstes Allegro zum Conzert3 ist fertig und, wie man sagt, gelungen. Mein Frankfurter Conzert wird aber erst zu Ende der Messe stattfinden können.

Daß Du noch etwas über mein zweites Heidelberger Conzert sagen willst, ist mir sehr lieb; ich denke in's Morgenblatt und in die französische Mannheimer Zeitung; die liest auch der Großherzog und hat überhaupt ein ausgebreitetes Publikum.

Hierbei erhältst Du ein paar Texte. Genieße sie mit Gott, wenn sie Dir gefallen. Herrn Alexander von Dusch bitte ich an den Pariser Brief zu erinnern. Er braucht sich auch außerdem nicht zu geniren und kann mir schreiben, nicht nur, so oft er Luft hat (denn das möchte nicht oft vorkommen), sondern wenigstens alle 8 – 14 Tage einmal.

Der Simrock ist ein langsamer Hund; ich vermuthe aber, daß er wieder auf die Messe kommen und da selbst Alles mitbringen wird.

Der Teufel ist hier mit dem Theaterwesen los. Weißt Du schon, daß die Gervais hier engagirt ist? An dem armen Titus studiren sie nun schon über 4 Wochen, aber im Conzertsaal und nicht mit den Sängern, die ihn auf dem Theater singen sollen.

Der Großherzog hat sich einen Chor zusammengebracht, aus seinen Hautboisten und jungen Mädchen aus der Stadt, die nun sämmtlich in der Musik Unterricht bekommen und schon recht brav plärren. So 45 – 46 Hälse können schon was zusammenschreien. Der Mittel wären hier so viele, wenn Jemand die Leitung hätte, der es recht verstände. Vogler ist dabei ganz unthätig; wenn ich an seiner Stelle wäre, ich bliebe nicht, wo man meiner so wenig nöthig hätte, oder nöthig haben wollte. Inzwischen ist er's schon ziemlich nun gewohnt, und lebt so seinen Stiefel weg. Er grüßt Dich und Dein lieb Frauchen bestens, dem ich auch die Hand in meinem Namen zu küssen bitte. etc. etc.«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 212-214.
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