VI. Der Teufel und der Wächterhund, der ein Fell bekommt.

[98] Ich beginne mit einem weißrussischen Beispiel.


Gott hat Adam geschaffen und läßt ihn, damit der Teufel ihn nicht verunreinige, vom Hunde bewachen. Der Teufel läßt Kälte gegen ihn los und gibt dem Zitternden ein Fell, worauf er den Menschen bespuckt. Gott setzt den Hund zur Rede, der sich schuldig bekennt, dann den Satan, welcher behauptet, Gutes getan zu haben. »Wende,« sagt er, »das Unreine ins Innere des Menschen. Wenn sich dann infolge der inneren Unreinlichkeit der Husten bei ihm einstellt, wird er sich zuerst an dich erinnern, und er wird ausrufen: Ach Herr, welch ein Husten! Und wenn er ausspuckt, wird er den Auswurf mit dem Fuß zertreten und sprechen: Pfui Teufel!« (eigentlich: Pfui der unreinen Kraft, die sich meiner bemächtigte). Seit dieser Zeit hat der Mensch den Husten.


  • Literatur: Dobrovolskij I, 230, Nr. 9.

Vergleiche folgende großrussische Erzählung aus dem 12. Jahrhundert:


Im Lande Madiam hat Gott den Menschen gemacht. Er hat Erde von acht Teilen genommen und ihn dann auf der Erde liegen lassen. Unterdes kam der Teufel und bestrich ihn mit Schlamm und Schmutz. Als Gott zurückkehrte, um dem Menschen Augen zu geben, sah er, was geschehen war, und verfluchte den Bösen. Hierauf schuf er den Hund und ließ ihn zur Bewachung bei Adam, während er selbst ging, um Adams Seele zu holen (vgl. oben). Wiederum erschien der Teufel, und wieder wollte er dem Menschen ein Übel zufügen. Wiewohl er sich vor dem Hunde fürchtete, der wütend zu bellen anfing, schuf er dem Leibe Adams 70 Krankheiten und stach ihn mit dem Stocke (vgl. oben). Da kam Jesus vom Himmel herab und fragte ihn, warum er so Schändliches getan habe. Der Teufel antwortete: »Wenn die Krankheiten zu dem Menschen kommen, soll er deiner gedenken, und wenn er krank ist, soll er dich um Hilfe anrufen ›gegen diese Krankheiten‹.« Dann hat Gott den Teufel verjagt und die Krankheiten in das Innere des Körpers umgewendet. (Sbornik X, 55.)


  • Literatur: Vgl. Gaster, Greeko-Slavonik 77 (verkürzt) (= Pypin, Očerk literaturnoi istorii stariny pověsti. Petersburg 1858, S. 140).

Wie in den zuletzt angeführten Sagen des vorigen Abschnitts, so wird auch hier die Entstehung der Krankheiten auf den Teufelsspeichel zurückgeführt oder (in der Variante des 12. Jahrhunderts) im Zusammenhang mit Beschmutzung erzählt. Der gemeinsame Grundgedanke ist also hier wie dort derselbe: der Mensch hat, noch ehe er belebt ward, das Übel der Krankheit vom Teufel empfangen. Auch das Gedenken an Gott und den Teufel ist eine bemerkenswerte Übereinstimmung. Es kann sonach kein Zweifel sein, daß die Sagen der vorigen Gruppe und die Sagen, deren[98] Typus soeben angeführt wurde, genetisch zusammengehören. Etwas völlig Neues aber ist der Wächterhund. Die Episode, warum er ein Fell erhielt, ist zwar für den Verlauf der Ereignisse entbehrlich, und darum konnte sie in den vorigen Sagen fehlen. In der überwiegenden Mehrzahl der Varianten aber bildet sie einen mit der Haupthandlung fest verbundenen Bestandteil, und in dieser Form ist die Geschichte der Menschenerschaffung weit verbreitet.

Da nun die Episode sehr häufig in den kosmogonischen Sagen, die im ersten Kapitel besprochen wurden, eingeschaltet ist, so werden wir darin einen wertvollen Fingerzeig für die entwicklungsgeschichtliche Untersuchung erblicken. Wenn wir nämlich die kosmogonischen Sagen im wesentlichen als iranisch-indisch erkannt haben, werden wir den gleichen Ursprung auch für den eingesprengten Bestandteil voraussetzen dürfen, und es wird sich erwarten lassen, daß dessen Verbreitungsgebiet das gleiche sein wird, wie das der kosmogonischen Tradition.

Wir werden zunächst die Verbreitung feststellen und sodann der Ursprungsfrage nähertreten.

Dem russischen Typusbeispiel sehr ähnlich, nur kürzer erzählt, ohne das Ausrufungsmotiv am Schlusse, ist folgende ungarische Volksüberlieferung:


Gott ließ den Hund beim leblosen Körper als Wächter zurück, während er selbst um Kot ging. Der Teufel ließ eine solche Kälte entstehen, daß der Hund nicht imstande war, sie zu ertragen. Der Teufel bot dem Hund einen Pelz an, wenn er ihm den Körper einen Augenblick überlasse. Der Hund nahm den Pelz, der Teufel aber spie den Körper an und legte dadurch den Grund zu allen menschlichen Krankheiten.


  • Literatur: Ethnol. Mitt. aus Ungarn, II, 1890–92, S. 7, mitget. von Kálmány = Kálmány, Világunk, S. 30. = Strauß, S. 47. = Wlislocki, Volksglauben u. religiöser Brauch der Magyaren, S. 93.

An die Stelle Adams tritt Noah in einer großrussischen Variante bei Afanasiev, Nar. russk. leg. Nr. 14:


Gott hat Noah, den Gerechten, geschaffen und dem damals noch nackten Hund befohlen, den Körper zu bewachen und niemand heranzulassen. Der Teufel gibt dem Hund einen Pelz für den Winter, darauf bespeit er Noah, und Gott schilt den Hund: »So sollst du denn nie die Kirchenglocke hören, noch in Gottes Haus gehen.«


Derselbe Schluß, um deswillen die Erklärung der Krankheitsursache fallen mußte, findet sich auch in folgender großrussischen Sage:


Als der Herr Adam und Eva im Paradiese wohnen ließ, stellte er an die Pforte als Wächter den reinen Hund. Dieser war so rein, daß er im ganzen Paradiese umhergehen durfte. Gott befahl ihm, den Bösen nicht hereinzulassen, damit er die Menschen nicht unrein mache. Aber der Teufel warf ihm ein Stück Brot hin und gelangte hinein, worauf er Adam und Eva bespie. Gott krempelte sie um, wischte sie aber nicht ab, um sich nicht die Hände zu[99] beschmutzen. Deshalb ist der Speichel unrein. Zu dem Hunde aber sprach er: »Du warst ein reines Tier und gingst im ganzen Paradies umher. Jetzt sollst du unrein sein und keine Kirche betreten.«


  • Literatur: Jakuškin bei Buslajev, očerki I, 438.

Man beachte, daß nur die Unreinheit von Mensch und Hund betont ist, aber weder Fell noch Krankheit erwähnt sind.

Eine neue Änderung zeigt eine Variante aus dem Kreise Charkov (Ost-Ukraine), insofern der Teufel die Brust des Menschen aufreißt und hineinspuckt. Die »Umkrempelung« ist somit unnötig geworden und fehlt.1 Wichtig ist, daß der Hund den Pelz von Gott empfängt.


Gott formte den Menschen aus Lehm und stellte ihn zum Trocknen auf; dem Hund befahl er aber, acht zu geben, dann ging er. Der Hund wachte nun, wachte, fror stark und schlief ein; er war damals kahl, ohne Fell. Da kam der Teufel, sah den Menschen, riß ihm die Brust in der Mitte auseinander und spuckte hinein, legte sie zusammen, wie sie gewesen war, und stellte den Menschen wieder auf. Da kam der Herr. Er blies ihm die unsterbliche Seele ein, der Mensch aber fing an zu husten. Da wendet sich der Herr an den Hund: »Warum gabst du nicht acht?« – »Ich fror, o Herr, und schlief ein; wenn du mir aber ein Fell gibst, werde ich ihn treu bewachen.« Da gab ihm Gott ein Fell, der Mensch aber behielt für ewig seinen Husten.


  • Literatur: Dragomanov, Maloruss. nar. pred. I, Nr. 1 = Strauß, Bulgaren 21 = Am Urquell III, 17.

Ähnlich ist eine Erzählung russischer Raskolniks aus der Gegend von Pleskov, insofern der Hund auch hier seinen Pelz von Gott erhält.


Gott bildete den Leib des Menschen aus Ton fertig und legte ihn auf die Erde. Während er in seine Kammer ging, die Seele zu holen, stellte er den Hund als Wächter auf. Der Teufel kam, und als er den so schön gebildeten Leib erblickte, dachte er darauf, ihn zu zerstören. Der Hund aber[100] war weder durch Lockungen noch durch Drohungen hinwegzubringen, sondern fuhr auf ihn los und biß ihn in die dünnen Waden. Da ließ der Teufel eine gewaltige Kälte kommen, und der Hund, der damals noch unbehaart war, erstarrte, so daß er sich nicht von der Stelle bewegen konnte. Dann trat er näher und bespie den Leib mehrere Male, was die Ursache von allerlei Krankheiten, Leiden, Sünden und Gebrechen geworden ist. – Gott kam zurück, setzte die Seele ein, wollte aber nicht erst den ganzen Leib umbilden, sondern ließ ihn unverändert, da er einsah, daß auch diese Leiden notwendig seien. Dem Hunde aber gab er einen Pelz, damit er in ähnlichen Fällen sein Wächteramt besser verwalten könne.


  • Literatur: Ztschr. f. dtsch. Myth., IV, 158 = Rußwurm, Sagen aus Hapsal, S. 155, Nr. 164. Vgl. ebenda S. 140: Alle Krankheiten, deren natürliche Ursachen man nicht alsbald ergründen kann, sind vom Teufel oder von bösen Menschen aufgelegt. (Schwedisch.)

Weiter entfernt von diesen Sagenformen steht folgende weiß-russische Variante (Dobrovolskij, ebenda Nr. 10):


Gott stellte den Tod vor das Paradies, es vor dem Bösen zu bewachen, und gab ihm als Beistand zwei Hunde. Da zeigte sich der Teufel in den Lüften, und die Hunde bellten. Er aber sandte eine große Kälte auf sie herab, und da die Hunde damals noch nackt waren, krümmten sie sich und konnten nicht mehr bellen. Darauf ließ sich der Teufel herab und verlangte nur ein Eckchen des Paradieses zu sehen. »Nein,« sagte der Tod, »der Herr hat mir nicht einmal erlaubt, die Tür zu öffnen.« Der Teufel warnte: »Deine Hunde werden erfrieren, du siehst, wie sie vor Kälte zittern. Dann wirst du niemand zur Bewachung des Paradieses haben und allein sein. Öffnest du aber, so will ich den Hunden ein Fell geben.« Der Tod sagte: »Wenn ich dir eine Spalte öffne, wirst du dann den Hunden ein Fell geben?« Da bedeckte sie der Böse mit einem Fell, die Hunde fingen wieder an, herumzulaufen, und der Tod freute sich. »Ich will dir ein ganz kleines Spältchen öffnen, daß du hineinsehest.« Er tat es, und der Böse warf einen Blick auf das Paradies. [Aus dem fortgesetzten Verkehr beider – der Tod ist Femininum – entstehen drei Töchter.] Der Herr kam zum Tode, und während der Teufel sich versteckte, tat er die Frage: »Wer hat deine Hunde bekleidet?« Der Tod sagte: »Sie waren schon so.« Gott antwortete: »Ich gab sie dir nackt.« – »Jawohl, Herr, aber das Fell wuchs von selbst auf ihnen.« – »Warum ließest du den Teufel das Paradies schauen?« – »Herr, ich habe gesündigt.« – »So geh und lebe beim Teufel.« Er verjagte ihn und machte einen richtigen Tod, und dieser Tod ist geblieben bis heute.


Wir wenden uns zu den Sagen der europäisch-asiatischen Grenzvölker.


1. Sage der Mordvinen:


Tscham-Pas (der Schöpfer, der auch den Saitan als seinen Gehilfen erschuf) formte den Menschen aus Kot, aber die Seele war noch nicht in ihn gehaucht. Auf einen Augenblick wandte sich Tscham-Pas schöpfungshalber anderswohin und ließ den Hund zur Bewachung des erschaffenen Körpers zurück, damit Saitan sich ihm nicht nähern und ihn nicht verunglimpfen könne. Der Hund war bis dahin ein reines Tier und hatte kein Haar an sich. Saitan ließ nun eine schreckliche Kälte entstehen, so daß der Hund dadurch beinahe[101] zugrunde ging; er machte daher dem Hunde den Vorschlag, er möge sich gegen die Kälte in Haare kleiden, damit er sich dem von Tscham-Pas erschaffenen, damals noch seelenlosen Menschen nähern könne. Der Hund willigte ein. Saitan bespie den Menschen ringsherum, und aus diesem Greuel entstanden die Krankheiten. Dann hauchte er in den Menschen auch den Geist des Bösen ein. Tscham-Pas kam hinzu, vertrieb den Saitan und ließ auf dem Hunde für immer die unreinen Haare stehen. Damit er den von Saitan verunreinigten Körper des Menschen heile, kehrte er ihn ganz um; aber trotzdem blieben in ihm die aus Saitans Speichel entstandenen Krankheiten. Dann verließ er den Menschen, nachdem er ihm noch eine gute Seele eingehaucht hatte.

Deshalb hat der Mensch Neigung sowohl zum Guten, als auch zum Bösen; die guten Neigungen rühren vom Hauche des Tscham-Pas, die bösen von dem des Saitan her. Als nun auf diese Weise der Mensch erschaffen war, zeigte Saitan auf den Menschen und sprach also zu Tscham-Pas: »Zur Hälfte hat er meine Seele in sich, zur Hälfte die deine. Teilen wir auf zwei Teile die Menschen; die eine Hälfte gehöre mir, die andere dir.«


  • Literatur: Strauß, S. 19 = Russkij Věstnik IV (1867). In einer Variante wird die Haut des Menschen, die bis dahin hornartig war, durch den Teufelsspeichel genommen und bleibt nur an Nägeln und Zehen. Dem Hunde verspricht der Teufel ein Fell. (Veselovskij S. 7.)

In dem Schluß dieser Sage erkennen wir eine vollkommen zutreffende Parallele zur bogomilischen Sage (oben S. 92), in der der Teufel ebenfalls eine Teilung mit Gott ausmacht. Und hier wie dort hat er ein gewisses Anrecht dazu. Bei den Bogomilen als der Schöpfer des Menschen, bei den Mordvinen, weil er dem Körper seine Seele eingehaucht hatte. Außer der Krankheit ist auch der Geist des Bösen besonders hervorgehoben.


2. Die Berg-Tscheremissen im Kazaner Gebiet.


Bei der Erschaffung des Menschen benutzte Keremet die Zeit, als Yuma in den Himmel um Seelen zu holen ging, dazu, daß er des Menschen Körper vom Scheitel bis zur Sohle so sehr anspie, daß ihn Yuma zu reinigen nicht vermochte, sondern einfach das Äußere nach innen kehrte. Deshalb wurde des Menschen Inneres unrein. Zugleich verfluchte Yuma den Hund. Denn diesen hatte er zur Bewachung des Menschen hingestellt. Aber da Keremet eine furchtbare Kälte gegen den damals noch unbehaarten Hund sandte und ihm hernach ein Fell versprach, wenn er ihn zum Menschen herantreten ließe, so war der Hund dem Befehle Yumas nicht nachgekommen.


  • Literatur: Strauß, S. 17. Vgl. Veselovskij, S. 6; Ermans Archiv f. wissensch. Kunde Rußlands, 17, Heft 1, 1858, S. 387–388.

Wiederum beachte man, daß nicht die Krankheit, sondern die innere Unreinheit des Menschen genannt ist.


3. Die Wogulen.


Bevor Gott seinem Geschöpfe (das mit einer Hornhaut bedeckt war) eine Seele gegeben hatte, erhob er sich in den Himmel, damit er ausruhe und Nahrung zu sich nehme. Für diese Zeit, weil er eben vermutete, daß in der Nähe irgend ein Teufel lauere, befahl er den Hund hin, damit dieser seinen Menschen vor des Teufels Zerstörung bewache. Damals war aber der Hund noch haarlos,[102] weil es eben nur Sommer gab. Als der Herr sich vom Menschen und vom Hunde entfernte, kam gar schnell zu ihnen der Teufel. Anfangs bellte ihn der Hund an, dann stürzte er auf ihn los, damit er ihn beiße. Der Teufel begann den Hund zu überreden, daß er ihn zum Menschen lasse; aber der Hund wollte davon gar nichts wissen, sondern wurde noch wütender. Da begann der Teufel dem Hunde einen Haarpelz anzubieten; aber dieser wußte nicht, wozu dieser Gegenstand dienlich sei. Der Teufel erklärte ihm nun, daß der Winter kommen werde und er dann ohne Pelz wegen der Kälte gar schwer bestehen könne. Der Hund willigte nun ein, worauf ihn der Teufel anspie. Da auf einmal bedeckte den Hund ein Haarpelz, mit Ausnahme seiner Nase, die des Teufels Speichel nicht bedeckt hatte. Dann ließ der Hund den Teufel zum Menschen treten, den dieser ebenfalls anspie. Da wurde des Menschen nagelartige Haut weich, mit Ausnahme der Fingerspitzen, wohin des Teufels Speichel eben nicht reichte. Als Gott vom Himmel herabstieg und sah, daß der Teufel den Menschen verdorben habe, verfluchte er den Hund, daß er ewig des Menschen Diener sei und er nur ein so großes Stück Brot zur Nahrung erhalte, wie seine Nase haarlos geblieben ist. Dann hauchte er Seele in den Menschen, dessen Geschlecht von dieser Zeit an lebt.


  • Literatur: Strauß, S. 15.

Hier steht die rein äußerliche Wirkung des Teufelsspeichels auf die Haut im Vordergrunde, wobei insbesondere die Beziehung der Hundehaare zu diesem Speichel als etwas Neues erscheint. In dieser Hinsicht ist folgende türkische Sage mit der wogulischen verwandt.


4. Die Türken.


Allah erschuf den ersten Menschen und wies ihm die Erde zum Wohnsitz an. Als nun auf Erden der erste Sterbliche erschien und die Himmlischen sich seiner freuten, spie der neidische Teufel seinen Speichel auf den reinen Leib des ersten Menschen. Er traf ihn gerade in die Gegend des Nabels und wollte hierdurch die Sünde in ihn hineinimpfen. Aber Allah eilte hinzu, riß das Fleischstück mit dem Speichel aus und warf es zu Boden. So entstand des Menschen Nabelstelle. Das Fleischstück mit dem Speichel verwandelte sich in einen Hund. Da dieser nun zur Hälfte aus dem Körper des Menschen, zur Hälfte aus dem Speichel des Teufels entstanden ist, so kommt es, daß der Moslim dem Hunde nie etwas zuleide tut, aber ihn trotzdem in seinem Hause nicht duldet. Denn er entstammt menschlichem Fleische, darum beschützt der Moslim ihn, aber er entstammt auch dem Speichel des Teufels, deshalb verachtet er ihn. Was von Anhänglichkeit und Treue in ihm ist, das hat der Hund vom Menschen geerbt, was aber von Wildheit und maßloser Wut in ihm steckt, das macht in ihm der Anteil des Satans aus. So wie im Morgenland hat sich der Hund nirgends vermehrt, denn sein Feind war ihm zugleich sein Verteidiger, sein Beschützer – es war der Muselmann.


  • Literatur: Strauß, S. 20 f.

Auch hier ist bemerkenswert, daß der Speichel nicht Krankheit, sondern Sünde erzeugt.


5. Die Wotjaken.


Nach der Vertreibung des ersten Menschenpaares werden mehrere neue Paare geschaffen, die von je einem schwarzen Hunde bewacht werden.[103] Daher steht der Hund bei den Wotjaken in Ehren, weil er den Bösen vertreibt.


  • Literatur: Veselovskij, S. 14. Eine Variante ist gleich der mordvinischen und tscheremissischen Sage.

Wir beenden unsere Umschau mit einem Überblick über die asiatischen Sagen.


1. Die Kirgisen.


Eine Sage im Etnografičeskoje Obozrěnie 8, 250–252 (mir nicht zugänglich).


2. Die Ostjaken.


Als Gott den Menschen erschaffen hatte, war dieser so stark wie das Horn. Der Hund bewachte den Menschen, ließ niemanden an ihn heran. Kam zu ihm Jung-Jelemtejung und sagte: »Gibst du mir diesen, so geb ich dir einen Pelz.« – »Wenn ich ihn hingebe, dann schlägt mich mein Herr,« versetzte der Hund. »Fürchte dich nicht, er schlägt dich nicht!« meinte jener. Der Hund widerstand zwei bis drei Tage, dann gab er ihm den verlangten Preis. Danach kam Gott selbst und erfuhr, daß man ihn betrogen. Er fragte den Hund: »Warum zogst du dir diesen Pelz an?« Der Hund versetzte: »Es kam jemand und verlangte den Menschen, und ich gab ihn hin.« Da sprach Gott: »Du hast keinen Verstand. Dich werden nun die Menschen für immer halten, daß du Kot verzehrest.«


  • Literatur: Nach Strauß, Bulgaren, S. 21 = Munkaćsi, Ethnographia V, 270. Diese Sage fand sich in Pápais Nachlaß. Sie ist wohl nur flüchtig aufgezeichnet, jedenfalls entstellt, wie bei Strauß zu ersehen ist. Ich habe versucht, durch Änderung einen Sinn hineinzubringen.

3. Bei den Samojeden wiederholt sich die Erzählung vom Wächterhund.


Gott schuf am Ende der Schöpfung den Hund und den Samojeden. Beide waren nackt. Der Hund bewachte den Menschen vor dem Teufel, der ihm sein Glück auf Erden neidete. Als der Mensch einmal schlief, ließ der Teufel einen starken Frost herab und täuschte den Hund durch Versprechen eines Felles. Er strich ihn mit der Hand, und das Fell wuchs, und so gestattete der Hund ihm, sich dem Menschen zu nähern. Er spie ihn an, wovon der Körper sich mit Blattern bedeckte. Danach begann er zu kränkeln und unter der Kälte zu leiden. Der Hund hörte auf, ihn zu bewachen; die Tiere, die sich früher auf seinen Ruf näherten, flohen ihn, und er mußte zur List greifen, um sie zu beherrschen. Gott erbarmte sich seiner und gab ihm ein Weib.


  • Literatur: Veselovskij, S. 17 f. = Kušelevskij, Sěvernyj polius i zemlja Jalmal (1868), S. 116 f.

4. Altaische Sagen.

a) Früher, früher hat der große Pajana den Menschen gemacht, die Seele verstand er nicht zu machen. Er ging zum großen Kudai, um die Seele zu erbitten. Zu einem Hunde sprach er: »Du bleibe hier, passe auf und belle.« Pajana ging davon, der Hund blieb da. Darauf kam der Erlik. Erlik sprach, um ihn zu betrügen: »Du hast keine Haare, ich werde dir goldene Haare geben; gib mir jenen seelenlosen Menschen.« Der Hund gedachte goldene Haare zu kriegen und gab ihm den Menschen. Erlik bespie den Menschen ganz und gar; da kam Kudai, um dem Menschen die Seele zu geben, und Erlik entfloh. Kudai sah den Bespienen, vermochte ihn aber nicht zu reinigen; da kehrte[104] er den Menschen um: deshalb ist der Speichel im Innern des Menschen. Darauf schlug Kudai den Hund. »Du Hund magst schlecht sein,« sprach er, »der Mensch möge mit dir machen, was er will; er möge dich schlagen, dich töten; du sei ganz und gar ein Hund.«


  • Literatur: Radloff I, S. 285. Erzählung der Schwarzwald-Tataren an der Bija (nicht weit von der Lebedmündung).

b) Ulgeň schuf den Körper des Menschen aus Erde, Knochen und Stein, das Weib aus dessen Rippe und legte beide auf den Boden. Danach schuf er einen Hund, doch ohne Fell, und ließ ihn zur Bewachung der beiden Menschen zurück, während er fortging, eine Seele zu holen. Währenddessen kam der Teufel (Erlik), aber der Hund fing an zu bellen und ließ ihn nicht zu den Körpern. Erlik sprach: »Ich kam, dir ein Fell zu geben und die Seelen in die Körper zu legen.« – »Wenn es so ist, so geh und tue es.« Dem Hunde wächst nun davon, daß er Erliks Exkremente frißt, das Fell, und der Teufel bläst den Menschen die Seelen ein, indem er ihnen ein Rohr in den After steckt. Als Ulgeň zurückkehrt, gedenkt er die Körper zu vernichten und neue zu schaffen, weil Erlik eine schlechte Seele in sie gelegt habe, aber auf Fürsprache des Frosches (vgl. S. 71) läßt er sie leben.


  • Literatur: Erzählung altaischer Tataren (Nordwestmongolen). Veselovskij, Razyskanja XI, S. 23 f.

c) Altaische Variante hierzu:


Der Gott Mai-Tere schafft sieben Männer, bei diesen sieben Bäume und bläst den Körpern Seelen ein. Nach sieben Jahren wachsen Äste auf den Bäumen, aber die Menschen vermehren sich nicht. Da belebt Mai-Tere eine Schlange, umwindet ein Weih mit ihr und setzt den Hund zum Schütze der Frau hin. Der Teufel Erlik verführt den Hund, indem er ihm ein Fell verspricht, und bläst der Frau mit einer siebenzügigen Pfeife die Seele ein. Darum ist die Seele der Frau sehr böse, der Verstand siebenfach.


  • Literatur: Veselovskij, Razyskanja XVIII/XXIV, S. 108 f.

d) Litauische Parallele aus dem Wilnaer Gebiet, die vielleicht von den Tataren stammt, da deren Fürsten im Gouvernement Wilna herrschten:


Gott schuf Adam, der Teufel Eva. Da er ihr mit seinem Federkiel keine Seele einblasen konnte, nahm er den von Gott zurückgelassenen Kiel. Da noch etwas vom göttlichen Geiste darin war, so wurde Eva lebendig, aber der Teufel hat auch etwas von sich selber hinzugegeben.


  • Literatur: Etnografičeskoje Obozrěnie VI, 141.

e) Während Očurman und Tschagan-Schukut (s. Kap. I) eine Seele holen, um den von ihnen aus Erde erschaffenen Menschenkörper zu beleben, lassen sie den Hund als Wächter zurück. Der Teufel Schulmus erlangt Zutritt, da er ihm durch einen Zauberspruch ein Fell gibt, und belebt den Körper. Očurman und sein Gefährte kehren zurück und befragen ihn, erhalten aber keine Auskunft.


  • Literatur: Veselovskij XI, S. 28 (mongolisch).

f) An die Weltschöpfungsgeschichte der südsibirischen Altajer (oben S. 3 fg.) ist der Sündenfall angeschlossen (Radloff I, S. 178 f.):


Gott verbot den Menschen, von vier Zweigen des einzigen Baumes zu essen, und setzte an den Fuß des Baumes einen Hund, indem er sagte: »Wenn[105] der Teufel kommt, so fasse ihn.« Außerdem setzte er eine Schlange hin, indem er sagte: »Wenn der Teufel kommt, so beiße ihn.« Die Schlange aber schlief ein. Der Teufel drängte sich in sie und sprach zu ihr: »Klettre auf diesen Baum hinauf!« Die Schlange tat es, aß die den Menschen verbotene Speise und verführte Edji (= Eva) davon zu essen. Töröngöi aß sie nicht. Darauf streifte Edji die Frucht ab und strich sie in den Mund des Töröngöi. Dann erscheint Gott und setzt die Schuldigen zur Rede, erst das Menschenpaar, dann die Schlange, die sich entschuldigt: »Ich war eingeschlafen, da kam der Teufel zu mir«; zuletzt den Hund, indem er fragt: »Hund, was war mit dir? Weshalb hast du den Teufel nicht gepackt?« Der Hund sprach: »Meinen Augen war er unsichtbar.« Gott spricht das Verdammungsurteil über die Schlange, Edji und Töröngöi aus. Vom Hunde ist nicht weiter die Rede. Er scheint aus der Sage von der Menschenschöpfung in die Sage vom Sündenfall geraten zu sein. Die gleiche Verquickung beider Stoffe gibt es bei den Jesiden. Nach Menant, Les Yézidis, findet sich als Tempelskulptur das Bild eines Baumes mit zwei Hunden, sowie unterhalb desselben Baum und Schlange. (Vgl. Badger, Nestorians I, 107.) Auch in Rußland fanden wir zwei Hunde sowie das Paradies als den Ort der Handlung und Adam und Eva als die Personen. Doch war der letzte Schritt – die Verwendung des Wächterhundes als Wächter des Baumes – noch nicht getan.


5. Die Buräten und Jakuten.

a) Die Buräten.


1. Als der Stammvater der Menschen Bucha Nojan und seine Gattin Budan Chatun auf den Gedanken kamen, das menschliche Geschlecht fortzupflanzen, schnitten sie menschliche Figuren aus Papier und stellten den Hund, der bis dahin ganz unbehaart war, an den Eingang der Furte, damit der Teufel nicht in die Furte käme und die neugeschaffenen Menschen, deren Leib ganz behaart war, verdürbe. Der Hund vergaß seine Pflicht, der Teufel drang durch eine Wandspalte in die Furte und verdarb die Neugeschaffenen, indem er ihren Körper gröblichst verunreinigte. Die Stammeltern griffen nach einem Schabmesser, um die Menschen wieder reinzuschaben; dabei schabten sie ihnen fast alle Haare vom Leibe. Den Hund aber straften sie für seine Dummheit, indem sie ihn mit den verunreinigten Haaren bedeckten.


  • Literatur: Das Inland, 1862, Nr. 3, 15. Jan. Mitget. von Schiefner.

2. Gott legte die Menschen in eine helle Kammer und stieg in den Himmel, um die Seele zu holen. Als Wächter stellte er einen Hund, der nackt erschaffen war, während der Mensch zottig war. Der dem Befehl des Herrn gehorsame Hund ließ den Teufel nicht an den Menschen heran, bis dieser einen Sturm erzeugte, welcher ihn wegjagte. Dann ging der Teufel hin und spuckte auf den Körper des Menschen, infolgedessen fielen die Haare ab und der Körper wurde sterblich. Den Hund bestrafte er, indem er ihn mit Fell bedeckte.


  • Literatur: Sage der Irkutsker Buräten. Veselovskij XI, 28.

b) Die Jakuten.


Nach der Erdschöpfung bildete der Schöpfer ein großes Steinhaus, stellte Steinbilder darein und setzte den Menschen als deren Wächter dazu. Jeden Tag suchte der böse Geist den Menschen zu bestechen und sich Eingang ins[106] Haus zu verschaffen. Endlich erreichte er sein Ziel, als er dem Menschen versprach, ihm einen buntscheckigen Putz zu geben, der nicht abgenutzt würde und keiner Ausbesserung bedürfe. Als er Zutritt erlangt hatte, verunreinigte er die Bilder durch Dreck und seinen Kot. Der Schöpfer kam, sah, was vorgefallen war, und gab ihm, was er sich gewünscht hatte: er verwandelte ihn in einen Hund. Die Steinbilder aber wendete er um, das Äußere nach innen. Dann blies er ihnen Leben ein. Seitdem sind die Menschen voll Dreck und Kot.


  • Literatur: Veselovskij, ebda.

Fußnoten

1 Eine für sich allein dastehende bulgarische Sagenform, die die Unvollkommenheit des Menschen ohne Dualismus erklärt, lautet wie folgt:

Gott setzte einen Tag fest, an dem er den Menschen erschaffen wollte. Des Morgens stand er früh auf, machte sich fertig, nahm eine Hacke und hackte die Erde. Er nahm Lehm und machte Menschen wie der Töpfer die Tonfiguren. Zuerst bildete er die Füße, dann den Rumpf, dann Hände, Kopf, Haare, Ohren, Auge, Mund, Nase und viele andere Organe. Diese einzelnen Teile ordnete er wie ein Uhrmacher und setzte sie sorgfältig zusammen, damit alles vollkommen sei. Einen ganzen Tag dauerte das. Zuletzt kriegte er Hunger, wollte sich ausruhen und etwas essen. Er freute sich aber der Geschöpfe und sagte: »Ich brauche noch zehn Menschen! Es ist besser, ich mache eine Form.« Schnell stand er auf, wusch sich die Hände, bekreuzigte sich und machte eine Form. Nun ging er an die Arbeit, nahm Lehm und tat ihn in die Form. Sofort war der Mensch fertig. Da aber die Zeit kurz war, konnte er nicht nachsehen, ob alle gut waren. Warum bestimmte er nicht zwei Tage zur Menschenschaffung, damit alle gleich vollkommen wären, wie die ersten? Gott hatte sich eben von vorn herein nur einen Tag ausgesucht, und wie ein Kaiser sein Wort nicht zurücknehmen kann, so kann auch Gott nicht zurückgehen. Und so gibt es heute gute und schlechte Menschen. Die guten stammen von Gottes Handarbeit, die schlechten von der Formarbeit. Sbornik XV, 91.


Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 107.
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