D. Gott und der Teufel ackern.

[192] 1. Einstmals bestellte der Teufel mit seinem Pferde das Feld. Gott hatte einen Hasen an seinen Pflug gespannt. Als die beiden Ackerbauer am Mittag zurückkehrten, hatte der Teufel einen großen Teil seines Feldes bestellt, Gott dagegen nur eine kleine Ecke. Nach dem Essen legten sich alle beide zur Ruhe, aber kaum war der Teufel eingeschlafen, so nahm ihm Gott sein Pferd weg, spannte es an seinen Pflug und bestellte noch einmal soviel Land als der Teufel, worauf er das Pferd wieder auf die Weide trieb. Als der Teufel erwachte, war er sehr erstaunt, daß Gott ein so großes Stück Land mit seinem Hasen beackert hatte; da sprach Gott zu ihm: »Nun wollen wir einmal die Pferde wechseln!« Der Teufel überlegte: man arbeitet viel mehr mit Gottes Pferd (dem Hasen), außerdem frißt es viel weniger. Nach dieser Erwägung tauschte der Teufel sein Pferd gegen den Hasen aus. Als er aber wieder anfing, zu ackern, ging die Arbeit gar nicht vorwärts. Endlich wurde es ihm langweilig, er spannte den Hasen ab, band ihm die Füße zusammen und ließ ihn auf die Weide gehen. Aber kaum war der Hase frei, so floh er trotz seiner Fußfesseln in den Wald. Seit dieser Zeit sind die Füße des Hasen immer zusammengebunden, und darum kann er nur springen.


  • Literatur: Revue des Trad. pop. II, 484. Lettisch. (Vgl. die gebundenen Füße des Sperlings in Band II, unter Sagen von Christi Kreuzigung.) Ähnlich Lerchis-Puschkaitis VII, S. 1174, Nr. XI, 3.

[192] 2. Einst ging Gott mit dem Teufel in der Welt umher, und sie nannten sich Gevatter. Sie hatten jeder ein Feld; der Teufel ackerte mit Pferden und Gott mit einem Specht; der Teufel ackerte tagsüber viel, aber der liebe Gott wenig, er nahm dafür bei Nacht die Pferde des Teufels und beendete dadurch seine Arbeit immer zur rechten Zeit. Endlich sagte der Teufel: »Gevatter, tauschen wir; nimm mein Pferd und gib mir deinen Specht.« Denn er dachte sich, daß es leichter sei, einen Specht zu ernähren, als ein Pferd, und daß die Arbeit doch ebenso fertig würde. So tauschten sie; der Teufel spannte den Specht an die Gabelstange des Pfluges und bemerkte erst jetzt, daß dieser die Stange nicht einmal bewegen könne. Er ward sehr zornig, nahm ihn vor Wut, hackte auf ihn und durchstach ihm den Kopf. Darum ist der Specht jetzt bunt und hat einen roten Kopf.


  • Literatur: Zbiór XV, S. 266, Nr. 8. Sage der Letten in Polnisch-Livland.

Lettische Parallele:


Der Teufel hat sich mit Gott ausgesöhnt, er hat sich anderes Vieh verschafft, und beide versorgen sich für den Winter mit Heu. Dabei bedient sich Gott eines Meißels (oder einer Sichel), der Teufel einer Sense. Verschiedene Überlieferungen erzählen, wie sich Gott durch List die Sense des Teufels verschafft. Während der Teufel schläft, benutzt er dessen Sense, bildet jenem ein, er habe das mit seinem Meißel zustande gebracht, und veranlaßt ihn so zum Tausch. Oder sie mähen um die Wette, der Teufel voran, darf sich nicht umsehen. Gott ist ihm, ohne selbst zu mähen, auf der Ferse und treibt zur Eile, bis der Teufel die Wette verloren gibt usw. – Zuletzt verliert Gott seine Sense, nach langer Zeit finden sie die Menschen und machen sich nach ihrem Muster neue.


  • Literatur: L.-P. VII, S. 1170, Nr. XI, 21.

Die Elster lacht den betrogenen Teufel aus; er wirft einen Meißel nach ihr, der bleibt am Hinterteil haften, die Schneide nach außen, der Stiel nach innen.


  • Literatur: L.-P. VII, S. 1172, Nr. XI, 25.6.
Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 192-193.
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