5. Die Oswaldsage.

[331] Nachklänge der vorhergehenden Salomosagen von dem Wiedehopf als Boten, sowie dem vom Fisch verschlungenen Ring finden wir auch im deutschen Mittelalter.

Das mittelhochdeutsche Gedicht von Sankt Oswald erzählt:


Oswald, ein mächtiger König, will heiraten. Ein Pilger erzählt ihm von einer heidnischen Königstochter namens Pauge [Pfeiffer, Germ. 5, 165, Anm.] jenseits des Meeres. Ihr Vater will sie selbst zur Ehe nehmen und läßt daher jeden Boten, der um sie wirbt, umbringen. Als passenden Boten nennt der Pilger den Raben. Dieser erscheint zögernd. Zum Lohne bekommt er eine goldene Krone. Oswald bindet ihm einen Brief unter die Flügel. Über das Meer fliegend, wird der Rabe von einem Meerweibe in die Tiefe entführt[331] und rettet sich nur durch List. Am Hofe des Heidenkönigs besiegt er diesen im Schachspiel. Die Königstochter wird durch des Raben Botschaft für Oswald gewonnen und will sich von ihm entführen lassen, wenn er gewisse Wunderwerke vollbringe. Sie sendet den Raben mit dieser Botschaft und einem Ring, der wunderbare Eigenschaften hat, zurück. Als er über das Meer fliegt, fällt ihm der Ring hinein, den ein Fisch verschlingt. Ein Fischer fangt den Fisch, in dem sich der Ring findet. Oswald fährt jetzt selbst in Verkleidung übers Meer und gewinnt die Königstochter.


  • Literatur: Vgl. C. Singer, Salomosagen in Deutschland, Zeitschr. f. deutsches Altertum 35, 177–187.
Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 331-332.
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