XII. Die Marterwerkzeuge als Denkzeichen.

A. Der Hecht.

[226] Der Hecht hat die Leidenswerkzeuge des Heilandes in seinem Kopfe: Kreuz, Leiter, Hammer, Nägel, Zange, Geißel, Schwamm. Die Juden zogen nämlich den Herrn Jesum, als er das schwere Kreuz trug, durch einen Bach, und da bildeten sich die Leidenswerkzeuge in dem Kopfe dieses Fisches nach.


  • Literatur: Baumgarten 1, 111. Grohmann, Abergl. u. Gebräuche Nr. 556. Vgl. Revue des trad. pop. 17, 2, 161. Jahn, Zauber S. 7. Strackerjahn 2, S. 110 Nr. 405, S. 63. Mélusine 4, 474. Monseur, Folklore Wallon S. 10. Zeitschr. f. öst. Volksk. 3, 161 (das Volk des Marchfeldes erkennt im Kopfe des Hechtes das Eccehomobild). Birlinger, Volkstüml. aus Schwaben 1, 254. Schulenburg, wend. Volkssagen u. Gebr. 266. Lemke, Volkstümliches aus Ostpreußen 2, 19. Friedrich, Symbolik S. 618. Blätter f. pomm. Vk 8, 185 = Rogasener Familienblatt 1, 56 (Kreuz, Beil, Spieß; »darum kann sich der Teufel zwar in jedes andere Tier, aber niemals in einen Hecht verwandeln«).

B. Der Stockfisch.

In und um Wien will man im Gegräte des Stockfisches die Leidenswerkzeuge finden.


  • Literatur: Zeitschr. f. öst. Volksk. 3, 161.

Parallelen:


Im Kopfe des Weißlings (gadus merlangus) sieht man die Jungfrau und ihr Kind.


  • Literatur: Revue des trad. pop. 17, 161.

In gewissen Knochen im Eberkopfe wollen die Bauern der belgischen Ardennen ein Kreuz erkennen.


  • Literatur: Ebenda 16, 152 = Sébillot, Folklore 3, 12.

C. Die Eidechse.

Als Christus verlassen am Kreuze hing, kroch die Heggoas (Heckengeiß, Eidechse) herbei, um mit ihrer Zunge das herabtropfende Blut des Erlösers aufzulecken. Zum Danke für diese Teilnahme hat sie ein Gerippe, welches das ganze Leiden Christi, d.h. alle Marterwerkzeuge darstellt: Hammer, Nägel, Leiter, Kreuz, Geißelstock und Dornenkrone.


  • Literatur: Vonbun, Sagen aus Vorarlberg S. 122.

D. Die Passionsblume.

Man erzählt, daß, als Christus am Kreuze hing, in den drei Stunden des Todeskampfes ein Tropfen seines hochheiligen Blutes auf ein Pflänzlein gefallen wäre. Dieses verdorrte, aber sein Same verbreitete sich über die Erde, keimte dann und gab die Passionsblume. Diese Blume bietet die Symbole der Passion Christi, d.h. die Apostel, die Dornenkrone, die drei Nägel, mit denen Christus gekreuzigt wurde.


  • Literatur: Pitrè, Usi e cost. Sic. 3, 271. Vgl. Archivio d. trad. pop. 1886, p. 172 und Pitrè, Appunti di botanica bolognese p. 10. – Rolland, Flore pop. 2, p. 156 zitiert Paralipomena Americae fol. 101 (in De Bray, Grands voyages 1626 fol. t. II) »Narrant pleraque omnia instrumenta passionis dominicae in hoc flore conspici qualia sunt clavi, flagellum, columna, corona spinea, lancea.« Die weite Verbreitung dieser Auffassung beweisen die bei Rolland aufgeführten Namen der Pflanze.


E. Krautkolben (Arum maculatum).

[227] Das gläubige Volk des Marchfeldes will an den vielnervigen Blättern der Krautkolben die Passionswerkzeuge erkennen.


  • Literatur: Zeitschr. f. öst. Volksk. 3, 161.

Ebenso in Schwaben: Birlinger 1, 771, 9.

Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 226-228.
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