Dreiundzwanzigstes Capitel.
Von der Seelen Arzeney.

[45] Der selige Augustinus erzählt, daß es vor Alters Sitte war, daß die Körper der Kaiser nach ihrem Tode verbrannt und ihre Asche auf einen erhabenem Orte niedergelegt wurde. Nun begab es sich aber einstmals, daß einer starb, dessen Herz durchaus nicht verbrennen wollte. Da nun aber viele sich hierüber verwunderten, so ließ man alle Philosophen und Weisen aus jenem Staate zusammenrufen, und als man bei ihnen nach der Ursache davon geforscht hatte, sagten sie endlich, der Kaiser sey vergiftet worden und das Herz könne wegen dem darin verborgen liegenden Gifte nicht in Brand gesetzt werden: hierauf zogen sie dasselbe aus dem Feuer und legten Theriak darauf, wodurch sie das Gift vertrieben, und als nun das Herz zum zweiten Male ins Feuer gelegt wurde, da wurde es alsbald in Asche verwandelt.

Quelle:
Gesta Romanorum, das älteste Mährchen- und Legendenbuch des christlichen Mittelalters. 3. Auflage, Unveränderter Neudruck Leipzig: Löffler, Alicke 1905, S. 45.
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