Moses im gelobten Lande

[148] Ein gewisser Pope war verheiratet. Da sein Weib nicht zauderte niederzukommen, hütete sie das Bett und ihr Mann sah sich seit langem schon genötigt, die Fasten einzuhalten.

Auf Rat seiner Frau nun hatte der Priester zur Führung des Haushaltes die Mesnertochter genommen, ein frisches, fröhliches Ding, die zu allem entschlossen war und auch nicht mehr hätte angeben können, allwo sie ihre Jungfernschaft verloren.

Eines Nachts nun brach ein furchtbarer Sturm los, der ein gut Teil der Gartenfrüchte herunterwehte. Sobald es tagte, sprang der Pfarrer aus dem Ehebett, legte seinen Rock als einziges Bekleidungsstück an, weckte die Magd auf und eilte in den Baumgarten.

»Der Wind hat sich gelegt,« sprach er zum Mädchen. »Benutzen wir den Augenblick, wo es nicht mehr regnet, um all die Früchte, die der Sturm heute nacht auf die Erde geworfen hat, aufzulesen und zusammenzutragen!«

Das junge Mädchen hebt ihr Kleid vorn hoch und bedient sich seiner als Korb, nicht daran denkend, daß sie mit dem Rock auch ihr Hemd aufgerafft haben könnte.[149]

Fragt sie der Pfaffe: »Was ist denn da Schwarzes, Haariges und Rosiges unten an deinem Leibe?«

»Wie, seht Ihr es?«

»Du hast zugleich mit deinem Rock auch dein Hemd aufgeschürzt!«

»Nun wohl,« entgegnet die Magd, »das nennt man das gelobte Land.«

»Ein hübscher Name für ein hübsches Ding,« bemerkt der Pfaffe.

Und siehe da, er seinerseits hebt auch den Rock auf und sammelt Apfel ein; und läßt dabei seinen Priesterstab blicken, der hart wie ein Stein ist.

»Mein Vater,« fangt die Schelmin an, »sagt mir doch den Namen dessen, was Ihr zwischen den Schenkeln tragt.«

»Das heißt Moses, lieb' Kind. Hast du deine biblische Geschichte noch gut im Kopfe? Laß sehen; sage mir, was du von Moses weißt.«

»Er ward aus den Wassern Ägyptens gerettet und führte die Juden in die Wüste ...«

»Ist das alles, was du behalten hast?«

»Oh, es gibt da noch einen Haufen alberner Reden: Mehl fiel vom Himmel, Frösche fielen wie Regen hernieder ...«

»Du lässest es an Achtung heiligen Dingen gegenüber fehlen; doch stimmt's beinahe. Aber sag' an, was wollte Moses in der Wüste tun?«

»Er wollte ins gelobte Land ziehen!«[150]

»Hat er es betreten?«

»Nein, er ist gestorben, ehe er dieses Glückes teilhaftig ward.«

»Aber er ist zwischen meinen Beinen wieder auferstanden und möchte wohl in das gelobte Land einziehen!«

Das Mädchen lacht so toll, daß sie alle Früchte ins Grün rollen läßt.

Sprach sie: »Wenn Moses solch Verlangen trägt, das heilige Land zu betreten, und wenn Gott ihm erlaubt hat, dies Ziel zu erreichen, wie dürfte ich schwaches Kind etwas darwider haben?«

»Du bist wahrlich höflich, mein Zuckerplätzchen; gehn wir in den engen Stall dort, da haben wir unsere Bequemlichkeit.«

Der Pfarrer und die Mesnertochter treten in das kleine Bauwerk ein. Schnell kauert sich die Magd hin und der Priester rüstet sich.

»Endlich schaue ich das gelobte Land wieder,« sprach er.

»Komm, Moses, offenliegt das gelobte Land vor dir!«

»Moses ist eingegangen ins gelobte Land,« bestätigt glücklich der geistliche Vater.

Nach mehreren Wanderungen durch dies wunderbare Land hat der Priester genug von ihm und geht wieder ans Sammeln der Gartenfrüchte.

Nach geschehener Arbeit kehrt der Priester ins Haus zurück, allwo er den Mesner findet.[151]

»Bist du schon lange da?« fragt er den.

»O ja, schon eine gute Weile; einige Minuten, bevor Moses ins gelobte Land zog, kam ich!«

»Schweig, schweig, Unglückswurm, daß mein Weib nichts davon erfährt. Ich gebe dir zehn Piaster und will deinem Mädchen ein neues Kleid schenken, aber nimm eine solche Gotteslästerung nicht wieder in den Mund. Es war Josua, und nicht Moses, welcher der Ehre teilhaftig ward, das Volk Israels in das vom Allmächtigen gelobte Land zu führen!«

Quelle:
[Hansmann, Paul] (Hg.): Schwänke vom Bosporus. Berlin: Hyperionverlag, [1918], S. 148-152.
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