[139] Der Löwe und der Pavian wohnten in einer Richtung, und deren Kinder spielten zusammen. Da gingen die zwei einmal miteinander auf die Jagd. Der Löwe aber kehrte früher um, um nach Hause zu gehen. Hier biß er die Kinder des Pavians tot und fraß sie auf. Auf diese Weise hatte er viele Kinder des Pavians umgebracht. Dieser aber konnte nichts machen, weil er zu schwach war. Eines Tages gingen sie wieder auf die Jagd. Dieses Mal kehrte der Pavian früher zurück und setze sich auf den äußersten Rand einer steil abfallenden Bergwand. So sitzend schlug er behaglich seinen Bogen. Der Löwe jagte indessen allein. Als dieser auch umgekehrt war, sah er den Pavian auf der Spitze des Berges sitzen und lauerte auf ihn. Er hatte vor, ihn heute auch noch aufzufressen. Der Pavian merkte das und schaute aus. Der Löwe meinte, der Pavian kehre ihm den Hinterkopf zu und lauerte weiter auf dessen Bewegungen. Da legte sich der Pavian wieder und schlug die Saite:
»Zwei Menschenaugen lauern; auf-, abwogend sieht er, – den Menschen zu überfallen.«[139]
Als er so sang, richtete der Löwe sich lauernd wieder auf und wollte springen, den Pavian zu packen. Dieser aber hatte sich schnell gelegt und so setzte der Löwe in seinem Sprung über den Pavian weg, stürzte hinunter und war tot. Daraufhin kehrte der Pavian so schnell zurück, wie er sonst niemals gethan, und sprach sehr laut mit seinem Hausgesinde. Die Löwin war darüber sehr verwundert und frug ihn: »Wo ist dein Großvater, daß du so früh kommst?« Er sprach: »Der Mann ist heute gegangen und zum Sterbeplatz gekommen; und morgen wird er zum großen Sterbeplatz hinaufsteigen; und übermorgen zum fauligen Sterbeplatz hinabgehen; und darnach wird er auf dem weißen Knochenfelde umkehren; und zuletzt auf dem Wege der Morschheit anlangen!« Da sprach die Löwin: »Wenn er auf dem ›gunu-xu-!nas‹ (Morschheitsplatz) ankommt, dann muß er von dem ›gunu‹ (= verfaultes Holz) mitbringen, denn wir haben den ›gunu‹ sehr nötig.« – Daraufhin nahm der Pavian seine übrigen Hausgenossen auf die Spitze des Berges und rief der Löwin zu: »Dein Mann ist tot.« Und der Pavian floh mit den Seinen davon.
Erläuterung: Ein untergeordnetes Familienhaupt kann es unter und neben seinem herrschsüchtigen Häuptling auf die Dauer nicht mehr aushalten. Der Schwächere sucht dem Tyrannen eine Grube zu graben, ohne ihn persönlich anzutasten. Auf hohem Felsengrab reizt er ihn durch sein Spiel zum Angriff. Hinter einem Stein liegend, stürzt der Löwe auf den Pavian zu, aber über ihn hinweg in den Abgrund. Mit abgekühltem Blute, aber beißender Ironie erzählt der Pavian das Schicksal[140] seines Herrn der Löwin. Sie, die Königin, denkt nicht an den Tod – nur an das faulende Zunderdosenholz für ihre Tabakspfeife. »Gunub« (Morschheit) dient nämlich den Eingeborenen als Zunderdosenschwamm.