96. Ljelje Kurwe.

[130] Es war und war nicht. – Es war einmal eine Mutter, die hatte sieben Söhne in der Fremde und eine kleine Tochter zu Hause.

Als nun das Mädchen heranwuchs, da sagten die Leute zu ihm: »Wie glücklich bist du, daß du sieben Brüder hast!«

Da ging es eines Tages zu seiner Mutter und sagte ihr: »Mutter, hab' ich Brüder?«

»Wie solltest du keine haben, Töchterchen? Du hast sieben Brüder, aber du hast sie nicht hier, sie sind weit in der Fremde.«[130]

»Wenn ich wirklich Brüder habe, so gib mir die Ljelje Kurwe, deine Magd, damit ich ausgehe, um sie zu finden.«

»So geh' denn, Töchterchen, wenn du solche Sehnsucht hast.«

Da machte sich diese auf den Weg, zusammen mit der Ljelje Kurwe, die zu Fuß war, und sie selbst saß auf einer Stute.

Als sie den halben Weg gemacht hatten, fanden sie eine Quelle, und da große Hitze war, kam ihr Durst an. Sie sprang von der Stute, um Wasser zu trinken und gab die Stute der Magd zu halten.

Während sie nun Wasser trank, siehe, da sprang Ljelje Kurwe auf die Stute und ritt voraus, und das Mädchen lief ihr nach.

Als sie zu dem Orte kamen, wo die Brüder waren, da nahmen diese Ljelje Kurwe wie ihre Schwester auf und ließen ihre Schwester Hühner und Gänse hüten.

Und Ljelje Kurwe saß auf dem goldenen Stuhl und spielte mit dem goldenen Apfel.

Und jene weinte, während sie die Hühner und die Gänse hütete, und schickte ihrer Mutter Grüße mit der Sonne des Mittags.

Nach mehreren Tagen erfuhren die Brüder, daß sie ihre Schwester sei, und sie setzten sie auf den goldenen Stuhl und sie spielte mit dem goldenen Apfel, und die Ljelje Kurwe züchtigten sie sehr wegen des Betruges, den sie gespielt hatte, und ließen sie die Hühner und die Gänse hüten.

Quelle:
Hahn, J[ohann] G[eorg] v[on]: Griechische und Albanesische Märchen 1-2. München/Berlin: Georg Müller, 1918, S. 130-131.
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